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Machtkampf im BSW Sachsen-AnhaltWagenknecht-Partei macht sich selbst kaputt

Ein Parteitag des BSW in Sachsen-Anhalt sägt alle Kritiker der Parteichefs im Landesvorstand ab. Zahlreiche Delegierte verlassen empört das Treffen.

„Von Tuten und Blasen keine Ahnung“: Sachsen-Anhalts BSW-Chefs Thomas Schulze (l.) und John Lucas Dittrich Foto: Peter Gercke/dpa
Rainer Rutz

Aus Burg

Rainer Rutz

Vizechefin abgesetzt, Landesgeschäftsführerin abgesetzt, ein Beisitzer abgesetzt: Das BSW in Sachsen-Anhalt hat am Samstag kurzen Prozess gemacht. Am Ende eines extra anberaumten Sonderparteitags ist nahezu der komplette bisherige Landesvorstand der Wagenknecht-Partei ausgetauscht. Zwei weitere Vorstandsmitglieder waren ihrem erwarteten Zwangsabgang zuvorgekommen. Sie traten bereits am Freitag zurück und dann auch gleich aus dem BSW aus.

Das Parteitreffen in Burg, unweit der Landeshauptstadt Magdeburg, markiert den vorläufigen Höhepunkt eines knallharten Machtkampfs im achtköpfigen Vorstand des BSW Sachsen-Anhalt. Zwei Lager schenkten sich hier seit Monaten nichts. Auf der einen Seite standen die Landesvorsitzenden Thomas Schulze und John Lucas Dittrich sowie ein mit ihnen verbündeter Beisitzer, auf der anderen die jetzt zu Fall gebrachte 5er-Gruppe, die den beiden Chefs Machtgier, Intrigen und cholerische Ausbrüche vorhalten.

Wie vergiftet die Stimmung auch innerhalb des rund 550 Mitglieder zählenden Landesverbands ist, zeigte sich schon bei der Eröffnungsrede von Thomas Schulze. Der Parteichef warf der 5er-Gruppe in der schmucklosen Stadthalle von Burg „Spaltung“ vor und gab sich auch ansonsten unversöhnlich. Gut zwei Drittel der 100 Delegierten standen im Anschluss auf und applaudierten euphorisch, das restliche Drittel buhte. Die Mehrheitsverhältnisse waren damit schnell geklärt. Mit ebendieser Zwei-Drittel-Mehrheit wurden die verbliebenen drei Kri­ti­ke­r:in­nen dann auch ihres Amtes enthoben.

Deren Un­ter­stüt­ze­r:in­nen verließen unmittelbar danach fast geschlossen die Versammlung, auf der das Landes-BSW weiter um sich kreiste. Sie sprachen von einem „Tribunal“, das in Burg durchgezogen wurde, mit Leuten an der Spitze, „die von Tuten und Blasen keine Ahnung“ hätten. „Wir machen mit diesem Parteitag das BSW in Sachsen-Anhalt kaputt“, warnte Jan Witkowsky, Delegierter aus Halle und Ehemann der geschassten Vizelandeschefin Sylvia Winkelmann-Witkowsky. Sie selbst war gar nicht anwesend. „Ein Hörsturz, klar, der ganze Stress“, so Witkowsky zur taz.

Schreckbild Thüringer Weg

Wann der Zank und Streit im BSW Sachsen-Anhalt begonnen hat, ist nicht mehr genau auszumachen. Ebenso wenig die Frage, worum es – jenseits der Macht in der Partei – eigentlich geht. Beide Seiten werfen sich gegenseitig parteischädigendes Verhalten vor. Die Kri­ti­ke­r:in­nen halten die Parteichefs John Lucas Dittrich und Thomas Schulze dabei für gänzlich ungeeignet, da ihnen jegliche Fähigkeit zu Selbstkritik und Kompromissen abgehe. Dittrich und Schulze wiederum bescheinigen ihren Gegner:innen, auf einem obskuren Selbstfindungstrip zu sein.

Im Kern handele es sich zudem um einen politischen Konflikt, so die Parteivorsitzenden. Der Vorwurf: Ihre Kri­ti­ke­r:in­nen planten, das BSW nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in neun Monaten – wie die Par­tei­kol­le­g:in­nen in Thüringen – an einer Anti-AfD-Koalition zu beteiligen. Die 5er-Gruppe weist die Aussage empört zurück: Eine Koalition mit CDU und SPD komme nicht infrage, eine Koalition mit der AfD aber auch nicht, die Brandmauer brauche es trotzdem nicht. Das Gleiche sagt Schulze: „Der Thüringer Weg ist nicht unser Weg.“

Überhaupt Thüringen. Thomas Schulze zufolge pflegten seine Kri­ti­ke­r:in­nen beste Kontakte zum BSW in Thüringen um die dortige Finanzministerin und Wagenknecht-Widersacherin Katja Wolf. „Wir wissen, dass sich getroffen wurde“, sagte Schulze am Samstag auf taz-Nachfrage. Bei ihm klang das fast nach Skandal und Verrat. Auf jeden Fall nach: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern.

Nun wurde also aufgeräumt. Co-Landeschef Dittrich zeigte sich „mit dem Ausgang des Parteitags sehr zufrieden“. Ohne die 5er-Gruppe sei der Weg jetzt frei für einen „Neuanfang“. Was auch Dittrich weiß: Schon länger ist das BSW auch in Sachsen-Anhalt auf dem absteigenden Ast. Vor ziemlich genau einem Jahr wollten hier noch 16 Prozent der Befragten der Partei ihre Stimme geben, bei der Bundestagswahl kam sie dann nur noch auf 11 Prozent. Inzwischen ist das BSW in dem Bundesland bei 6 Prozent angekommen.

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9 Kommentare

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  • Muss man das jetzt schade finden?



    Bestimmte Gruppierungen und Personen ziehen rein strukturell Querulanten an, die denken dann die kommen mit ihren mit ihren oft verwirrenden Ansichten und ihren großen Egos in einer Gruppe zusammen um "ihre" Sache voran zu bringen. Allerdings ecken die naturgemäß immer untereinander an.

  • Wieso nur kann ich über diese Entwicklung nicht besorgt odr gar traurig sein???

  • Was haben BSW und die ehemaligen deutschen Republikaner gemeinsam?



    Sie vernichten sich selbst, und das ist gut so.

  • Sahra wollte ja die Spinner draußen haben. So wie es aussieht, hat sie viele mit reingenommen.

  • Und bei nächster Gelegenheit jammert Wagenknecht wieder darüber, dass das BSW von "den Medien" ignoriert werde...

  • "Inzwischen ist das BSW in dem Bundesland bei 6 Prozent angekommen." Da geht noch weniger, eine Blockpartei AfD-Light braucht niemand.

  • Ein hervorragend recherchierter Artikel, der die unsozialen Antriebe der Wagenknecht-Truppe schonungslos aufdeckt.

    • @Wiesel24:

      Aha.

      Und was sind die " unsozialen Antriebe"?

      Einen Streit, mit wem man koaliert, führt nicht nur das BSW.

  • Kann man da nicht einmal die Darstellungen von Schulze und dann von einem der Kontrahenten nebeneinanderstellen? Das wäre etwas authentischer als ein Bericht darüber.