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Bauministerin Verena HubertzBauen first, Bedenken second

Die neue Bauministerin war früher Unternehmerin. Sie setzt auf Tempo, vor allem bei den Genehmigungsverfahren. Das soll die anfallenden Kosten halbieren.

Verena Hubertz mit Lars Klingbeil geben auf einer Berliner Bauerstelle eine Pressekonferenz zum „Bau-Turbo“ im Juni 2025 Foto: Kay Nietfeld/dpa

Zügig geht Verena Hubertz, gekleidet in weißer Bluse und Jackett, in Richtung Baustelle. Hinter ihr stehen Gerüste, über ihr schweben Kräne, nur Lärm ist an diesem Tag Mitte Juni keiner zu hören. Die perfekte Kulisse in Berlin-Mitte für eine Bauministerin, um Neuigkeiten kundzutun. „Wir zünden heute den Bauturbo“, sagt Hubertz freudig ins Mikrofon. Kurz vorher hat das Bundeskabinett ihren Gesetzentwurf beschlossen, der das Bauen beschleunigen soll. Offiziell trägt das Gesetz einen komplizierten Namen, aber es kursiert jetzt unter dem Namen „Bauturbo“ – und vielleicht erzählt das auch schon einiges über die neue Bundesbauministerin von der SPD.

Verena Hubertz verliert sich nicht in verschachtelten Sätzen. Sie bricht komplizierte Dinge runter. In kurzen Videos auf Instagram gibt sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Häufig erfährt man dabei auch persönliche Dinge: dass sie Fan des 1. FC Kaiserslautern ist, Kaffee aus ihrer Trier-Tasse mit Regenbogen trinkt und gerne Coldplay hört. Aber Hubertz kann auch zugeknöpft: In einem Interview mit dem Spiegel sagt sie, dass sie zur Miete wohnt, aber auch Vermieterin ist – welche Preise sie verlangt, will sie nicht verraten.

Auf der Berliner Baustelle erklärt Verena Hubertz, dass man nun künftig schneller bauen könne. Oder aufstocken und nachverdichten. „Wie hier, da war mal mein Parkplatz, und jetzt entsteht hier ein richtiges Stadtquartier“, sagt sie. Auf den Zwischenruf einer Anwohnerin, dass dort auch Bäume standen, reagiert sie nicht. Vielleicht hat sie es nicht gehört.

Umweltverbände und Opposition befürchten jedenfalls, dass mit dem neuen Gesetz wahllos drauflos gebaut wird. Weniger Umweltprüfung, weniger Lärmschutz, weniger Bürgerbeteiligung, unbedachtere Flächenversiegelung, ein Anheizen der Bodenspekulation. „Das bedeutet nicht, dass wir jetzt alle Regeln über die Wupper werfen“, erklärt Hubertz.

Politik mit Schlagworten

Aber man müsse Probleme „pragmatisch und schneller angehen“. Zielkonflikte, die es beim Bauen gebe, dürften „uns nicht lähmen“. Keine Zeit für Bedenken. Es brauche „Tempo, Technologie und Toleranz“. Politik mit Schlagworten. Marketingkompatibel.

Das passt zur Karriere der 37-Jährigen, die noch nicht lange in der Politik ist. Die studierte Betriebswirtin gründete 2013 mit einer Kommilitonin das Start-up Kitchen ­Stories, eine App für Kochrezepte, die später an eine Tochterfirma von Bosch verkauft wurde. 2020 verließ Hubertz die Firma und kandidierte für den Bundestag. Mit Erfolg, 2021 holte sie das Direktmandat für ihren Wahlkreis Trier – und wurde dann Vizechefin der SPD-Fraktion. Nur ein paar Jahre später ist sie nun Bundesbauministerin.

Mit diesem Posten wurde ihr eine große Aufgabe anvertraut. Sie soll dafür sorgen, dass das Wohnen wieder bezahlbar wird – in einer Zeit, in der die Zahl der Wohnungslosen steigt, Familien sich auf wenigen Quadratmetern zusammenquetschen und die Baubranche Hiobsbotschaften verkündet. Ihnen zum Trotz will Verena Hubertz, dass gebaut wird. Schnell und viel. Am liebsten mit Holz und seriell vorgefertigt. Deutschland sei nicht nur zu langsam, sondern auch zu kompliziert, gibt sie zu verstehen. Ein Genehmigungsverfahren soll künftig nicht mehr fünf Jahre, sondern nur noch zwei Monate dauern. Die Baukosten will sie halbieren.

Es sind vollmundige Versprechen für eine Ministerin, die vorher noch keine Berührungspunkte mit Baupolitik hatte. Die Vorgängerregierung hatte 400.000 Wohnungen versprochen und war damit gescheitert.

Inhaltlich setzt Hubertz keine völlig neuen Akzente, aber sie ist präsenter als ihre Vorgängerin. Klara Geywitz galt vielen als zu blass, zu unnahbar. Hubertz wirkt dynamisch, setzt auf Emotionen. In ihrer ersten Bundestagsrede als Ministerin erzählte sie, dass ihr Vater früher als Schlosser an Baggern geschraubt habe und sie nun dafür sorgen wolle, dass „die Bagger in diesem Land wieder rollen“. Oder dass sie im Studium bei Burger King für wenig Lohn Pommes verkauft habe, um das WG-Zimmer zu bezahlen.

Wohnen müsse bezahlbar bleiben für Auszubildende bis zum Rentner, findet sie. Und doch schimmert in ihren Aussagen auch immer die Unternehmerin durch, etwa wenn sie sagt: „Die Bauindustrie ist die Lokomotive unserer Wirtschaft.“ Was das für die Wohnungspolitik der kommenden Jahre heißt, wird sich noch zeigen.

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10 Kommentare

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  • Kümmert sich niemand um die extrem hohen Leerstände in der Republik? Kümmert sich niemand darum, eine wirksame "Tauschbörse" für Wohnungen zu schaffen? Über diese Thematik wurde gerade in der TAZ berichtet.



    Da anzusetzen erspart viel Bautätigkeit ergo Klimaschäden und es geht deutlich schneller.

  • Nebenpunkt: auch in anderen Parteien als der SPD sollten Kinder aus Arbeiterfamilien eine reelle Aufstiegschance haben und auch in der SPD noch mehr (Dann sollte mensch auch ein BWL-Studium verzeihen können).

    Bauen ist ein besonderes Feld, wo Markt, Staat, Nachhaltigkeit, Grundbedürfnis Wohnung arg aufeinanderprallen. Ich wünsche Frau Hubertz eine rasche Lernkurve und der GroKo entsprechende Prioritätensetzung. Einige finden es nämlich für sie besser, wenn der Markt in den Großstädten überhitzt bleibt.



    Und nie vergessen: auch an den "Bedürfnissen" arbeiten. Wieder kompakter wohnen, Leitungen können über Putz wie in anderen Ländern (nein, der bestussteste Hund wird das nicht anknabbern), etc. etc.

  • In vielen Gegenden sind die Genehmigungsfristen doch gar nicht das Problem. Die taz berichtete letztes Jahr, wenn ich mich richtig erinnere, dass in Berlin mehr als 50% der Bauvorhaben im Stadtkern in Gerichtsverfahren festhängen - Nachbarn, Umweltschutz, Denkmalschutz. Wenn das in 3 bis 5 Jahren abgearbeitet ist, war das schnell. Davon, dass die Klagemöglichkeiten eingeschränkt wurden, steht im Artikel nichts.

  • Billiger bauen geht sicher, ob es nachhaltig ist, bezweifle ich doch sehr. Mit Häuser und Wohnungen die gerademal eine Generation überstehen, verschiebt man das Problem auf die Zukunft. Es gibt auch Wohnraum, es gibt auch viel freien Wohnraum, aber eben nur dort, wo es nicht gerade gut bestellt ist, mit Arbeitsplätzen, Kultur, Angeboten ....

  • Entäuschener Bericht, der dem "Marketingsprech" der Bauministerin auf den Leim geht.



    Auch Geyitz drehte an zig Stellschrauben und nichts kam dabei heraus.



    Das liegt vor allem daran, dass das staatliche Geld für Sozialwohnungen hinten und vorne nicht reicht.

    Warum fürs bezahlbare Wohnen nicht so viel Geld wie für die Bundeswehr? Wer diese Frage nicht beantworten will, ist schlicht nicht seriös.



    Hubertz will möbliertes Vermieten verändern, von Abschaffen ist keine Rede, obwohl ganze Neubaublocks mit Kleinstwohnungen möbliert werden, um bundesweit mit zigTausenden möblierten Wohnungen die Mietpreisbremse konsequent zu umgehen.

    Folge: Mietwucher in den Städten überall, aber kein Personal und keine massive Bestrafung der Vermieter durch den Staat!

    Statt Hubertz zum PR-Termin zu begleiten, sollte die taz anbieten, mit Hubertz die Mieterin zu besuchen, die aufgrund Eigenbedarf gerade zum zweiten Mal aus ihrer Wohnung flog, aber keine Chance hat, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden.

    Es ist ein Kollosalversagen, dass die SPD seit einer Ewigkeit regiert, und auf ein privates soziales Wohnungsbaumodell setzte bei dem private Investoren reicher und Mieter immer ärmer wurden.



    .

    • @Lindenberg:

      Danke, Sie bringen es auf den Punkt! Auch in unserer Stadt wurden fleißig Wohungen gebaut. Privat, versteht sich. Viele dieser Wohungen sind leer, weil sie entweder als Spekualtionsobjekt dienen oder für Wohlhabende die Zweit-, Dritt- oder X-wohnung darstellt. Einige werden auch für Touristen vermietet. Diejenigen, die eine bezahlbare Wohnung zum Leben brauchen, finden nach wie vor nichts.



      Der angekündigte Bauturbo ist ein Anreiz zur Kapitalvermehrung auf Kosten von Natur und Umwelt. Da bleibt der TAZ-Bericht hier auch sehr blass, wenn er nur blumige Aussagen einer Politikerin aufnimmt.

    • @Lindenberg:

      Kann ich leider nur bestätigen. Ausgerechnet ein Freund von mir ist sich nicht zu schade, seine Wohnung mit Sperrmüll auszustatten, um sie dann als "möbliert" teuer zu vermieten.



      Dennoch finde ich es erstmal gut, wenn jemand Bürokratie abbauen will. Ein in die Niederlande ausgewanderter Bauunternehmer preist das Land, da hier im Durchschnitt ganze drei Monate von der Antragstellung bis zur Baugenehmigung vergehen. Das macht Bauen plan- und berechenbar. Man muss nicht Jahre warten, in denen sich alle möglichen Parameter ändern können (Kosten z.B.). Dabei sind die Niederlande aber nicht für besonders lasche Umwelt- und andere Standards bekannt. Warum kann Deutschland das nicht?

  • Bauen mit Holz ist verheerend fürs Klima. Wenn ein Baum gefällt wird, hat er nicht mal 1/5 seines Lebens hinter sich. Würde man ihn stehen lassen, würde er einige weitere Jahrhunderte weiter wachsen und pro Jahr immer mehr CO2 binden. Wenn er irgendwann tot ist, braucht er weitere Jahrzehnte, um zu verrotten und gibt sogar einen großen Teil des Kohlenstoff wieder an den Boden ab.



    Wird der Baum aber gefällt, ist da erstmal nichts. Selbst wenn an der Stelle viele kleine Bäume gepflanzt werden, was längst nicht immer der Fall ist, können diese zusammen nur einen Bruchteil des Kohlenstoffs pro Jahr binden, den der alte Baum gebunden hat. Das geschlagene Holz behält zwar den Kohlenstoff, den es bis dahin gebunden hat, bindet aber kein weiteres mehr. Wird dann ein Holzhaus gebaut und ein paar Jahrzehnte später abgerissen, kann das Holz in der Regel nicht recycled werden und wird daher verbrannt. Dann geht der Kohlenstoff fast vollständig und auf einen Schlag in die Atmosphäre. Fazit: wer das Klima schützen will und kein Bestandsgebäude findet, sollte nach Möglichkeit keine Bäume fällen, sondern sein Haus lieber aus Lehm, Stroh, Naturstein und (grünen) Stahl bauen.

  • Das WG-Zimmer wäre mit dem Gehalt von Mac Donalds heute nicht mehr drin. Noch so ein Polit-Showgirl.

    • @TOM1976:

      Hätten Sie auch von Showboy gesprochen? Wenn nein, warum nicht? Zum Nachdenken.

      Inhaltlich: Kommt auf die Größe des Zimmers und das Alter des Mietvertrags an.



      Und auch das zeigt, dass Handlungsbedarf tatsächlich besteht.