Isländischer Film über Trauer auf DVD: Wenn die anderen zu Tränen werden
In Rúnar Rúnarssons Film „Wenn das Licht zerbricht“ müssen zwei Frauen mit dem Tod ihres Geliebten zurechtkommen. Nur eine der beiden weiß von der anderen.

Una liebt Diddi. Diddi liebt Una. Sie sind jung, studieren Performance an der isländischen Kunstakademie in Reykavík. Es ist Abend, sie kiffen am Meer, das Licht bricht, die Sonne geht unter. Sie schlafen miteinander bei Diddi. Am Morgen bricht er auf, weil er reinen Tisch machen will: Er wird sich von Klara trennen, mit der er eine Beziehung hat. Sie lebt in einer anderen Stadt.
Eine lange Passage, eine Fahrt, man sieht fast gänzlich abstrakt nur eine Kette vorbeiziehender Lichter oben im Dunkel, dazu ist Jóhann Jóhannssons sehr traurige und sehr schöne Komposition für Streicher und Stimme „Odi et amo“ zu hören. Dann klärt sich das Bild, die Licht-Dunkel-Passage ist ein Tunnel, und es rast ein Feuerball auf die darin fahrenden Autos zu.
Diddi ist tot. Una erfährt es nicht gleich. Sie erwacht in Diddis Bett, da ist er schon auf dem Weg zu Klara, und sie schläft am Ende darin wieder ein, in den Armen von Klara, von der Diddi sich im Leben nicht mehr getrennt hat. So schließt der Film sehr bewusst einen Kreis. Auf die Stunden dieses einen Tages, auf Szenen der Erinnerung und der Trauer, für Una allein und in Gemeinschaft mit Freunden, beschränkt sich „Wenn das Licht zerbricht“.
„Wenn das Licht zerbricht“ (Island 2024, Regie: Rúnar Rúnarsson). Die DVD ist ab rund 14 Euro im Handel erhältlich.
Auf den Schultern, dem Gesicht und der sommersprossigen Stirn, dem Hinterkopf, dem Körper Unas, die von der Musikerin Elín Hall mit großer äußerer Ruhe gespielt wird, ruht dabei fast das ganze Gewicht.
Gemeinsames Trauern
Man sieht Una mit den gemeinsamen Freunden, Diddis WG-Mitbewohner Günni, der so heftig trauert wie Una und auch wie Klara (Katla Njálsdóttir), die aus der anderen Stadt nach Reykjavík kommt. Man sieht sie mit ihrem Vater, aber der verschwindet gleich wieder. Man sieht sie in der Kneipe, in der sie jobbt und nun diverse Alkoholika kippt. Man trauert gemeinsam, sieht Fotos und Filme von früher. Mit Klara steht Una vor der expressionistischen Kirche Hallgrímskirkja mit ihren beeindruckenden orgelpfeifenartigen Betonpfeilern und reenactet eine Performance, bei der sie die Teilnehmer das Fliegen gelehrt hat.
Regisseur Rúnar Rúnarsson, der auch das Drehbuch verfasst hat, verzichtet auf jede Dramatisierung und Plotkomplikation. Bekannt geworden ist er als Regisseur von Kurzfilmen, und in einem guten Sinn ist „Wenn das Licht zerbricht“ etwas wie ein ruhig atmender, nicht distanziert, aber unaufdringlich beobachtender, sich auf einzelne Bilder und Einstellungen konzentrierender längerer Kurzfilm.
Es ist ein Film, der weniger über Narration als über aufeinander reagierende Bilder und die Variation von Motiven komponiert ist. Die Lichterkette im Tunnel am Anfang wird am Schluss gespiegelt, wieder das Jóhann-Jóhannsson-Lied, fast abstrakt diesmal der Flug über das Meer. Der Feuerball diesmal: die Sonne, die aufgeht.
Una ist die Figur, die in der Schärfe liegt, während die Umgebung oft verschwommen bleibt, nicht als schlichte Subjektive gefilmt, es ist eher etwas wie eine Objektivierung der Tränen im filmischen Bild. Wenn es einen Konflikt gibt, dann nur in der Frage nach dem Verhältnis von Una und Klara, den Frauen, von denen nur die eine weiß, dass Didi sich von der anderen zu trennen bereit war.
Empfohlener externer Inhalt
In einem sehr eindrucksvollen Moment blendet Rúnar Rúnarsson die Gesichter der beiden Frauen in einer Großaufnahme so übereinander, dass ein Kompositgesicht daraus entsteht. Wieder die Entscheidung, das Drama nicht über den Plot aufzulösen, sondern ein Bild zu finden, das ein Verhältnis in eine visuelle Form übersetzt. So auch der versöhnliche und trotzdem nicht kitschige Schluss mit Klara und Una, die eine in den Armen der andern in Diddis Bett: gegenseitiger Trost im geteilten Verlust.
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