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EU-Klimaziel bis 2040Klimaschutz ausgelagert

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Grundsätzlich zielt die EU auf die richtigen Klimaziele. Mt den Klimaschutzgutschriften hält sie sich aber Hintertürchen offen.

Ein Mann kühlt sich an einem heißen Sommertag in einem Brunnen vor dem Berliner Dom ab, während eine Hitzewelle Berlin trifft Foto: Lisi Niesner/Reuters

E uropa glüht – und setzt beim Klimaschutz trotzdem auf Etikettenschwindel. Die Europäische Kommission will zwar, dass die EU im Jahr 2040 90 Prozent weniger Treibhausgas ausstößt als 1990. Dabei sollen aber die Mitgliedsstaaten einen Teil der Klimaschutzleistung nicht selbst erbringen müssen. 3 Prozentpunkte dürfen per Gutschrift aus anderen Ländern eingekauft werden.

Natürlich könnte man sagen: Gut, dass EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra überhaupt an dem 90-Prozent-Ziel festhält. Anders wäre auch kaum vorstellbar, wie der Staatenbund bis 2050 komplett klimaneutral sein soll, wie es im Europäischen Klimagesetz festgelegt ist. Mehrere Regierungen hatten trotzdem Druck ausgeübt. Sie wollten ein viel schwächeres Zwischenziel für 2040. Ebenso wie das EU-Parlament müssen die EU-Staaten in ihrem Ministerrat dem Vorschlag der EU-Kommission noch zustimmen.

Gute Umweltpolitik wird in letzterem Forum regelmäßig verwässert und abgeschwächt. Das Schlupfloch mit den internationalen Klimaschutzgutschriften macht es wahrscheinlicher, dass sich auch konservative Regierungen darauf einlassen. Die Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich genau für diese Lösung eingesetzt. Gleichzeitig hat die Arbeit mit solchen Gutschriften immer wieder gezeigt: Dabei passieren Pannen. Am Ende stehen Klimaschutzerfolge auf dem Papier, die es in der Realität nicht gibt.

Für die europäischen Behörden ist es schwierig, bei Klimaschutzprojekten am anderen Ende der Welt sicher zu überprüfen, ob sie halten, was sie versprechen. Selbst wenn sie gut arbeiten, ist oft unklar, ob sie nicht auch ohne die Zahlung aus Europa stattgefunden hätten. Am Ende schreiben sich noch beide Länder – das, das den Klimaschutz betreibt, und das, das dafür zahlt – den Erfolg in ihre Klimabilanz –, wobei die Transparenzregeln des Pariser Weltklimaabkommens solche Doppelzählungen zumindest weitgehend verhindern sollen.

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Der Knackpunkt ist: Die gesamte Welt muss schnell klimaneutral werden, wenn die Menschheit weiter genug Lebensraum auf der Erde haben will. Rechenspielchen und Bilanztricks verzögern das. Wenn wohlhabende EU-Länder Klimaschutz in armen Staaten finanzieren wollen, was sie auch schon tun – super! Das ist nur fair, schließlich gehört Europa zu den Regionen, die historisch hauptsächlich für die Klimakrise verantwortlich sind.

Außerdem profitiert ja auch Europa davon, wenn die Erderhitzung stärker begrenzt wird. Das eigene Klimaziel sollte die EU aber doch lieber allein erreichen.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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2 Kommentare

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  • > Am Ende stehen Klimaschutzerfolge auf dem Papier, die es in der Realität nicht gibt.

    Sie meinen so wie die im Betrieb emissionsfreien Elektroautos oder die rechnerisch emissionsfreie Beheizung mit Fernwärme? Oder denken Sie an die großen nationalen Erfolge der Emissionsminderung durch Stillegen der hocheffizienten eigenen Eisen- und Aluminiumverhüttung und Import der gleichen Menge Metall von außen?

  • Die Idee ist erstmal gut. Klimaschutz ist, zur Entaeuschung derer die gerne mit dem Zeigefinger durch die Welt fliegen, kein Wettrennen wo am Ende der Sieger ruft: Baetsch, wir waren schneller.



    Deshalb ist es sinnvoll die begrenzte Resource Geld zumindest teilweise dort einzusetzen, wo man dafuer am meisten CO2 einsparen kann.



    Aber in Deutschland denkt man leider nationaler und fluechtet sich in eine Traumwelt. Alles was in diese nicht reinpasst wird in Form von Risiken (Atomstrom aus Frankreich), CO2-Ausstoss (Frackinggas aus den USA, Kohlestrom aus Polen, Wasserstoff aus Afrika) oder Umweltschaeden (Abbau "gruener" Rohstoffe) ausgelagert. Not in my backyard als Staatsraeson sozusagen.

    Parallel tingeln Repraesetanten des Staats durch die Welt und prahlen mit ihrer vermeintlich weissen Weste, stehen aber in den Augen des Gegenuebers ohne Kleider da, was in den letzten Jahren immer wieder zu peinlichen Momenten gefuehrt hat. Es ist wirklich zum Fremdschaemen.