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Senkung FlugverkehrsabgabeFür die Lobby, gegen die Menschheit

Susanne Schwarz

Kommentar von

Susanne Schwarz

Dass die Bundesregierung das Fliegen billiger macht, ist klimapolitisch falsch. Und auch aus finanzieller Sicht kaum verständlich.

Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung Foto: Arnulf Hettrich/imago

F liegen soll in Deutschland wieder billiger werden, hat die Regierung im Koalitionsausschuss beschlossen. Schwarz-Rot will die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Flughäfen steigern und die Luftverkehrsabgabe auf Flugtickets senken, die die Ampelkoalition erst 2024 erhöht hatte. „Wir machen unsere Hausaufgaben“, sagte Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses. Fragt sich nur: Wer hat die Hausaufgaben aufgegeben?

Im Falle der Luftverkehrsabgabe war es definitiv nicht die zurzeit in Brasilien laufende Weltklimakonferenz, auf der die Bundesregierung sich als Klima-Champion darstellt. Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Die hohen CO₂-Emissionen wirken so hoch am Himmel sogar noch stärker, als kämen sie etwa aus Schornsteinen oder Auspuffen in Bodennähe.

Hinzu kommen sogenannte Nicht-CO₂-Effekte aufs Klima: Kondensstreifen, Ruß, Stickoxide. Diese wirken teils auch kühlend, insgesamt aber weiter erhitzend. Sie würden auch bei einem vollständigen Umstieg auf CO₂-freie synthetische Kraftstoffe anfallen. Ein klimafreundlicher Luftverkehr ist deshalb bisher nicht absehbar.

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Nein, die Hausaufgaben kommen von woanders – und werden dort auch prompt mit „sehr gut“ bewertet. „Die Bundesregierung hat Wort gehalten und der jahrelang weiter steigenden Kostenspirale bei Steuern und Gebühren für Luftverkehr ab Deutschland ein Ende gesetzt“, freut sich Joachim Lang, Chef des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Dabei wird Fliegen in Deutschland ohnehin wieder beliebter. Im ersten Halbjahr 2025 nahm die Zahl der Pas­sa­gie­r*in­nen an deutschen Flughäfen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut BDL um 2,8 Prozent zu. Im Vorjahr gab es sogar eine Steigerung um 10 Prozent.

Regierung verzichtet auf 350 Millionen

Die klimaschädliche Branche motzt aber trotzdem: Auf das Niveau von vor der Coronapandemie, als die Politik das Reisen aus gesundheitlichen Gründen stark beschränkte, sind die Zahlen noch nicht wieder angestiegen. Gerade Inlandsflüge gibt es viel weniger. Neben den spärlichen politischen Steuerungsversuchen wie der Luftverkehrsabgabe liegt das wahrscheinlich daran, dass viele Geschäftsreisen schlicht wegfallen und durch Videokonferenzen ersetzt werden.

Es ist klimapolitisch falsch, das Fliegen billiger zu machen – und auch aus finanzieller Sicht kaum verständlich. Die Regierung verzichtet nach eigenen Angaben auf rund 350 Millionen Euro. Das ist wohl auch der Grund, warum die Luftverkehrssteuer bisher in ihrer aktuellen Höhe überhaupt überlebt hat.

Hinzu kommt der unsägliche Streit der Regierung über das längst beschlossene Verbrenner-Aus. Und im Straßenneubau soll es mit dem Bundeshaushalt fürs kommende Jahr vorangehen, möglicherweise mit Geld, das eigentlich für die Sanierung maroder Infrastruktur gedacht war.

Hausaufgaben in allen Ehren – aber welcher Schule die Regierung dabei anhängen will, sollte sie sich genau überlegen.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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