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Wer darf da hoch? Diese Langzeitbelichtung aus Kanada zeigt unter anderem Starlink-Satelliten Foto: Alan Dyer/imago

WeltraumpolitikWem gehört das All?

Wir können den Weltraum nicht militärischen Großmächten und durchgeknallten Milliardären überlassen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.

Z ehn Trillionen. 10.000.000.000.000.000.000 US-Dollar. Das ist 89.823-mal so viel wie die gesamte Welt im Jahr 2024 erwirtschaftet hat. Gäbe es irgendwo auf der Erde eine Grube mit Gold in diesem Wert, die Menschheit hätte sich im Kampf darum längst die Köpfe eingeschlagen. Gut also, dass es so etwas auf der Welt nicht gibt. Aber etwa 26 Lichtminuten von der Erde entfernt, in dem riesigen galaktischen Raum zwischen Mars und Jupiter, kreist der Asteroid Psyche.

Psyche ist ein sogenannter Protoplanet. Er besteht möglicherweise aus reinem Metall. Und ist nach Schätzungen der Planetenwissenschaftlerin Lindy Elkins-Tanton genau so wertvoll: 10.000.000.000.000.000.000 US-Dollar.

Das ist natürlich nur eine in den Raum geworfene Zahl. Sie lässt sich unmöglich überprüfen. Trotzdem plant die Nasa eine Mission zu Psyche: Am 13. Oktober 2023 ist eine Sonde von der Erde aus gestartet, sie soll den Asteroiden im Sommer 2029 auskundschaften. Etwa zwei Jahre lang wird sie den Asteroiden umkreisen, um Fotos zu machen und Strahlungen zu messen. Denn der Traum vom Space Mining ist sehr real.

Schon heute verändern Staaten internationales Recht, um Weltraumbergbau zu ermöglichen, während sich Unternehmen auf den Goldrausch im All vorbereiten. Und das ist nur einer von mehreren Gründen, warum die Menschheit sich erneut in einem Wettlauf ums All befindet.

Anders als bei Neil Arm­strongs Mondspaziergang, der ein Projekt für nationales Prestige war, geht es bei diesem Rennen um etwas Wichtigeres: die Zukunft unseres Planeten. Denn die wird mehr und mehr im Weltraum entschieden. Während bei Armstrong Millionen gebannt auf ihre Schwarz-Weiß-Fernseher starrten, gibt es heute über 260 Raketenstarts pro Jahr. Sie interessieren fast niemanden mehr. Und das ist gefährlich.

Wir können den Weltraum nicht militärischen Großmächten und durchgeknallten Mil­li­ar­dären überlassen, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Es geht darum, wer noch an knappe Ressourcen wie Seltene Erden kommt, wenn die Vorräte auf unserem Planeten zur Neige gehen. Es geht darum, wer durch die größte Satellitenflotte Kriege entscheiden kann. Und es geht darum, ob wir den Weltraum weiter in Rekordgeschwindigkeit vermüllen und unser Planet sich bald in einer Hülle aus kollidierendem Schrott dreht.

Wer den Weltraum kontrolliert, sichert sich den Zugang zu seinen Schätzen

Smartphones, Computer und Batterien für Elektroautos funktionieren nicht ohne Metalle. Um an sie zu kommen, greifen wir Menschen mit Maschinen und Sprengstoff in geologische Strukturen ein und hinterlassen Wunden in der Landschaft. Der irdische Rohstoffhunger geht so weit, dass Unternehmen den Tiefseebergbau vorantreiben, um an wertvolle Metalle wie Nickel, Kupfer und Kobalt zu kommen.

Auch die Bergbauindustrie an Land zerstört ganze Gegenden durch den Einsatz giftiger Chemikalien. Minenarbeiter im Globalen Süden, wo die meisten Abbaustätten liegen, gehören zu den Berufsgruppen mit der kürzesten Lebenserwartung. Und die Nachfrage nach Metallen und Seltenen Erden steigt Jahr für Jahr weiter.

Wäre es da nicht eine smarte Lösung, den Bergbau ins All zu verlagern? Gold, Platin, Kobalt, Palladium und Eisen und Nickel – all das gibt es auch auf Asteroiden. Bessere Luft, gesündere Böden und weniger Ausbeutung auf der Erde, während hochbezahlte Ex­per­t:in­nen mit Präzisionsmaschinen alles, was wir brauchen, aus dem All holen. So oder ähnlich präsentiert die Industrie den Weltraumbergbau. Etwa die Firma Evona, die sich selbst als „Nummer 1 unter den Personalvermittlern für die Weltraumindustrie“ bezeichnet.

Heute übersteigen die Kosten von Raumfahrt den Gewinn durch die neuen Rohstoffe noch bei Weitem. So hat etwa die Rückführung von 121,6 Gramm Material des erdnahen Asteroiden Bennu im Jahr 2023 die Nasa mehr als 1 Milliarde US-Dollar gekostet. Aber die Industrie arbeitet daran, die Kosten zu senken.

Ein wichtiger Schritt war etwa die Einführung von wiederverwendbaren Raketen wie der „Falcon 9“ von Elon Musks Firma SpaceX. Private Akteure wie SpaceX haben große Budgets, um Trial-and-Error-Ansätze auszuprobieren. So treiben sie Innovationen viel schneller voran als die behäbigen Weltraumbehörden.

Völlig losgelöst, von der Erde: Eine SpaceX Rakete macht sich auf den Weg, Starlink-Satelliten in den Weltraum zu bringen Foto: Jo Marino/imago

Einen theoretischen Fahrplan für den Weltraumbergbau gibt es schon. Erdnahe Asteroiden sollen in ihrer Drehung gestoppt werden, um sie dann im richtigen Moment mit einem Impuls auf eine Umlaufbahn des Mondes zu bringen. Dort besucht eine Sonde den Asteroiden. Sie ist mit einem großen Spiegel ausgestattet, der das Sonnenlicht bündelt und den Asteroiden aufheizt.

Dadurch werden die Gase im Gestein aufgekocht. Anschließend zerkleinert eine Schleifmaschine den Fels zu Kies und Staub. Mit Zentrifugen werden leichte und schwere Elemente getrennt. Die Rohstoffe werden in wiederverwendbare Raketen geladen oder in hitzegeschützte Kapseln verstaut, die in den Ozean fallen und eingesammelt werden.

Aber den Techträumereien entgegen wird der Weltraumbergbau nicht zu einer grüneren und gerechteren Welt führen. Die Länder, die kein bedeutendes Weltraumprogramm haben, werden wirtschaftlich weiter abgehängt, während einige reiche Staaten oder reiche Privatpersonen so an Ressourcen kommen.

So verstärkt sich der sogenannte Space Gap. Der Begriff beschreibt das sozioökonomische Ungleichgewicht zwischen Ländern, die ein Weltraumprogramm haben und allen anderen. Zwar unterhalten mehr als 80 Länder ein Raumfahrtprogramm, doch nur etwas mehr als eine Handvoll haben ernstzunehmende Ambitionen: USA, China, Russland, Japan, Indien, die europäische Weltraumorganisation ESA und ein paar ihrer Mitgliedsländer. Es sind vor allem die USA, die derzeit die besten Chancen haben, sich die Schürf- und Eigentumsrechte zu sichern.

Denn sie arbeiten bereits seit einem Jahrzehnt aktiv daran, internationales Weltraumrecht umzudeuten, um ihren Zugang zu Ressourcen rechtlich abzusichern. Das ist gar nicht so einfach, denn eigentlich besagt der Weltraumvertrag von 1967, dass keine Nation sich Himmelskörper aneignen darf. Sprich: Die amerikanische Flagge auf dem Mond war nette Propaganda, ist aber rechtlich bedeutungslos.

Doch die USA nutzen eine der rechtlichen Grauzonen, um ihre weltraumpolitische Agenda voranzutreiben: Die Frage, ob Asteroiden als Himmelskörper gelten, ist nicht abschließend geklärt. Planeten und Monde, klar, aber wie sieht es mit den Brocken dazwischen aus?

wochentaz

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Seit 2015 erlauben die USA in ihrer nationalen Gesetzgebung vorsorglich den Privatbesitz im All. Einer der wenigen Versuche der letzten Jahre, den Bereich in internationalen Verträgen zu regeln, ist das Artemis-Abkommen. Das besteht aus einer Reihe von rechtlich nicht bindenden Vereinbarungen zwischen Staaten für den Umgang mit Ressourcen im All. Unter Führung der USA ließen die Unterzeichner darin festschreiben, dass die Förderung von Weltraumressourcen keine nationale Aneignung gemäß des Weltraumvertrages darstellt.

In dem Abkommen ist auch von sogenannten Sicherheitszonen die Rede, die das Einmischen anderer Staaten in die eigenen Angelegenheiten verhindern sollen. Mutmaßlich geschieht dies vor dem Hintergrund der Mondbesiedlung.

Die USA und einige europäische Länder möchten mit dem Artemis-Programm eine Mondbasis errichten und haben festgelegt, dass man innerhalb des Programms nicht mit China kooperieren dürfe. China und Russland wollen eine eigene Mondbasis errichten.

Mehrere Staaten kritisieren in einem Bericht an die UN-Generalversammlung das weltraumpolitische Konkurrenzdenken. In dem Bericht heißt es: „Der Weltraum wird als neue Grenze des Wettbewerbs zwischen den großen Militärmächten angesehen.“ Konflikte auf der Erde setzen sich also potenziell im Weltraum fort. Und auch wer auf der Erde siegt oder verliert, wird zum Teil im Weltraum mitbestimmt.

Wer den Weltraum kontrolliert, verfügt über Wissen, das Kriege entscheiden kann

Es ist der 26. Februar 2022, zwei Tage nachdem russische Truppen die Grenze zur Ukraine überquert haben und in der Hauptstadt Kyjiw wüten. Der ukrainische Digitalminister twittert eine Bitte an Elon Musk: „Während Sie versuchen, den Mars zu kolonisieren, versucht Russland, die Ukraine zu besetzen! […] Wir bitten Sie, der Ukraine Starlink-Stationen zur Verfügung zu stellen.“

Starlink-Stationen, das sind Satellitenschüsseln, Kabel und Router, die man braucht, um sich über Musks Starlink-Programm mit satellitenbasiertem Internet zu verbinden. Die Ukraine hatte bereits in den Wochen zuvor über den Zugang zu Starlink verhandelt. Kurz nach dem Tweet des ukrainischen Ministers antwortete Musk: „Starlink-Service ist jetzt in der Ukraine aktiv. Mehr Terminals unterwegs.“

Zwischen Februar und Dezember 2022 sendet Starlink Hardware für mehr als 22.000 Stationen in die Ukraine. Satellitenbasiertes Internet wird sehr schnell sehr entscheidend für das ukrainische Militär und die Bevölkerung. Das Militär nutzt es, um Waffensysteme zu analysieren, Truppenbewegungen zu verfolgen und Drohnenangriffe zu planen. Die Bevölkerung hat dank der Terminals weiterhin Internetzugang und in den besetzten Gebieten die Möglichkeit, sich auch außerhalb von russischer Kriegspropaganda zu informieren.

Für SpaceX ist der Krieg die perfekte Gelegenheit, um die Fähigkeiten seines Satellitennetzwerks auf internationaler Ebene unter Beweis zu stellen. Die ganze Welt – also potenzielle private und öffentliche Kunden – sieht, wie zuverlässig und sicher Starlink arbeitet.

Viele Satelliten heißt viel Macht. Im Falle von satellitenbasiertem Internet kann das beste Angebot liefern, wer die größte und verlässlichste Flotte hat. Momentan ist Starlink der Konkurrenz meilenweit voraus. Je mehr Staaten, Unternehmen und Privatpersonen die Dienste von Starlink nutzen, desto mehr Einfluss kann Musk auf die politischen Entscheidungen an den jeweiligen Orten ausüben.

Dass er das tut, zeigt eine zweite Episode aus dem Ukrainekrieg. Das ukrainische Militär steckt im Herbst 2022 mitten in einer Gegenoffensive, als Starlink in den russisch besetzten Gebieten immer öfter ausfällt. Selenskyj beschwert sich bei Musk und wirft ihm vor, er habe einen digitalen Zaun entlang der russisch-ukrainischen Front gebaut. Bis zur Front funktionierten die Terminals einwandfrei, dann plötzlich nicht mehr.

Zur gleichen Zeit ändert Elon Musk seine politische Strategie. Er entwirft einen Friedensplan, der Russland die Krim zuspricht und ein UN-kontrolliertes Referendum über die eigene Zukunft in den von Russland besetzten Gebieten vorsieht. Sein Plan entspricht in weiten Teilen russischen Forderungen. Und das, während Hunderttausende Menschen in der Ukraine von ihm und seinen Starlink-Satelliten abhängig sind. Elon Musk erscheint als Herr über Krieg und Frieden.

Je mehr Staaten, Unternehmen und Privatpersonen die Dienste von Starlink nutzen, desto mehr Einfluss kann Musk auf die politischen Entscheidungen an den jeweiligen Orten ausüben

Auch unter dem Eindruck von Musks Wankelmut startete die EU ein eigenes Programm für satellitenbasiertes Internet: IRIS². Anvisierter Start: 2027. Langfristige Finanzierung: unsicher. Geplante Flottengröße: unter 300.

Zum Vergleich: Fast 8.000 aktive Starlink-Satelliten befinden sich im Juni 2025 auf den niedrigen Erdumlaufbahnen. Eine Flotte von mehr als 40.000 Satelliten ist in Planung.

China, als Weltraummacht relativ neu dabei, schoss die ersten Satelliten für satellitenbasiertes Internet 2024 ins All. Amazon brachte seine ersten 54 Satelliten an den Start. Das Angebot OneWeb der Firma Eutelsat hat 648 Satelliten.

Es wird voll im All, besonders auf den niedrigen Erdumlaufbahnen. Und auf den besten dieser Umlaufbahnen hat Musk sich bereits viel Platz gesichert. Denn nicht alle Punkte im Weltall sind gleich wertvoll: Je näher der Satellit an der Erde ist, desto schneller kommt das Signal an und desto besser funktioniert das Internet.

US-Air-Force-Stratege Everett Dolman schrieb in einem Klassiker über Geopolitik im Weltraum: „Wer die niedrigen Umlaufbahnen beherrscht, kontrolliert den erdnahen Raum; wer den erdnahen Raum beherrscht, kontrolliert die Erde. Wer die Erde beherrscht, bestimmt das Schicksal der Menschheit.“

Wer den Weltraum kontrolliert, ist verantwortlich dafür, wie sehr er zur Müllhalde wird

Das Weltall – unendliche Weiten? Nicht wirklich, wenn man genauer hinschaut. Denn der für uns Menschen nutzbare Raum des Weltalls ist überschaubar und wir sind auf einem guten Weg dahin, ihn vollzumüllen, so wie wir es bereits mit Meeren und Flüssen auf der Erde getan haben. Was als leerer, gleichförmiger Raum zwischen den Himmelskörpern erscheint, müssen wir uns eher als abwechslungsreiche Landschaft vorstellen, durch die wir Menschen ein dichtes Verkehrsnetz gezogen haben.

Je nach Strahlung und Anziehung entstehen Bahnen, in denen Raketen mehr oder weniger Energie brauchen oder die Gravitation nutzen können, um an weiter entfernte Orte zu kommen. An fünf Punkten im All hebt sich die Anziehungskraft von Erde und Mond exakt auf, sodass Objekte dort bleiben, ohne dass sie Treibstoff brauchen. Um solche Punkte könnte es Streit geben.

Genauso wie um die Autobahn, den sogenannten geosynchronen Orbit, kurz GEO, in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern. Die Objekte dort drehen sich in derselben Zeit einmal um die Erde, wie die Erde um sich selbst. Deshalb erscheinen Objekte dort vom Erdboden als würden sie sich nicht bewegen, was beispielsweise praktisch für die Ausrichtung von Satellitenantennen ist und die Umlaufbahn sehr beliebt macht.

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Wer von der Autobahn abfährt, kommt auf einen Parkplatz: Etwa 300 Kilometer von GEO entfernt verbringen ausrangierte Satelliten ihren Lebensabend. Mit letzter Kraft steuerten die Betreiber sie auf den kosmischen Parkplatz, wo sie dann umherfliegen.

Etwa 800 Kilometer über der Erde schwebt ein 25 Meter großer und acht Tonnen schwerer Koloss umher. Der Umweltsatellit Envisat der europäischen Weltraumbehörde ESA taumelt wie ein Betrunkener durchs All. Er funktioniert nicht und er ist seit 2012 nicht mehr erreichbar. Auf seiner Höhe kann es 150 oder mehr Jahre dauern, bis ein Objekt in der Erdatmosphäre verglüht.

Satelliten wie Envisat gibt es viele. Die Zahl der inaktiven Satelliten übersteigt die Zahl der aktiven dabei bei Weitem. Sie nutzen sich ab und gehen irgendwann kaputt, genau wie Waschmaschinen oder Staubsauger.

Laut den Empfehlungen des Inter-Agency Space Debris Coordination Committee sollen sie zwar nach spätestens 25 Jahren entsorgt sein, also in die Atmosphäre eintreten und verglühen oder auf die Friedhofslaufbahn gebracht werden. Doch: Laut dem Weltraumumweltbericht 2025 der ESA steigen auf die niedrigen Erdumlaufbahnen mehr Satelliten auf, als entsorgt werden.

Hinzu kommt der ganze andere Schrott. Ausgebrannte Raketenstufen, verlorene Werkzeuge, Farbpartikel oder kleine Metallteile. Laut der letzten Schätzung der ESA werden im Jahr 2025 mehr als 1,2 Millionen Trümmerteile, die kleiner als ein Zentimeter sind, um unsere Erde kreisen. Aufgrund ihrer geringen Größe können sie von Radaranlagen und Teleskopen nicht erfasst werden. Doch nicht genug. Die ESA beziffert die Anzahl der großen Schrottteile, also jener Teile, die größer als 10 Zentimeter sind, auf über 40.000.

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Die Teile fliegen schneller als Pistolenkugeln. Wenn zwei Schrottteile kollidieren, entstehen Tausende neuer kleiner Schrottteilchen. Tatsächlich sind zwei große Kollisionen in den Jahren 2007 und 2009 für einen großen Teil des katalogisierten Weltraumschrotts verantwortlich.

Bei der ersten brachte China eine Rakete auf dieselbe Umlaufbahn wie ihren Wettersatelliten und ließ die beiden absichtlich kollidieren, um den Fortschritt der eigenen Raketentechnologie zu testen. Dabei entstand ein riesiges Trümmerfeld. Am Ende des gleichen Jahres schwebten 2.000 größere Objekte mehr im All.

Was daraus folgt, hat der amerikanische Astronom Donald Kessler zum ersten Mal beschrieben: Je mehr Schrottteile es gibt, desto häufiger kommt es zu zufälligen Kollisionen, aus denen wiederum neue Schrottteile entstehen, die wiederum mit erhöhter Wahrscheinlichkeit miteinander kollidieren. Eine kosmische Kettenreaktion.

Wenn das so weitergeht wie bisher, bedeutet es nicht nur die gestörte Kommunikation wichtiger Satellitentechnik, sondern auch, dass es irgendwann eine undurchdringbare Müllhalde auf einigen Erdumlaufbahnen geben könnte. Wie ein gigantischer Teppich aus Schrott, in den wir uns einwickeln. Dabei ist es eigentlich auch im Interesse der Betreiber, dass ihre Satelliten nicht ausfallen.

Das gibt Hoffnung, dass es in diesem Fall doch langfristig anders läuft als bei den ersten Astronauten. Denn dass wir gern Müll im All lassen, hat sich schon mit der Mondlandung angekündigt. Die Apollo-Astronauten haben damals nicht nur Fußspuren auf dem Mond hinterlassen, sondern auch 96 Säcke Abfall. Bisher hat sie niemand wieder eingesammelt.

Buzz Aldrin und Co. hinterließen bei den Apollo-Missionen der 60er und 70er Jahre auf dem Mond neben Fußspuren auch 96 Säcke Müll Foto: piemags/imago

Wer kontrolliert die, die den Weltraum kontrollieren?

Lange Zeit galt der Weltraum als Musterbeispiel internationaler Kooperation. Auf der ISS leben As­tro­nau­t:in­nen rivalisierender Länder in einer WG zusammen, der amerikanische Politiker und ehemalige Astronaut Bill Nelson glaubte sogar, dass der Weltraum es uns ermöglicht, ein „planetarisches Bewusstsein“ zu entwickeln – immerhin sieht man von der Internationalen Raumstation oder vom Mond die Erde als Ganzes. Er schlug vor, große internationale Konferenzen von dort oben abzuhalten. Das würde sich positiv auf die Verhandlungen auswirken.

Tatsächlich gibt es viele Ideen für bessere Weltraumpolitik und Ansätze, wie zum Beispiel das Müllproblem gelöst werden könnte. So behaupten die Wirtschaftswissenschaften, dass es mehr Anreize für Unternehmen bräuchte, in die Trümmerbeseitigung zu investieren.

Ju­ris­t:in­nen meinen, es bräuchte eine Neuinterpretation der großen Weltraumverträge, oder gar neue Verträge, um rechtlich bindende und durchsetzbare Trümmerbeseitigungsziele zu schaffen. Fans technischer Lösungsansätze wollen Technologien zur aktiven Trümmerbeseitigung und Weltraumüberwachungssysteme verbessern. Und die Po­li­tik­wis­sen­schaft­le­r:in­nen schlagen vor, neue Institutionen zu schaffen.

Antje Nötzold ist Mitherausgeberin des ersten deutschsprachigen Sammelbands zur Weltraumpolitik seit mehr als 40 Jahren. Die Internationale Fernmeldeunion, kurz ITU, wäre ihrer Meinung nach ein guter Startpunkt, um zukünftigen Zugang zum Weltraum zu regeln. Bei der ITU beantragen Mitgliedstaaten die Funkfrequenzbänder, die für die Satellitenkommunikation zugewiesen sind. Das heißt: Ohne Zulassung keine neuen Satelliten im All. Die ITU arbeitet dabei nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Auch wenn die Zukunft der Erde mehr und mehr im Weltraum entschieden wird, entscheidet sich die Zukunft des Weltraums immer noch auf der Erde

Der Zugang zum Weltraum steht prinzipiell jedoch allen offen. „Sollte also nicht darüber nachgedacht werden, die Frequenzen zahlenmäßig einzuschränken?“, fragt Nötzold. „Oder die Anteile unter allen Staaten aufzuteilen?“ Ähnlich wie früher etwa bei Radio oder Fernsehfrequenzen könnte man die Vergabe als Steuerungsin­strument nutzen. Damit weniger Satelliten aufsteigen oder Monopole geschwächt werden.

Es klingt nach nicht viel, nach einem kleinen Schritt für die Menschheit. Aber auch wenn die Zukunft der Erde mehr und mehr im Weltraum entschieden wird, entscheidet sich die Zukunft des Weltraums immer noch auf der Erde. Wem gehört das All? Im Moment noch niemandem und damit allen.

Darin steckt auch ein Ansatz, das Weltall zu betrachten. Den Begriff Global Commons benutzen Po­li­tik­wis­sen­schaft­le­r*in­nen für Ressourcen, zu denen alle Staaten gleichermaßen Zugang haben. Globale Allgemeingüter – so wie die Hohe See oder die Atmosphäre. Dinge, um die sich alle gemeinsam kümmern müssen. Bisher sind diese Allgemeingüter alle auf der Erde. Aber eigentlich müsste auch der erdnahe Weltraum dazu zählen.

Eine der wenigen Erfolgsgeschichten für den Umgang mit Global Commons ist der Kampf gegen das Ozonloch. Ozon bildet für die Lebewesen auf der Erde einen wichtigen Schutz, doch besonders Kühlmittel, FCKW, schädigten die Schicht mehr und mehr. Mit dem Montreal-Protokoll von 1987 einigten sich 189 Staaten auf Regeln, um die Ozonschicht zu retten, etwa einen schrittweisen Verzicht auf schädliche Chemikalien.

Wie man überhaupt das Ozonloch beweisen und handeln konnte? Die entscheidenden Informationen kamen natürlich per Satellit. Aus dem Weltall.

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1 Kommentar

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  • Ist es nicht überheblich, diese Frage überhaupt zu stellen.



    Der Mensch ist ein Nichts auf der Zeitachse der Erde.



    Die Erde ist ein Nichts im Weltall. Auf der Zeitachse wie auf der Raumachse