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Wahl der VerfassungsrichterNotfalls mit der AfD

Weil die Union nicht mit der Linkspartei reden will, wird es bei den Verfassungs­richter­wahlen am Freitag eventuell auf AfD-Stimmen ankommen.

Braucht neue Köpfe: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Foto: Uli Deck/dpa

Der Bundestag wird am Freitag voraussichtlich drei neue Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen wählen. Für alle zeichnet sich die notwendige Mehrheit ab, teilweise mit Stimmen der AfD und der Linken. Die Union hofft derweil, dass eine „gute Anwesenheit“ der Abgeordneten ausreicht.

Die Rich­te­r:in­nen des Bundesverfassungsgerichts werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Zufällig werden diesen Sommer drei Positionen frei, die vom Bundestag zu wählen sind. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit. Die Vorschlagsrechte sind seit einigen Jahren nach der Formel 3:3:1:1 verteilt. Das heißt, dass Union und SPD je drei Rich­te­r:in­nen pro Senat vorschlagen können und Grüne und FDP je ein:e. Im alten Bundestag sicherte die Formel auch die Mehrheit für die Kandidat:innen.

Bei der anstehenden Paket-Wahl schlägt die CDU/CSU Günter Spinner vor, er ist Richter am Bundesarbeitsgericht. Die SPD nominierte die Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold. Sie sollen die ausscheidenden Rich­te­r:in­nen Josef Christ, Doris König und Ulrich Maidowski ersetzen.

Wenn alle Abgeordneten mitstimmen, fehlen sieben Stimmen, die von Linken oder AfD kommen müssten

Die Richterwahl ist diesmal besonders spannend, weil die FDP dem Bundestag nicht mehr angehört und CDU/CSU, SPD und Grüne zusammen nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit haben. Wenn alle Abgeordneten mitstimmen, fehlen sieben Stimmen, die von Linken oder der AfD kommen müssten.

Am Montagabend haben die drei Kan­di­da­t:in­nen die erste Hürde genommen. Der zwölfköpfige Wahlausschuss des Bundestags nominierte sie für die Abstimmung am Freitag. Das aber ist keine Garantie, dass die notwendige Mehrheit auch im Plenum zustande kommt.

Die Linke hat inzwischen bekräftigt, dass sie den von der Union vorgeschlagenen Günter Spinner nur mitwählt, wenn die Union zu einem Gespräch mit der Linken bereit ist. „Die Union weiß, wo sie anrufen kann“, sagte die Abgeordnete Clara Bünger am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Einen solchen Anruf schließt die Union aber aus. „Wir werden nicht auf die Linke zugehen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Steffen Bilger. Er verwies darauf, dass der Unions-Kandidat Spinner Mitte Mai auch vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen wurde. Die Linke könne einem solchen Kandidaten auch ohne Vorbedingung zustimmen.

Die Zweidrittelmehrheit für Spinner ist auf jeden Fall gesichert, weil die AfD erklärt hat, sie werde Spinner wählen – ohne jede Bedingung. Spinner wäre dann der erste Verfassungsrichter, der nur dank Unterstützung der AfD ins Amt kommt.

Das will die CDU/CSU aber dadurch verhindern, dass von ihrer Seite am Freitag alle Abgeordneten bei der Wahl anwesend sind. Bei „guter Anwesenheit“ könnten CDU/CSU, SPD und Grüne Spinner auch allein bestätigen.

Auch die SPD-Kandidatin sorgt für Diskussionen

Auch die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf kann am Freitag mit einer Zweidrittelmehrheit rechnen, da sie von den Linken mitgewählt wird. Nachdem sich die CDU/CSU-Fraktionsspitze um Jens Spahn noch einmal für die Wahl von Brosius-Gersdorf eingesetzt hat, wird es aus der Unionsfraktion wohl nur wenige Ab­weich­le­r:in­nen geben. Brosius-Gersdorf war aus der Union vorgeworfen worden, sie halte die Entkriminalisierung von Abtreibungen für möglich.

Allerdings hat die Unionsspitze durchgesetzt, dass Brosius-Gersdorf nicht, wie eigentlich geplant, Vizepräsidentin wird. Das heißt, sie wird 2030 auch nicht Nachfolgerin von Stephan Harbarth als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Die Rolle der Vizepräsidentin übernimmt nun voraussichtlich die dritte Kandidatin, Ann-Katrin Kaufhold, die auch von der SPD vorgeschlagen wurde. Kaufhold ist eine Rechtsprofessorin aus München, die sich auf Klimaschutz und Finanzmarktaufsicht spezialisiert hat. Ihre Habilitation widmete sie der „Systemaufsicht“, was ja ganz gut zu einer Verfassungsrichterin passt.

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12 Kommentare

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  • Es wäre eine gute demokratische Geste gewesen, diesen FDP Posten (welche FDP?) nunmehr an die Linke zu übertragen. Nur darum geht es, genau das will die CDU aber verhindern. Und nur deshalb schließt sie hier nun eine faktische Koalition mit der AFD :-(

    Herr Rath ist in Sachen BVerfG bestens informiert. Den (vermuteten) Zusammenhang hätte er hier auch erklären können.

  • "Die Linke hat inzwischen bekräftigt, dass sie den von der Union vorgeschlagenen Günter Spinner nur mitwählt, wenn die Union zu einem Gespräch mit der Linken bereit ist."

    Das verstehe ich nicht. Entweder die Abgeordneten der Linken können es mit ihrem Gewissen vereinbaren Herrn Günter Spinner zu wählen oder eben nicht. Was soll ein Anruf daran ändern? Oder geht es darum, etwas für sich herauszuholen? Das wiederum würde mich wundern, wenn dies das Selbstverständnis der Linken wäre. Aber vielleicht ist das auch einfach Politik und ich bin naiv. (Ich weiß, dass Frau Reichinnek nicht in den Geheimdienstausschuss gewählt wurde.)

  • Die AfD politisch wegregieren, ach das meint der Dobrindt damit….das die AfD Spinner ohne Vorbehalte wählt, na ja, dieses billige Wortspiel verbietet sich hier natürlich.

  • Dann werden halt erst mal die SPD-Nahen gewählt. Schadet sicher nicht.



    Und wenn Spahn evtl. doch der gerechte Blitz trifft, schafft die Union vielleicht doch die Einsicht, dass die Linken bis auf eine Überdosis Druschba der SPD von 1997 sehr ähneln und stärker das Grundgesetz schützen als mancher schwarzer Landrat.

  • Ich verstehe die beiden Aussagen nicht:

    "Wenn alle Abgeordneten mitstimmen, fehlen sieben Stimmen, die von Linken oder der AfD kommen müssten."

    und

    "Das will die CDU/CSU aber dadurch verhindern, dass von ihrer Seite am Freitag alle Abgeordneten bei der Wahl anwesend sind. Bei „guter Anwesenheit“ könnten CDU/CSU, SPD und Grüne Spinner auch allein bestätigen."

    • @Strolch:

      Die CxU entfernt sich immer weiter von der Realität, wie solche Aussagen deutlich zeigen, es ist Wahr was Wahr sein muss.

    • @Strolch:

      Die CDU/CSU hofft wohl darauf, dass einige Abgeordnete der Linken und der AfD (krankheitsbedingt) fehlen, während die Abgeordneten der Regierungsparteien plus der Grünen alle kommen werden. Zur Not stimmt man dann halt nach Mitternacht ab, wenn ein großer Teil der Abgeordneten normalerweise schon auf der Heimreise ist.

    • @Strolch:

      Es geht darum, dass 2/3 der abgegebenen Stimmen - nicht der MdB - für die Wahl notwendig sind (solange mindestens die Hälfte der MdB erreicht wird). D.h. die Union setzt darauf, dass von den anderen Fraktionen (insbesondere Linke und AfD) genügend MdB nicht anwesend sein werden bzw. nicht abstimmen werden und gleichzeitig eine relativ vollständig Anwesenheit auf Seiten der Regierungsfraktionen + Grüne erreicht werden kann....



      ... ob der Plan aufgeht, wird sich allerdings noch zeigen müssen... aber der Untergang der Weimarer Republik ist inzwischen ja auch schon fast 100 Jahre her, da ist die Frist für "aus Fehlern lernen" auch bald abgelaufen.

      • @luci2k1:

        Stimmt, wahrscheinlich ist die relative Mehrheit ausreichend, dann ergibt es Sinn. Dann hätte man besser formuliert, dass von den anderen Fraktionen ein paar Abgeordnete fehlen.

    • @Strolch:

      Das ist eine schiere Schutz-Nonsensaussage, die andeuten will, dass ja vielleicht nicht alle AfDler vorbeikommen. Natürlich kommen die vorbei.



      Natürlich auch darf die CDU mal mit ihrer Ex-Partnerin im Osten (1945-89) wieder reden. Und damit meine ich nicht wahrheitswidriges Pöbeln.

    • @Strolch:

      Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass die fehlenden 7 Stimmen auch durch Zufall durch ein paar Abweichler kommen könnten, so dass rechnerich keine AfD Stimme nötig wäre, aber auch nichts mit der Linken vereinbart wurde.

      • @sneaker:

        Ich denke gemeint ist damit, dass bei der Zweidrittelmehrheit hier die relative Mehrheit der anwesenden Abgeordneten ausschlaggebend ist. Wenn also von Union und SPD alle oder viele Abgeordnete anwesend sind und von AFD und Linken nicht, würden die 7 Stimmen nicht gebraucht werden.