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Journalist in DR Kongo ermordetMagloire Paluku, Kongos ewig rebellischer Geist

Einer der bekanntesten Journalisten im Osten der DR Kongo wird in der M23-Rebellenhochburg Goma erschossen. Er hatte sich den Rebellen angeschlossen.

Magloire Paluku wurde vor seinem Haus erschossen Foto: privat

Er starb zwei Tage vor seinem 59. Geburtstag, laut Familie mit sieben Kugeln aus einer schallgedämpften Pistole niedergestreckt, direkt vor seinem Haus in Goma, Rebellenhauptstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Noch ist nicht geklärt, wer am vergangenen Mittwoch Magloire Paluku ermordet hat, Kulturberater der in Goma herrschenden Rebellenallianz AFC/M23 (Allianz des Flusses Kongo / Bewegung des 23. März). Entweder können die Rebellen nicht einmal in ihrer Hochburg ihre eigenen Kader schützen – oder sie waren es selbst.

Unerschrocken, wortgewaltig, lebensfroh, omnipräsent: Jeder kannte Magloire Paluku in der schillernden und gefährlichen Landschaft des Journalismus im seit drei Jahrzehnten von Krieg geplagten Osten der DR Kongo. Paluku schrieb schlechte Gedichte, sang Lieder an der Gitarre, veröffentlichte in Eigenregie einen Spionageroman und zog in „Pamphleten“, die er bis zuletzt auf seinem X-Konto veröffentlicht hat, über die Politiker seines Landes her.

Vor allem aber trug Paluku als Gründer und Direktor des beliebten Radiosenders Kivu 1 ab 2011 den direkten und frechen Ton der Straße von Goma in die Medien, mit schnellen Nachrichten, flapsigen Sprüchen und bissiger Kommentierung aus dem Leben der jungen Generation.

„Er ist aktiv und professionell, er macht die Realität verständlich, er ist kompetent, er ist lustig, er sagt die Wahrheit, er ist mutig, er geht vor Ort und scheut keine Risiken, er geht die Konfrontation ein“, lautete 2017 das Ergebnis einer Hörerbefragung.

Dauerhoffnung auf die Revolution

Paluku war seines eigenen Glückes Schmied. Geboren am 12. Dezember 1966 in Butembo, der wichtigsten Stadt des Nande-Volkes im Ostkongo, zog er nach der Schule nach Goma, wo er Lehrer wurde, Theater und Musik machte, durchs Juraexamen fiel und sich dann als junger Radiojournalist dem Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila anschloss, der 1996–97 in einem von Ruanda unterstützten Blitzkrieg das Land eroberte und die Mobutu-Diktatur stürzte. Aber er verlor nach dem Umsturz schnell seine Illusionen in Kabilas neuem Staatsrundfunk.

Wie so viele Kongolesen machte der junge Journalist in Goma eine politische Schlingerkarriere: mal mit und mal gegen die Regierung, mal diese und mal jene zivile oder bewaffnete Opposition, immer in der vergeblichen Hoffnung, dass es diesmal endlich gut werde. Unter Kongos aktuellem Präsidenten Félix Tshisekedi arbeitete er zeitweise im Kulturministerium in Kinshasa – dann schloss er sich den AFC/M23-Rebellen an und hoffte erneut auf die Revolution.

Die Rebellen schätzten ihn als Überläufer und gaben ihm Zugang zu den Mächtigen. Er revanchierte sich mit professionellen Propagandavideos. Kollegen loben seinen Mut: Man konnte sich auf ihn verlassen, er setzte sich für Journalisten im M23-Gebiet ein. Andere kritisierten ihn als prinzipienlos und warfen ihm vor, jedem nachzulaufen, der ihm Ruhm verspreche.

Beim Massenprozess in Abwesenheit gegen die Rebellenführung vor einem Militärgericht in Kinshasa im Juli 2024 wurde Magloire Paluku zum Tode verurteilt. Das Todesurteil ist nun vollstreckt worden – bei den Rebellen.

Große Trauerfeier in Goma

Einigen Berichten zufolge hatte sich Paluku mit dem stellvertretenden M23-Provinzgouverneur Willy Manzi verkracht, der dann seine Garde losgeschickt haben soll. Aber auch M23-Feinde aus seinem eigenen Nande-Volk wünschten Paluku schon lange als „Verräter“ den Tod. Leibwächter lehnte er ab: Ihn kenne doch jeder, soll er gesagt haben, in Goma sei er sicher.

Jetzt herrscht in Goma Trauer. Am Dienstag soll Magloire Paluku beigesetzt werden, mit einer ökumenischen Feier im großen „Stadion der Einheit“ der Millionenstadt.

Lokale Journalisten trauern um ihn als Vorbild und Mentor. „Ich werde seine Tiraden vermissen“, sagt ein Kollege. „Die Revolution vergibt nicht“, bilanziert ein anderer: „Er ging sämtliche Irrwege, um die Macht zu erlangen, aber die Macht liebte ihn nicht. Er liebte das Leben und verschwendete es.“

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