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Ahndung bei VolksverhetzungEine Strafe für die Demokratie

Christian Rath

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Christian Rath

Volksverhetzung soll zum Entzug des passiven Wahlrechts führen. So sieht es ein Paket mit Strafrechtsverschärfungen von Justizministerin Hubig vor.

Po­li­zis­t:in­nen beschützen einen Feuerwehreinsatz in Berlin an Silvester 2020 Foto: Florian Boillot

J ustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat ein Paket mit Strafrechts-Verschärfungen vorgelegt. Die meisten haben mit dem Schutz von Po­li­zis­t:in­nen und Einsatzkräften zu tun und stehen wegen der an Silvester zu erwartenden Böllerattacken natürlich im Mittelpunkt des medialen Interesses.

Fast versteckt findet sich in diesem Paket aber auch eine Änderung, die nach Silvester vermutlich eher zu Kontroversen führen wird. Bei einer Verurteilung wegen Volksverhetzung kann das Strafgericht künftig das passive Wahlrecht aberkennen. Das heißt: Falls Björn Höcke oder ein anderer AfD-Hetzer wegen Volksverhetzung verurteilt würde, dürfte er fünf Jahre lang nicht mehr für einen Sitz im Landtag oder Bundestag kandidieren.

Etwas Ähnliches war im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigt worden: „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung.“ Gegenüber dieser Ankündigung sieht Hubigs Vorschlag nun zwei Abmilderungen und eine Verschärfung vor. So plant Hubig keinen Automatismus, sondern die Gerichte sollen im Einzelfall entscheiden. Außerdem sollen Verurteilungen zu Geldstrafen nicht ausreichen, vielmehr soll mindestens eine sechsmonatige Freiheitsstrafe erforderlich sein. Allerdings soll der Verlust der Wählbarkeit nicht erst bei wiederholter Verurteilung wegen Volksverhetzung eintreten können, sondern schon beim ersten Mal.

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Hubig begründet die Maßnahme mit dem drohenden Ansehensverlust der Volksvertretung, wenn dort verurteilte Volksverhetzer sitzen. Der Zeitpunkt legt aber nahe, dass es um eine Maßnahme geht, die vor allem auf AfD-Politiker:innen zielt, also auf Ver­tre­te­r:in­nen der stärksten Oppositionspartei. Der Schuss dürfte nach hinten losgehen und eher das Ansehen und das Vertrauen in das demokratische System weiter schwächen. Eingriffe in den demokratischen Wettbewerb sind immer heikel, vor allem aber, wenn sie typischerweise Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen treffen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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