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Pali-Proteste in BerlinDemo-Verbot folgt auf Glorifizierung

Bei einer Straßenblockade wird palästinensischen Kämpfern gehuldigt. Eine Kundgebung am Abend hat die Versammlungsbehörde verboten.

Palästina-Protest am Alexanderplatz Foto: dpa
Erik Peter

Von

Erik Peter aus Berlin

taz | Kurz nach 8 Uhr am Dienstagmorgen haben propalästinensische Ak­ti­vis­t:in­nen die Kreuzung Warschauer Straße/Mühlenstraße in Friedrichshain blockiert. Auf Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie Menschen auf der Fahrbahn sitzen, während sich dahinter der Verkehr staut. Andere halten ein großes Transparent mit der Aufschrift „Glory to the fighters“, eine offensichtliche Huldigung der Kämpfer der Hamas und anderer militanter Palästinenser-Organisationen, die am 7. Oktober 2023 Israel überfallen hatten.

Die Berliner Polizei sprach in einer ersten Mitteilung von 37 Personen, die sich an der Blockade beteiligten. Wegen des Ausrufs verbotener Parolen und Nötigung im Straßenverkehr seien 17 Personen festgenommen, zehn von ihnen in eine Gefangenensammelstelle gebracht worden. Von weiteren Personen seien die Personalien festgestellt worden. Aufgrund des Banners bestehe der Anfangsverdacht der Billigung von Straftaten.

Die Szene, die mehrmals wöchentlich in Berlin auf die Straße geht, hat rings um den zweiten Jahrestag des Angriffs auf Israel ihre Aktivitäten noch einmal intensiviert. Mobilisierend wirkte dabei auch der Stopp der Gaza-Flotille durch die israelische Armee in der vergangenen Woche.

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Am Donnerstag hatten dagegen etwa 800 Menschen am Alexanderplatz demonstriert. Auch hier war es wegen der Blockade von Straßenbahngleisen und verbotener Parolen nach einer zunächst friedlichen Kundgebung zu 50 Festnahmen gekommen. Am Wochenende dann waren zahlreiche Ak­ti­vis­t:in­nen ebenfalls mit Bezug auf die aufgehaltenen Schiffe mit Booten auf dem Landwehrkanal unterwegs. Mit Hinweis auf noch von Israel festgehaltene Teil­neh­me­r:in­nen befinden sich Aktivisten in Berlin seitdem im Hungerstreik.

Jubel über den 7. Oktober

Seit dem Sonntag läuft zudem eine Aktionswoche unter dem Titel „United 4 Gaza“ mit täglichen Protesten. Am Dienstagabend war eine Kundgebung am Alexanderplatz geplant, in dessen Aufruf es über die Attacke auf Israel unverhohlen heißt: „Ihr heldenhafter Ausbruch aus dem Gefängnis überraschte die ganze Welt und erschütterte das zionistische Regime“.

Wie die Polizei am Dienstagnachmittag auf Anfrage der taz bestätigte, wurde die Versammlung verboten. Auf X schrieb sie, bereits der Aufruf in den sozialen Meiden habe zur „Einleitung eines Strafverfahrens geführt“. Daher müsse von einem „unfriedlichen Verlauf ausgegangen werden“. Auch alle Ersatzveranstaltungen sind verboten

Ein Verbot hatte zuvor etwa der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Martin Matz gefordert. Die Polizei ist über den Tag mit einem großen Aufgebot von 1.400 Einsatzkräften bei den verschiedenen Versammlungen mit Nahost-Bezug vor Ort, unterstützt durch Einheiten aus fünf Bundesländern.

In den kommenden Tagen sind weitere Kundgebungen geplant. Am Samstag folgt eine bundesweit mobilisierte Demonstration, die am Brandenburger Tor starten soll.

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18 Kommentare

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  • Jede Bewegung hat radikale Ränder. Einseitig die palästinensische Befreiungsbewegung anzuschwärzen offenbart häufig, welche eigene Gesinnung man hegt.

    • @Thomas Müller:

      Einseitig?

      Wo sind denn die ganzen Distanzierungen und Brüche?

      Bei jeder beliebigen linken Partei wird sich mehr ge- und zerstritten als innerhalb der Pro-Pali-Bewegung.

  • Also alles wie erwartet.



    Wer hatte ernsthaft mit etwas anderen gerechnet?



    Aber die Relativierer und Verharmloser scharren wahrscheinlich schon wieder mit den Hufen.

  • Eine bitte, bezeichnet diese Personen nicht als Aktivist:innen, dass zieht alle anderen, nichtgewaltaufrufenden Personen, mit hinunter.

    • @Reinero66:

      Es reicht nicht mehr, "nicht zu Gewalt aufzurufen".



      Eine vollständige und konsequente Distanzierung von diesen Leuten ist erforderlich.

  • "Pali" . Das kann man in einem seriösen Zeitungsartikel ruhig ausschreiben, oder? Egal wie man die Demo findet.

    • @Gast3456:

      Es gibt einen Unterschied zwischen Palästinenser*innen (= Menschen, sollte immer ausgeschrieben werden) und der Pali-Fraktion (= vermeintlich linke Antisemit*innen, die den Kampf um Gerechtigkeit in Israel und Palästina vereinnahmen, indem sie unter dem Deckmantel, "für Palästina" und einen "gerechten Frieden" dort und auf der ganzen Welt zu sein, die konsequente Auslöschung Israels vorantreiben und alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, als "Zionazis" beschimpft).



      Eine Pali-Demo der Pali-Fraktion kann eine seriöse zeitung schon auch so nennen.

  • Die Billigung von Verbrechen, wozu Mord und Vergaltigung und Geiselnahme ohne Zweifel zählen, ist in Deutschland eine Straftat. Daher kann ich das Verbot einer Demo, die letztlich genau diese Billigung (um nicht "Feiern") solcher Straftaten als Kernbotschaft hat, nur begrüßen.

    • @Dr. McSchreck:

      Leider wahr! Man fragt sich, wieviel davon kalkulierter Antisemitismus ist und wieviel Leute, die sich über Jahre von ungefilterter (und idR einseitiger) Gewaltdarstellung, Gefühle von Hilflosigkeit und Revolutionsrhetorik radikalisiert und abgestumpft haben.

      Das Ergebnis ist natürlich beschämend und ist m.E. nicht nur eine bewusste Missachtung der Opfer des 7. Oktober 2023 (und der noch lebenden Geiseln), sondern letztlich auch der palästinensischen Opfer des darauf folgenden Krieges, die da unterschiedslos ko-optiert werden.

      Ich bin am vorletzten Samstag zur großen Demo in Berlin gegangen - mit gewissen Bauchschmerzen (habe nicht alle Reden gehört, aber eine explizitere Verurteilung auch von Hamas und Co hätte ich mir gewünscht), aber der Verzweiflung, dass ich nicht (mehr) glaube, dass die aktuelle israelische Regierung Interesse an einer humanitären Lösung des Krieges hat (und der Überzeugung, dass man von einem demokratischen Staat humanitäre Mindestansprüche erwarten und einfordern kann).

      Diese Aufrufe zum 7. Oktober (gerade!) stehen meinem Anliegen dabei diametral entgegen und in der Tat würde ich mir da auch klare Distanzierungen wünschen

      • @Outis:

        Ihre differenzierte Sicht kann ich nur begrüßen, auch wenn ich nicht ganz Ihrer Meinung bin, allerdings durchaus finde, dass Israel seit einiger Zeit nicht mehr auf eine Art handelt, die ich vertretbar fände.

  • Es ist wirklich eine Schande, dass diese antisemitischen Gruppen immer und immer ihren Hass predigen dürfen. Hoffentlich wird dies mit allen Mitteln unterbunden.

    • @Puky:

      Die Antisemiten sollen sich ruhig laut und offen zeigen. So ist das viel einfacher zu bekämpfen als der in Deutschland sonst verbreitete versteckte Rassismus.

  • Alltägliche Übergriffe, Gewalt, Mordaufrufe und regelmäßige Anschläge gegen Jüdinnen und Juden und die damit einhergehende Verdränung jüdischen Lebens gehören leider wohl zur neuen Realität in Europa/USA. Einfach nur bezeichnend und entlarvend solche Parolen am Jahrestag er barbarischen antisemitischen Massaker der islamofaschistischen Terrorbande zu verbreiten. Gibt aber wohl trotzdem genug Leute, die meinen, diese Entgleisungen und Terrorverherrlichung seien irgendwie legitime Äußerungen von "Kritik"....

    • @Disgusted:

      Und viele Linke so: „Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.“

  • Glory für ein antisemitisches Pogrom und dessen Täter? Ach Leute.

  • „Ihr heldenhafter Ausbruch aus dem Gefängnis überraschte die ganze Welt und erschütterte das zionistische Regime“

    "§ 140 StGB, Belohnung und Billigung von Straftaten

    Wer eine der [...] genannten rechtswidrigen Taten [...]

    [...]

    2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,



    wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

    Was genau hindert die Staatsanwaltschaft Berlin daran, die Verfasser dieses Aufrufs wegen Verdachts auf Verstoß gegen §140 StgB zu verfolgen?

    • @Suryo:

      Wahrscheinlich nichts, anscheinend ist ein Verfahren doch schon eingeleitet (wenn auch kein expliziter Paragraph genannt wird):

      "Wie die Polizei am Dienstagnachmittag auf Anfrage der taz bestätigte, wurde die Versammlung verboten. Auf X schrieb sie, bereits der Aufruf in den sozialen Meiden habe zur „Einleitung eines Strafverfahrens geführt“. "

      • @Outis:

        Zum Zeitpunkt der Abfassung meines Kommentars war die Demo noch nicht verboten.

        Ich hoffe, diese Leute werden nun auch wirklich vor Gericht gestellt und dass dann die Taz vom Prozess berichtet.