+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Gantz-Partei fordert Neuwahlen
Eine Abgeordnete der israelischen Oppositionspartei des Netanjahu-Rivalen Gantz beantragt die Auflösung der Knesset und Neuwahlen. Likud lehnt ab.
Partei von Gantz fordert Auflösung der Knesset
Die israelische Abgeordnete Pnina Tamano-Shata, Mitglied der oppositionellen Partei der Nationalen Einheit von Benny Gantz, will einen Antrag zur Auflösung des Parlaments und sofortigen Neuwahlen in die Knesset einbringen. Benny Gantz gehört derzeit dem dreiköpfigen Kriegskabinett an, hatte aber selbst bereits im April die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen ins Spiel gebracht.
„Der 7. Oktober ist eine Katastrophe, die es erforderlich macht, dass wir das Vertrauen des Volkes neu gewinnen und eine breite und stabile Regierung der Einheit bilden, die uns angesichts der enormen Herausforderungen in Fragen der Sicherheit, der Wirtschaft und vor allem der israelischen Gesellschaft sicher führen kann,“ sagt Tamano-Shata in einem von Times of Israel zitierten Statement.
Man wolle den Antrag unmittelbar einbringen. Das allerdings bezweifeln Beobachter*innen, etwa der Zeitung Haaretz: Denn wenn ein Antrag eingebracht und dann per Mehrheit abgelehnt würde, dürfte er für 6 Monate nicht erneut gestellt werden.
Eine Mehrheit ist allerdings nicht wirklich in Sicht. Die in einer Rechtskoalition regierende Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnte das Ansinnen sofort ab. „Mitten in einem Krieg braucht Israel Einheit, nicht Spaltung. Die Auflösung der Einheitsregierung ist eine Belohnung für [Hamas-Chef] Sinwar, ein Einknicken gegenüber internationalem Druck und ein fataler Schlag für die Bemühungen um die Freilassung unserer Geiseln,“ heißt es in einer Stellungnahme des Likud.
Benny Gantz war unmittelbar nach dem Hamas-Überfall des 7. Oktober in das dreiköpfige Kriegskabinett eingetreten. Im April hatte er bereits vorgezogene Neuwahlen für September gefordert. Mitte Mai war er mit einem Ultimatum an Netanjahu an die Öffentlichkeit gegangen: Er werde das Kriegskabinett verlassen, wenn Netanjahu nicht bis zum 8. Juni einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorlegen würde. (pkt)
China unterstützt Gazastreifen
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat bei einem Gipfel mit Vertretern arabischer Staaten mehr Hilfen für den Gazastreifen angekündigt. „Seit dem vergangenen Oktober ist der palästinensisch-israelische Konflikt drastisch eskaliert und hat Menschen in großes Leid gestürzt“, sagte er zur Eröffnung des Treffens des chinesisch-arabischen Kooperationsforums in der Hauptstadt Peking am Donnerstag. „Der Krieg sollte nicht endlos weitergehen.“ An dem Gipfel nahmen unter anderen die Staatschefs von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Tunesien teil.
Xi unterstrich die Unterstützung seines Landes für eine Zweistaatenlösung und versprach humanitäre Hilfen für den Gazastreifen in Höhe von 500 Millionen Yuan (rund 64 Millionen Euro). Zudem kündigte er eine Spende in Höhe von rund 2,8 Millionen Dollar an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) an.
Peking ist seit Langem ein Kritiker der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten. Am Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober war aus der Volksrepublik indes keine Kritik zu vernehmen. Ungeachtet dessen verbinden China und Israel jedoch zunehmend enge Wirtschaftsbeziehungen.. (ap)
Israel kontrolliert gesamten Grenzabschnitt zu Ägypten
Israels Armee hat im umkämpften Gazastreifen nach eigenen Angaben die Kontrolle über den gesamten Abschnitt an der Grenze zu Ägypten übernommen und damit ein wichtiges Ziel ihrer umstrittenen Rafah-Offensive erreicht. Die islamistische Hamas habe den als Philadelphi-Korridor bekannten Bereich für den Schmuggel von Waffen genutzt, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend. In dem etwa 14 Kilometer langen Abschnitt gebe es rund 20 Tunnel, die nach Ägypten führen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Einige der Tunnel seien Israel und Ägypten bereits zuvor bekannt gewesen, andere seien erst jetzt entdeckt worden, zitierte das Wall Street Journal einen israelischen Militärbeamten. Der jüngste Vorstoß der israelischen Armee könnte der Zeitung zufolge neue Spannungen zwischen Israel und Ägypten auslösen.
Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete unter Berufung auf eine ranghohe Quelle, die Berichte über die Tunnel an der ägyptischen Grenze seien nicht wahr. Ägypten ließ in der Vergangenheit allerdings bereits selbst Tunnel fluten, da durch sie auch Waffen aus dem Gazastreifen zu Extremisten in den Nord-Sinai gelangt sein sollen. Während der israelische Militärbeamte dem Wall Street Journal sagte, Israel habe Ägypten über die nun entdeckten grenzüberschreitenden Tunnel informiert, wies ein ranghoher ägyptischer Beamte dies gegenüber der US-Zeitung zurück. Israel benutze diese Behauptungen, „um die Fortsetzung der Rafah-Operation zu rechtfertigen“.
Anfang Mai waren israelische Truppen in Teile der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen vorgerückt. Sie übernahmen dort auf palästinensischer Seite den einzigen Grenzübergang von dem abgeriegelten Küstengebiet nach Ägypten.
USA: Israels Armee geht weiterhin gezielt und begrenzt vor
Die israelischen Streitkräfte hatten sich in Rafah bislang weitgehend darauf konzentriert, das Grenzgebiet zu Ägypten unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Gegend ist nicht so dicht besiedelt wie andere Teile Rafahs. Die US-Regierung warnt Israel seit Monaten vor den Gefahren, die ein Einsatz in den dicht besiedelten Stadtgebieten für die Zivilbevölkerung mit sich bringen könnte, will bisher aber weiterhin keinerlei Anzeichen für eine großangelegte Bodenoffensive des Verbündeten in dem Gebiet erkennen.
„Ich kann nicht bestätigen, ob sie den (Philadelphi-)Korridor eingenommen haben oder nicht, aber ich kann Ihnen sagen, dass ihre Bewegungen entlang des Korridors für uns nicht überraschend kamen und im Einklang mit ihrem Plan standen, die Hamas gezielt und begrenzt zu bekämpfen“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Mittwoch.
Israels Armee hatte den Philadelphi-Korridor zuletzt im Jahr 2005 kontrolliert, bevor sie aus dem Gazastreifen abzog. Auf palästinensischer Seite übte dort zuletzt die Hamas die Kontrolle aus, die 2007 gewaltsam die Macht in Gaza an sich gerissen hatte. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte im März, der Korridor müsse auch nach dem Krieg wieder von Israel kontrolliert werden. Nur so könne man eine Entmilitarisierung des Gazastreifens gewährleisten. Israels Militär sei nun entlang dieses Gebiets nicht nur auf Tunnel, sondern auch auf Dutzende Raketenwerfer der Hamas gestoßen, teilte Hagari weiter mit. Erst vor wenigen Tagen waren nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen aus Rafah auf die israelische Küstenmetropole Tel Aviv abgefeuert worden.
Israels Militär zerstört Tunnel in Rafah
Im Großteil des Philadelphi-Korridors seien jetzt israelische Truppen stationiert, berichteten israelische Medien unter Berufung auf die Armee. Insgesamt sollen sich demnach 82 Tunnelschächte in der Gegend befinden. Israels Armee zerstörte unterdessen nach eigener Darstellung nahe Rafah ein anderthalb Kilometer langes Tunnelsystem der Hamas. Der Eingang habe sich rund 100 Meter vom Grenzübergang zu Ägypten befunden und zu einer verzweigten unterirdischen Route geführt, teilte Hagari weiter mit. Die Hamas habe das Tunnelsystem genutzt, um Soldaten anzugreifen und Waffen zu transportieren. In den Gängen in unterschiedlicher Tiefe habe man Raketen, Sprengsätze und weitere Waffen gefunden sowie mehrere Räume und Badezimmer.
„Die Hamas ist in Rafah“, sagte Hagari. Sie halte dort auch Geiseln fest. Daher werde man weiter in der Stadt vorrücken. Drei israelische Soldaten waren Medien zufolge am Vortag bei der Explosion einer Sprengfalle in einem Gebäude in Rafah getötet worden. Damit sind seit Kriegsbeginn am 7. Oktober vergangenen Jahres nach Angaben der Armee auf israelischer Seite 639 Soldaten und Soldatinnen gefallen. Auf palästinensischer Seiten starben laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 36.100 Menschen. Bei der unabhängig kaum überprüfbaren Zahl unterscheidet die Behörde nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Der Krieg wird nach Einschätzung von Israels Nationalem Sicherheitsberater mindestens bis Ende des Jahres andauern. „Auch in diesem Jahr erwarten uns noch mindestens sieben Monate der Kämpfe“, sagte Tzachi Hanegbi am Mittwoch dem israelischen Sender Kan. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt