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US-Atompläne auf dem MondWer zuerst kommt, strahlt zuerst

Enno Schöningh
Kommentar von Enno Schöningh

Die USA prahlen damit, einen Atomreaktor auf den Mond setzen zu wollen. Doch statt um Wissenschaft oder Energiegewinnung geht es dabei um Geopolitik.

Die US-Welt­raum­agentur Nasa plant den Bau eines Atomreaktors auf der Mondoberfläche Foto: Firefly Aerospace/Cover Images/picture alliance

E s ist der nächste Nadelstich im zweiten Wettrennen um das Weltall, nichts weiter: Die US-Welt­raum­agentur Nasa plant einem Medienbericht zufolge den Bau eines Atomreaktors auf der Mondoberfläche. Die Raumfahrtbehörde soll innerhalb von 60 Tagen konkrete Vorschläge aus der Industrie für einen 100-Kilowatt-Reaktor einholen, der bis 2030 in Betrieb gehen soll. Ein solches Kraftwerk soll die benötigte stabile Stromversorgung für künftige Mondmissionen bereitstellen, wenn dort während der rund zweiwöchigen Dunkelphase zwischen Untergang und Aufgang der Sonne keine Solarenergie gewonnen werden kann.

Beim Wettrennen um die Nutzung des Mondes ist diesmal der Mond nicht Ziellinie, sondern Startpunkt – und China ersetzt die Sowjetunion als kosmischen Antagonisten der USA. Die Weltraummächte betrachten den Mond als geostrategische Basis, um von dort tiefer ins Weltall vorzudringen und mehr Kontrolle über das erdnahe Weltall zu haben. Die USA arbeiten bereits seit einem Jahrzehnt aktiv daran, internationales Weltraumrecht umzudeuten. Aktuell schaffen sie mit dem Artemis-Abkommen einen rechtlichen Rahmen, der sogenannte Sicherheitszonen auf dem Mond erlauben soll, die das Einmischen anderer Staaten in die eigenen Angelegenheiten verhindern sollen. Auf Wunsch der USA vom Abkommen ausgeschlossen: China. Kein Unterzeichnerstaat dürfe in Sachen Mond mit China kooperieren.

Da soll dann also eine amerikanische Mondbasis stehen, mit Solaranlagen und einem Kraftwerk befeuert, und die Chinesen dürfen nicht schmulen. Die Chinesen ihrerseits planen eine gemeinsame Mondbasis mit Russland, wobei Russland eher die Rolle des Trittbrettfahrers zukommen dürfte.

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All das untergräbt den Grundsatz der 1960er Jahre, das Weltall für alle offen zu halten. Schon damals steckte dahinter viel Rhetorik, doch die Astropolitik des 21. Jahrhunderts lautet im Grunde: „Wer zuerst kommt, reißt sich alles unter den Nagel.“ Die USA haben dieses Prinzip bestens verstanden – und gehen auf dem Mond keine kleinen Schritte für die Menschheit, sondern große Schritte für sich selbst.

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Enno Schöningh
Redakteur Wissen
Redakteur Wissen bei der wochentaz, davor Redakteur im taz-Klimahub. Schreibt über den Weltraum, Wissenschaft und Klima. Studierte Internationale Beziehungen in Kleve und Buenos Aires und "Anthropocene Studies" in Cambridge. Mit dem Ressort Zukunft als Team des Jahres 2025 vom Medium Magazin (Top 30 bis 30) ausgezeichnet. Bild: Kim Görtz
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