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Krieg in DarfurVölkermord im Live-Modus

Dominic Johnson

Kommentar von

Dominic Johnson

In Sudan eskaliert der Völkermord durch die RSF. Aber die internationale Gemeinschaft, gefangen in heilloser Doppelmoral, tut bis auf Reden nichts.

RSF-Kämpfer feiern mit Waffen in den Händen auf den Straßen von El Fasher in der sudanesischen Region Darfur Foto: Rapid Support Forces Telegram Account (RSF)/afp

D er Krieg in Sudan erweckt nur noch selten internationale Aufmerksamkeit. Aber die Einnahme der letzten Regierungsbastion in der leidgeplagten westsudanesischen Region Darfur durch die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) in den vergangenen Tagen müsste das eigentlich ändern. Die Bilder und Nachrichten aus der einstigen Millionenstadt El Fasher schockieren nicht nur in ihrer Brutalität, sondern auch in ihrer Ehrlichkeit. Völlig unbekümmert prahlen die RSF-Milizionäre mit ihrem Sieg und stellen ihre Gräuelvideos ins Netz. Man kann online die Leichen zählen. Von 2.000 Toten in zwei Tagen sprechen die flüchtigen lokalen Widerstandskämpfer – selbst wenn diese Zahl nicht verifizierbar ist und möglicherweise jetzt noch aufgebauscht sein sollte, könnte sie sich bald als untertrieben herausstellen.

Niemand sollte sich überrascht geben. Sudanesische Aktivisten, internationale Hilfswerke und die Vereinten Nationen schlagen schon seit Monaten Alarm wegen des Horrors von El Fasher unter Belagerung durch die RSF. Hungersnot unter Kriegsvertriebenen stellten UN-Experten dort bereits vor über einem Jahr fest, inzwischen sind rund 5 Millionen Menschen in ganz Darfur auf der Flucht. Die Verbrechen der RSF werden seit zwei Jahren immer wieder von internationaler Seite als Völkermord gewertet. In El Fasher spielt sich nun der finstere Höhepunkt ab.

Die internationalen Reaktionen darauf konzentrieren sich bislang auf Appelle an die RSF, bitte freundlicher mit der Bevölkerung umzugehen, sie fliehen zu lassen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Aber wenn die Miliz das wollte, würde sie diesen Krieg gar nicht erst führen.

Die RSF-Miliz will in Darfur den Völkermord an nichtarabischen Volksgruppen vollenden, den ihre Vorgängermiliz Janjaweed vor 20 Jahren bereits zu weiten Teilen vollzog hat. RSF-General Hametti will im Westen Sudans einen eigenen Warlord-Staat, der sich Sudans Staatlichkeit entzieht, ähnlich wie das Warlord-Gebiet von General Haftar im benachbarten Osten Libyens. Russland wirft bereits sein interessiertes Auge auf diese rechtsfreien Räume; Waffen- und Rohstoffhändler jeder Couleur finden hier Beschäftigung.

Wäre es zu viel verlangt, dass Länder, von deren Finanzierung die humanitäre Hilfe abhängt, klar Position beziehen? Dass die EU und ihre Mitglieder erklären: Die RSF begeht Völkermord, und wir behandeln jeden ihrer Förderer und Geschäftspartner als mitschuldig? Und: Wir nehmen Geflüchtete aus Sudan auf, großzügig und unkompliziert, statt sie im Mittelmeer ertrinken zu lassen? Aber in einer Welt, in der spätestens seit dem Gazakrieg heillose Doppelmoral herrscht, wäre das wohl unglaubwürdig. Die RSF-Kämpfer wissen schon, warum sie ihre Verbrechen unbekümmert in die Welt setzen können.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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23 Kommentare

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  • Natürlich ist es wichtig die Regierungen der EU und Deutschland zu ermahnen, doch wo sind die Empörungen der Zivilgesellschaft. Wo die Demos, die Aufmerksamkeit, Die solidariserung ? Jeder Pali-linke der sich denkt seid Jahren: "juckt". Jede leidenschaftliche Verfechterin des Genozidalen Unfugs sollte spätestens jetzt die Motivation hinterfragen, und zugeben, dass es nur gegen Israel ging, das nun ein tatsächlicher Genozid keine Empörung auslöst, enthüllt den Antisemitismus

  • Danke für Ihre Recherche! Angesichts der Brutalität fehlen Worte. Ich frage mich, wie man in einer Redaktion diese Bilder ertragen kann, wenn das täglicher Bestandteil der Arbeit ist und man einem solchen Desinteresse gegenübersteht.

  • Wie in fast allen Ländern der Welt mit über 500 Prozent Bevölkerungswachstum seit 1950 regieren im Sudan Krieg, Hunger und Leid im Übermaß. Ähnlich z. B. wie Palästina und Afghanistan. Wie viele andere auch kann sich keines dieser Länder mehr selbst ernähren.

    In den Jahren 1960 bis 2024 stieg die Einwohnerzahl im Sudan von 7,54 Millionen auf 50,45 Millionen. Dies bedeutet einen Anstieg um 568,7 Prozent in 64 Jahren.

    Furchtbar im Sudan auch die weiterhin verbreitete weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Gemäß den Vereinten Nationen sind immer noch neun von zehn Mädchen davon betroffen.

    In einer Welt ohne Doppelmoral wäre es seit Jahrzehnten angesagt alles zu tun um den Frauen dort bei den UN-erklärten Menschenrechten Geburtenkontrolle und Familienplanung zu helfen. Wie es z.B. die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung macht. Dann müssen die Menschen nicht fliehen.

    www.dsw.org/sexual...aerung-verhuetung/

    www.laenderdaten.i...erungswachstum.php

    de.statista.com/st...ng-von-palaestina/

    de.statista.com/st...ng-in-afghanistan/

    • @shantivanille:

      aufgepasst, nicht dass Ihnen am Ende noch jemand eine Unterstützung feministischer Entwicklungspolitik vorwerfen kann

  • "Dass die EU und ihre Mitglieder erklären: Die RSF begeht Völkermord"



    Frage an den Autor: Warum muss das nur die EU erklären und nicht auch z.b. Russland, China und die arabische Welt?

    • @Demokratischer Segler:

      Weil die von Ihnen genannten Länder Autokratien sind die sich nicht um die Meinung eines deutschen Journalisten scheren. Forderungen sind nur dann sinnvoll wenn es überhaupt eine Chance gibt das die Geforderten diese auch hören und danach handeln.

      • @Jesus:

        Danke @ Jesus, dass sie die verschiedenen Kommentare hier nicht unbeantwortet lassen und ein wenig Verstand in die Diskussion bringen!

  • Die RSF wird (Überraschung!) von Wagner-Söldnern unterstützt. Damit sind sämtliche internationale Eingriffe über UN-Mandate etc. aufgrund von in der Praxis automatisch abgegebenen Vetos ausgeschlossen.

  • Klar, Geld schicken und Flüchtlinge aufnehmen - ist das so eine Art postkoloniale Pflicht für Deutschland? Die bisherigen Versuche sich als Weltenretter aufzuspielen sind wohl eher gescheitert.

    • @Zven:

      Nein, jedes Land der Welt ist verpflichtet kriegsflüchtige aufzunehmen, Geld ist gar nicht unbedingt vonnöten, die Menschen in Darfur verhungern, Essen sollten wir schicken, mit Wir meine ich alle nicht unbedingt die Deutschen.



      Das Ganze hat mit Postkolonialismus nichts zu tun sondern mit Menschlichkeit.

      • @Jesus:

        Komisch, man hört immer nur vom Westen der Helfen soll, der Rest hält sich gerne zurück.

        • @Kant Unbe:

          Sollten diese von Ihnen als "Rest" bezeichneten Staaten reicher sein ? Und erklären Sie mir bitte, was der sogenannte "Westen" ist, Japan ? Australien? Trump's USA ?

        • @Kant Unbe:

          Auch zu erwähnen, an Jesus anknüpfend, der Libanon. Das Land mit der höchsten Flüchtlingsdichte pro Kopf weltweit: Jeder vierte Einwohner ist dort Geflüchtete/r!

          • @Bianca:

            Wird den Flüchtlingen dort die Möglichkeit gegeben die Staatsbürgerschaft zu bekommen? Oder will man die Leute wieder loswerden und sie behalten deshalb ihren Flüchtlingsstatus

        • @Kant Unbe:

          Das Land mit den meisten Geflüchteten ist Islamische Republik Iran mit rund 3,5 Mio. Geflüchteten unter der Mandats­führung von UNHCR. 



          Es folgt Türkei (ca. 2,9 Mio.) und Kolumbien (ca. 2,8 Mio.).

  • Natürlich juckt das viele Aktivisten nicht. Keine Demos und nirgends ein Informationsstand in irgendeiner Innenstadt. Ist ein eigentlivh Hilfs Konvoi geplant? Gut, ist ja auch nicht Israel involviert. Ich schau jetzt mal im Netz ob es eine vernünftige Organisation gibt, wo ich was spenden kann.

    • @Müller Christian:

      Doch, indirekt ist Israel involviert, zumindestens nach dem Artikel, den Sie ja doch sicher genau gelesen haben. Nach den Kriegs- und Völkerrechtsbrüchen in Gaza ist alles erlaubt. Und sollten Sie die Gazakrise mitverfolgt haben, dürften Sie auch ohne Netzsuche wissen, welche vernünftigen Organisationen helfen. MSF, WFP.

      • @Jo Lang:

        Nur das der Krieg im Sudan schon länger andauert.

    • @Müller Christian:

      War ja klar, dass jemand mit dem Israel Vergleich kommen musste. Ich finde es auch furchtbar, dass Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent, und besonders Darfur, systematisch vom Westen ignoriert werden und anscheinend weniger Empathie für afrikanische Hungernde und Vertriebene aufgebracht wird als für andere. Dennoch hinkt der Vergleich hier sehr. Demos in Solidarität mit Gaza und vor allem gegen die aktuelle deutsche bedingungslose Unterstützung können einfach derzeit mehr bewirken, weil Deutschland nach den USA direkt mitverantwortlich ist für den Genozid durch Waffenlieferungen, etc. In Darfur landen vielleicht auch deutsche Waffen, das mag ich nicht bestreiten und sicher würde ich mich über Demos zu Darfur auch freuen, aber der Druck, der hier ausgeübt werden kann, ist einfach nicht der gleiche und hat auch nicht den gleichen Effekt. Abgesehnen davon, dass der Völkermord hier von einer Terrormiliz mit wenig Bezug zur deutschen Regierung begangen wird und nicht von einer selbst ernannten Demokratie, die entschuldige die Wiederholung direte militärische Unterstützung von Deutschland bekommt...

      • @Bianca:

        Zunächst ist Israel keine selbsternannte Demokratie, sondern im Gegensatz zu den meisten arab. u. afrik. Staaten gibt es dort freie Wahlen u. eine unabhäng. Justiz. Aber dies nur am Rande.



        Und das andere, aber das wissen Sie vermutl. selbst am besten, ist eine Ausrede. Von den offenen Briefen postkolonial angehauchter Akademiker, den Gretas dieser Welt oder vom Hamas-Umfeld inszenierten Demos wird sich ein Nethanjahu oder Trump (in diesem Fall sogar zu Recht) nicht beeindrucken lassen. Übrigens ist der Vorwurf, die Genannten würden regelmäßig schweigen, wenn es um den Sudan, den Jemen, die Uiguren oder andere Menschenrechtsverletzungen rund um den Globus ginge, ja nicht neu. Deren ritualisierte Empörung richtet sich immer und ausschließlich gegen Israel. Aber wo ist sie, wo es hier immerhin um einen afrikanischen Staat geht, etwa die Stimme eines postkolonialen Gurus wie Achille Mbembe? Der ja vor zehn Jahren allen Ernstes, sämtliche Maßstäbe verrutschend, vom "größten moralischen Skandal unserer Zeit" schwadronierte, womit er die besetzten paläst. Gebiete meinte. Sie simple Wahrheit ist: es fehlt hier einfach das antiwestliche Feindbild.

  • Welche Religion nutzt die RSF als Verstärker und Rechtfertigung ihrer Taten? Und wieso nennt der westliche Journalismus diese Leute Kämpfer und nicht Terroristen?

  • Anstelle eines Kommentars, der nur dem Autor zustimmen würde, hier der Link zu Ärzte ohne Grenzen:

    www.aerzte-ohne-gr...nsatzlaender/sudan

    • @Klabauta:

      Vielen Dank für den Link!!!