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Israelhass beim Glastonbury-FestivalFast wie im Mittelalter

Beim größten britischen Musikfestival in Glastonbury wurde am Wochenende Israelhass gefrönt – live zu sehen bei der BBC-Übertragung im TV.

Auftritt von Bob Vylan beim Glastonbury-Festival am Wochenende Foto: Ben Birchall/dpa

LONDON taz | Eigentlich sollten Kontroversen vermieden werden, zugunsten von Friede, Freude und Eierkuchen. Doch am Ende kam es trotz aller Beteuerungen der Veranstalter beim Mammutevent im britischen Glastonbury zu Entgleisungen, live von BBC ins ganze Land gesendet. Nahe der kleinen Ortschaft in Somerset fand am Wochenende vor rund 200.000 Fans das alljährliche Open-Air-Musikfestival statt. 143 Acts waren dafür aufgeboten.

Stein des Anstoßes ist das Konzert des Punk-Grime-Duos Bob Vylan. Am Samstag skandierte es von der Bühne „Tod den IDF“ – Tod den israe­lischen Streitkräften. Das führte zu polizeilichen Ermittlungen. Organisatoren, BBC, ja sogar Labour-Premier­minister Keir Starmer haben die grenzüberschreitende Aussage verurteilt.

Der Sänger von Bob Vylan, bürgerlich Pascal Robinson-Foster, hatte beim Konzert die Menge zunächst mit „Free Free …“ angeheizt, was sie mit „Palestine!“ beantwortete. „Kennt ihr den hier?“, fuhr er fort: Und skandierte „Death Death to the IDF“, enthusiastisch von der Menge wiederholt.

Die alte Vernichtungsfantasie

Mit dem Slogan „From the River to the Sea, Palestine must be free“, der als Aufruf zur Vernichtung Israels verstanden wird, beendete Robinson-Foster schließlich die Szene. An anderer Stelle ließ er wissen, dass er einst „für einen verdammten Zionisten“ gearbeitet habe.

Noch am Abend wollte Kulturministerin Lisa Nandy von BBC-Intendant Tim Davie wissen, wie es dazu kam, dass dies live im Fernsehen übertragen wurde, eine Frage, der sich Premierminister Keir Starmer am Sonntag anschloss. Für Hassbotschaften gebe es keine Entschuldigung. Die BBC bestätigte, dass die Aussagen anstößig gewesen seien, weswegen ein Warnhinweis eingeblendet worden sei.

Inzwischen ist das Bob-Vylan-Konzert aus der Mediathek verschwunden. Die Veranstalter erklärten pflichtschuldig, in Glastonbury sei kein Platz für Antisemitismus oder für Aufrufe zur Gewalt. Zahlreiche jüdische Ver­tre­te­r:in­nen und die israelische Botschaft verurteilten die Aktion scharf.

Via Social Media werden derweil weitere Hassansagen von anderen Bands zum Thema bekannt. Gesundheitsminister Wes Streeting, der sich als erster Regierungsvertreter zu den Vorfällen äußerte, gab an, dass es bizarr sei, dass so etwas auf einem Musikfestival passiert, wenn man bedenkt, dass Israelis am 7. Oktober auf einem Musikfestival massakriert und vergewaltigt wurden, einige verbleiben bis heute als Geiseln der Hamas. Er räumte jedoch ein, dass auch Israel seine Gewalt gegen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen eindämmen müsse.

Eigentlich hatte man mit Ärger beim Konzert der irischen Krawallbrüder Kneecap gerechnet. Rapper Mo Chara, alias Liam Óg Ó hAnnaidh, hatte bei einem Gig in London im vergangenen November eine Hisbollah-Fahne geschwenkt und „Hoch auf Hamas und Hisbollah“ gerufen, was in England unter Terrorverherrlichung fällt.

Die BBC entschied vorsichtshalber, den Kneecap-Auftritt nicht live auszustrahlen. Mit Kufija bekleidet, beließ es Rapper Moglai Bap, alias Noise O Caireallain, am Samstag beim schlichten „F**k Keir Starmer.“ So weit, so hohl.

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6 Kommentare

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  • BBC erklärt: Aufnahmen vom Festival enthielten „völlig inakzeptable“ antisemitische Äußerungen.

    „Die BBC respektiert die Meinungsfreiheit, lehnt aber Aufrufe zur Gewalt entschieden ab. Die von Bob Vylan geäußerten antisemitischen Äußerungen waren völlig inakzeptabel und haben in unseren Radiosendern nichts zu suchen. Wir begrüßen die Verurteilung des Auftritts durch Glastonbury.

    Dazu eine Stellungnahme des guradian zu ihrer eigenen Berichterstattung:

    Es ist wichtiger denn je, die Geschehnisse im Nahen Osten zu verstehen.

    Es ist die Aufgabe des Guardian, diese zu entschlüsseln. Da Reporter rund um die Uhr Live-Updates liefern, sind wir bestens aufgestellt, um umfassende, faktengeprüfte Berichterstattung zu liefern.

    ===

    Das so etwas in UK passiert war abzusehen. Selbst beim Lesen des Guardian laufen einem häufig kalte Schauer über den Rücken



    wegen der einseitigen propalästinenschen Berichterstattung -- als wenn es den 7. Oktober und die hunderten von Terroranschlägen gegen Israel nie gegeben hätte.

  • Die IDF verübt gerade in Gaza einen Völkermord. Da ist es nicht überraschend, dass es zu solchen Aktionen kommt. In Deutschland wäre sowas definitiv von der Kunstfreiheit gedeckt, wie es in UK rechtlich aussieht, weiß ich nicht.



    Dass sich dieser Konflikt auch hier, in Europa, so aufgeladen hat, dass hier vor allem unschuldige Jüdinnen und Juden am meisten drunter leiden, haben unsere Regierungen mitzuverantworten.



    Indem man den Völkermord in Gaza politisch und mit Waffenlieferungen unterstützt, während man hier äußerst repressiv gegen jeglichen Protest gegen die israelische Kriegsführung vorging, hat zu dieser Eskalation auf der Straße und in sozialen Medien enorm beigetragen. Damit hat man unseren jüdischen Mitmenschen einen wahren Bärendienst erwiesen.



    Denn die dürfen jetzt ausbaden, was zumeist rechte Politiker verbockt haben.

  • Man kann sich umgekehrt auch fragen, was es über Europa aussagt, wenn man sich über Parolen gegen eine Truppe empört, die in den letzten zwei Jahren so ziemlich jedes denkbare Kriegsverbrechen begangen hat. Moral ist offenkundig das, was wir von anderen verlangen...

  • Tja wenn man Antisemiten/ Isrealhasser /Judenhasser eine Bühne gibt.



    Auf dem Linken Auge blind



    falsche Toleranz



    Dann diese ekelhafte Hamas Hisbollah huthi-miliz Mullah Regime Anhänger/ Islamisten Sympathisanten.



    Kann man jetzt Linke Gruppierungen also jetzt auch Faschos nennen?



    Frag für Freund^^ de.m.wikipedia.org/wiki/Islamfaschismus

  • Bekommen wir bitte ab jetzt auch immer einen Artikel darüber, wenn ein israelischer Politiker oder Popstar offen und ohne internationalen Aufschrei die Kollektivbestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung gutheißt und unterstützt oder fordert dass man noch schlimmere Kriegsverbrechen begeht? Gibt da gab he Listen mit Tweets und Interviews, die man sich mal durchlesen kann. Man macht sich als Medium auch mit der Themensetzung mitschuldig.

  • "Mit dem Slogan „From the River to the Sea, Palestine must be free“, der als Aufruf zur Vernichtung Israels verstanden wird".

    Korrektur: "verstanden werden kann".