Oberstes Gericht der USA: Verbot zur Behandlung von Trans-Jugendlichen bestätigt
Konservative Richter überstimmen liberale Minderheit. Verbote wie das jetzt bestätigte in Tennessee gibt es in über der Hälfte aller US-Bundesstaaten.
Das in Tennessee 2023 in Kraft getretene Gesetz verbietet die Behandlung von Trans-Jugendlichen mit Medikamenten oder Hormonen, die die körperlichen Entwicklungen während der Pubertät verzögern oder ganz stoppen. Das Gesetz verbietet auch sämtliche chirurgischen Eingriffe, doch dieser Teil des Gesetzes stand nicht zur Debatte vor dem obersten Gerichtshof.
Verstöße gegen das Gesetz können eine Strafe von bis zu 25.000 Dollar nach sich ziehen. Der vorsitzende Richter des Supreme Courts John Roberts begründete die Entscheidung der konservativen Mehrheit am Gerichtshof mit den sich stetig weiterentwickelnden medizinisch-wissenschaftlichen und politischen Debatten zum Thema.
„Die Stimmen in diesen Debatten äußern ernsthafte Bedenken; die Auswirkungen für alle sind tiefgreifend […] Die Gleichbehandlungsklausel löst diese Meinungsverschiedenheiten nicht. Sie gibt uns auch nicht die Befugnis, sie nach eigenem Ermessen zu entscheiden“, schrieb Roberts.
Ideologischer Kampf um Trans-Rechte
Richterin Sonia Sotomayor, die Teil der liberalen Minderheit am neunköpfigen Gericht ist, widersprach dieser Auslegung und erklärte, dass der Supreme Court mit dieser Entscheidung „Transgender-Kinder und ihre Familien den politischen Launen überlässt“. Sie widerspreche „in großer Traurigkeit“.
Die drei liberalen Richter argumentierten weiter, dass die konservative Mehrheit vorangegangene Entscheidungen ignoriert hätte. Diese besagten, dass Gesetze, die Trans-Personen betreffen, zwangsläufig aufgrund des Geschlechts diskriminieren. „Die Mehrheit weigert sich, die Dinge beim Namen zu nennen“, schrieb Sotomayor.
Der Generalstaatsanwalt aus Tennessee, Jonathan Skrmetti, bezeichnete die Entscheidung als Sieg gegen „gerichtlichen Aktivismus.“ Familien in Tennessee und im gesamten Land hätten Lösungen verdient, „die auf Wissenschaft und nicht auf Ideologie basieren“.
Trans-Rechte und der Zugang zu medizinischen Behandlungen für Menschen mit Geschlechtsdysphorie sind seit Jahren ein großes Thema in den USA. Die Bekämpfung dieser Rechte ist Teil des Kulturkampfs von US-Präsident Donald Trump und den Republikanern gegen linke Ideen und „Wokeness“.
Seit 2021 haben 27 der 50 US-Bundesstaaten Gesetze erlassen, die die medizinische Behandlung von Trans-Jugendlichen einschränken oder ganz verbieten. So gut wie alle diese Verbote wurden in republikanisch regierten Bundesstaaten verabschiedet.
„Verbot beruht auf Stigmatisierung, Fehlinformation und Angst“
Demokraten und Gruppen, die sich für Trans-Rechte einsetzen, beklagten die Supreme-Court-Entscheidung. „Wieder einmal mischen sich Politiker und Richter in ärztliche Untersuchungsräume ein. Dieses Urteil untergräbt die Fähigkeit der Ärzte, einige der gefährdetsten Patienten unseres Landes zu versorgen“, sagte die erste und einzige offene transsexuelle Kongressabgeordnete Sarah McBride in einem Post auf der sozialen Plattform X.
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU bezeichnete das Urteil als „einen verheerenden Verlust für Trans-Personen“. Die World Professional Association for Transgender Health (WPATH) erklärte, ein Verbot von medizinischer Versorgung würde immer auf Stigmatisierung, Fehlinformation und Angst basieren.
„Ein Urteil wie dieses ändert nichts an der grundlegenden Tatsache, dass es transsexuelle Jugendliche gibt. Ihr Leben verbessert sich, wenn sie Zugang zu medizinischer Versorgung haben, und es verschlechtert sich, wenn sich die Regierung zwischen sie und die professionellen Experten stellt, die für die Bereitstellung dieser Versorgung ausgebildet wurden“, erklärte WPATH.
Kritiker befürchten zudem, dass sich die Entscheidung negativ auf geschlechtsspezifische Rechte oder Frauenrechte im Allgemeinen auswirken könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israels Angriff auf den Iran
Völkerrechtliche Zeitenwende
Altersgrenze für Social Media
Das falsche Verbot
Wohnraumverteilung in Deutschland
Eine Seniorin, 100 Quadratmeter
Cannabis-Anbau
Söders Kampf gegen das Gesetz
Wiederaufbau der Dresdner Carola-Brücke
Vierspurig über die Elbe
Abbau von Mineralien
Schäden ins Ausland ausgelagert