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Neue DB-ChefinJetzt aber allerhöchste Eisenbahnerin

Evelyn Palla wird die erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn sein. Als vorherige DB-Regio-Chefin muss sie den Mutterkonzern aus der Krise führen.

Ist am Zug: Evelyn Palla wird neue DB-Chefin Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Ein schöneres Geburtstagsgeschenk könnte Evelyn Palla kaum erwarten. Wenn die gebürtige Südtirolerin am Mittwoch 52 wird, kennt die Öffentlichkeit sie bereits als neue Bahnchefin. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wird dies am Montag verkünden – zusammen mit den Eckpunkten des Konzepts der Bundesregierung für die Zukunft der Bahn (siehe unten). Medienberichte von Bild und Spiegel über die Personalie wurden am Wochenende von mit der Sache Vertrauten bestätigt. Die endgültige Entscheidung liegt beim Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, der einen Tag später tagt.

Die Entscheidung für eine interne Nachfolge überrascht viele Insider, wurde doch eher mit einem Manager mit Erfahrung in Großunternehmen gerechnet. Doch Palla galt von Anfang an als mögliche Nachfolgerin des lange erfolglos agierenden Bahnchefs Richard Lutz, der seinen Posten nun endgültig räumen muss. Nach seiner Ablösung hatte Lutz noch kommissarisch als Vorstandsvorsitzender gedient. Jetzt übernimmt erstmals eine Frau die Spitze des Bahnkonzerns.

Palla leitete bisher den Regionalverkehr der Bahn. Sie schaffte es, die Sparte aus den roten Zahlen zu holen. 2023 schrieb der Regionalverkehr noch einen Verlust von 22 Millionen Euro, ein Jahr später stand ein Gewinn von 108 Millionen Euro. Doch damit gab sie sich nicht zufrieden. „Wir wollen noch einen Schnaps oben drauflegen“, sagte sie bei der Präsentation der Zahlen.

Palla hat das Tochterunternehmen DB Regio insgesamt umgekrempelt. Die Verantwortung für die Leistung der einzelnen Verkehrsgesellschaften wurden von der Frankfurter Regio-Zentrale auf die einzelnen Regionen übertragen. Diese müssen seitdem für ausreichend Personal und verfügbare Züge geradestehen. Zudem wurden die Verwaltung abgespeckt. „Wir wollen in eine Leistungskultur kommen“, erläutert Palla. Angesichts des Wettbewerbs um Nahverkehrsaufträge sei dies notwendig.

Palla machte als Chefin Ausbildung zur Lokführerin

Die Regionalverkehrssparte spielt eine zentrale Rolle im Konzern, auch wenn der Fernverkehr oft mehr Aufmerksamkeit erhält. Monatlich fahren im Nahverkehr, einschließlich aller S-Bahnen, 780.000 Züge. Zuletzt sank die Pünktlichkeit im Nahverkehr im Vergleich zu früheren Zeiten, ohne jedoch völlig einzubrechen.

Die Tirolerin gilt als durchsetzungsstark und ehrgeizig. Ihre Karriere zeigt eine beeindruckende Bandbreite: Die studierte Betriebswirtin arbeitete international, etwa in Tokio, und war bei Konzernen wie Infineon und Eon tätig, bevor sie zur Österreichischen Staatsbahn wechselte und dort in den Vorstand aufstieg. Die Österreicher gelten ebenso wie die Schweizerischen Bundesbahnen im Vergleich zu Deutschland als Vorzeigenation, wenn es um den Verkehr auf der Schiene geht. Seit 2019 ist Palla bei der Deutschen Bahn – zunächst als Finanzverantwortliche für den Fernverkehr, seit 2022 als Vorständin des Regionalverkehrs.

Die dreifache Mutter hat sich im Konzern Respekt erarbeitet, aber auch Kritik eingehandelt. Anlass war ihre Entscheidung, neben ihrer Vorstands­tätigkeit eine Ausbildung zur Lokführerin zu machen, um zu sehen, wie die Leute arbeiten, erklärte sie. Das ließ manchen Vorstandskollegen im Konzern, aber auch manchen Gewerkschafter grollen.

Bei der Bahn stehen noch weitere Personalwechsel an, von denen wohl am Montag zu hören sein wird. Der Konzern, tief in der Krise, braucht eine Neuausrichtung – so sieht es die Bundesregierung. Die Liste der Probleme ist lang und bekannt. Die Züge fahren nicht zuverlässig, das Schienennetz ist marode und die wirtschaftlichen Zahlen fallen miserabel aus.

Palla wird sich vor allem bisher unbekannten Herausforderungen stellen müssen. Als Bahnchefin steht sie stets im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Politiker, Medien und Bürger beobachten die Entwicklung der Bahn genau – selbst jene, die gar nicht mit ihr fahren. Ein wohl zutreffender Vergleich stellt den Posten dem des Fußball-Bundestrainers gegenüber: Davon gibt es in Deutschland ja auch 84 Millionen.

Mit Spannung erwartet die Öffentlichkeit nun die weiteren Veränderungen bei der Bahn. Der Verkehrsminister will sie am Montag vorstellen. Es werden Worte fallen wie mehr „Qualität“ und „Kundenzufriedenheit“. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass die Probleme im Bahnverkehr nicht über Nacht zu beseitigen sind. Die neue Bahnchefin steht vor einem Scherbenhaufen, die sie nun erst einmal zusammenkehren muss. (mit dpa)

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