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Israel greift die Islamische Republik anGespenstige Stille in Jerusalem

Iran schießt zurück. Wie gehen Menschen in Israel mit der Bedrohung um? Eine Momentaufnahme.

Einsame Gassen: Die wenigsten Menschen trauen sich heute in Jerusalem auf die Straße, 13.6.2025 Foto: Mahmoud Illean/

Jerusalem taz | Es ist unheimlich ruhig an diesem Freitagmorgen in Jerusalem. Die sonst so quirligen Straßen um das Damaskustor, Zugang zur Altstadt, sind still, der Verkehr spärlich. Am Busbahnhof sind heute kaum Busse zu sehen. Nur der dumpfe Lärm der Kampfjets und gelegentliche Krankenwagensirenen unterbrechen die Stille.

Die wenigsten Menschen trauen sich heute auf die Straße. Israel hat Stellungen in Iran angegriffen, darunter Atomanlagen. Ein Überraschungsangriff, offenbar jedoch lange geplant. Und jetzt bereiten sich Israel – und seine Ein­woh­ne­r*in­nen – auf den Gegenschlag vor.

Die Rollläden von Restaurants und Imbissbuden sind zugezogen. Die Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu hat den Notstand ausgerufen, nur die wenigsten notwendigen Geschäfte haben geöffnet. Unter ihnen ist ein Minimarkt, der von zwei jungen Männern geführt wird. „Ich fühle mich normal“, sagt einer auf Nachfrage. „Für uns in Jerusalem ist das Routine. Krieg ist hier jeden Tag. Du bist nicht mehr sicher, sobald du deine Wohnung verlässt.“ Der junge ­Verkäufer, der sich als Palästinenser bezeichnet und ziemlich besorgt um Anony­mität bittet, führt fort: „Es ist uns egal, was passieren wird. Arbeit ist Arbeit. Wir werden arbeiten.“

An einer Kreuzung steht ein Mann in lachsfarbenem Shirt und Baseballcap und schaut leicht verwirrt auf die leere Straße. Peter heißt er, 44 Jahre alt, aus Jersey, einer der Kanalinseln vor Großbritannien. Er war auf Geschäftsreise in Tel Aviv und hatte sich zwei Tage freigenommen, um sich Jerusalem anzusehen. „Bad timing“, sagt er, ein schlechter Zeitpunkt für Sightseeing. Er will jetzt zurück ins Hotel, es habe ohnehin alles zu. Wie lange er im Hotel bleiben muss, weiß er nicht. Sein Flug am Abend wurde gestrichen. „Ich habe soeben eine SMS von der Fluggesellschaft bekommen“, sagt er und zeigt auf das Handy. Wann der nächste gehen wird, stand nicht drin.

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Hauptsache Sicherheit

In einer Seitenstraße laufen zwei Männer in orthodoxer Kleidung, mit Kippot auf dem Kopf, schwarzen Hosen und Hemden an denen Tzitzit hängen, weiße Kordeln. Auch sie halten ihre Handys in der Hand für den Fall das Warnungen des israelischen Verteidigungsministeriums kommen. Sobald Sirenen heulen, können sie in den nächstgelegenen Schutzraum laufen.

Zu politischen Fragen wollen sich die Gläubigen nur ungern äußern. „Es war klar, dass es passiert. Wir müssen uns irgendwie schützen“, sagt einer der beiden. Eine Stunde zuvor hat Iran mindestens 100 Drohnen in Richtung Israel abgeschossen, die israelische Luftwaffe versucht, sie außerhalb der Staatsgrenze abzufangen, Jordanien soll sich wie in der Vergangenheit am Abschuss beteiligen.

In einem Hinterhof sitzen zwei philippi­nische Frauen und plaudern miteinander. „Wir sollten heute arbeiten, aber mein Ar­beitgeber sagte, ich sollte zur Sicherheit zu Hause bleiben. Meine Kollegin ist gefahren, aber sie hat Probleme. Seit einer Stunde fährt kein Bus zurück.“ Die Frauen bleiben entspannt. Seit Jahren wohnen sie in Israel, ­Politik sei nicht ihr Ding. Hauptsache, man ist sicher. Keine Ahnung, was morgen ­passiert.

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16 Kommentare

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  • Ist das Adjektiv zu Gespenst nicht "gespenstisch"? Widerspenstische Wörter!



    :-[]

  • Haben Sie auch mit Palästinensern gesprochen?

    • @Francesco:

      Ja, es steht im Text. Bitte erst lesen, dann kommentieren.

  • ...und merkt auch jemand was für einen gefährlichen Präzedenzfall wir gerade beobachten? Ein Staat der gezielt atomare Anlagen bombardiert? Die USA die das auch noch gutheißen? Putin und Kim Kong Un werden sich freuen

  • Wie soll in dieser Region jemals Frieden einkehren, wenn rund um Israel zu Feinden erklärte Staaten existieren: Nur die Bevölkerungszahlen von 2023 (Kosmos) : Israel 8,8 Millionen, Jordanien 10,3 Millionen, Libanon 10,5 Millionen, Syrien 18,3 Millionen Einwohner und dazu noch 5,1 Millionen Palästinenser. Sollen sie alle 'eingemeindet' werden ? In dazu noch eine orthodoxe (Minderheit?) Bevölkerung, die das ganze Gebiet zu heiligen Land erklärt und das Existenzrecht der Nachbarn in Frage stellt. Wen unterstützen 'wir' eigentlich, wenn wir Israel Waffen liefern ? Ein Staat, dessen gegenwärtige Regierung das Völkerrecht ignoriert ? Was soll diese permanente Eskalation, will Netanyahu Israel zu einem Ölstaat machen in seiner Ausbreitung ? Ich habe kein Verständnis mehr für die relativierenden Aussagen zum Überfall auf den Iran , z.B. durch die Bundesregierung, aber auch vom Grünen-Vostand. Derzeit sehe ich nur EINEN Aggressor, im Iran müssen die Menschen schon selbst mit den Mullahs fertig werden zusammen mit unserer Solidarität.

    • @Dietmar Rauter:

      Der Iran hat das Ziel der Auslöschung Israels formuliert.



      Der Staat Iran hält sich offenbar nicht an die Abmachungen bzgl. Urananreicherung.



      Der Iran schützt und unterstützt offensichtlich den Terror gegen Israel.



      Was soll Israel denn Ihrer Meinung nach tun: Abwarten, bis jemand eine oder mehrere schmutzige Bomben oder gar Atombomben zündet?



      Israel ist kein großes Land. Ein atomarer Angriff wäre das Ende Israels.



      Ich kenne auch keine Allgemeinlösung, aber Mitleid mit den politischen Kasten Irans habe ich nicht wirklich.

    • @Dietmar Rauter:

      In welche Mythen haben Sie sich vergaloppiert?

      Selbst die rechtsextremistischsten Israelis wollen Jordanien oder Syrien etc. eingemeinden oder zum Heiligen Land erklären.

      Jordanien ist kein Feind Israels und wurde auch nicht dazu erklärt.

      Die Jordanier haben gerade zum zweiten Mal iranische Raketen für Israel abgefangen.

      Die jordanische und die israelische Regierung können ausgesprochen gut miteinander.

      Jordanien will von Israel Wasser beziehen.

      Der Libanon ist regierungsunfähig.

      Würde die libanesische Regierung in der Lage sein, die Hizbollah im Griff zu haben und zu verhindern, dass die vom Libanon aus immer wieder Israel beschießen, gäbe es mit Israel kein Problem.

      Das Agieren der Hizbollah ist auch nicht im Interesse der meisten Libanesen.

      Mit Al-Shabaab hat sich Netanjahu gerade erst getroffen.

      Resultat dürfte auch hier die Feststellung sein, dass man keinen Ärger miteinander will.

      Und den Iran wollen die Israelis nun bestimmt nicht erobern.

      Wie kommen Sie auf diese Ideen?

      Kein Wunder, dass Sie nicht "kein Verständnis mehr " haben.

      Vom Frieden ist man dort seit dem 7.10. weiter weg als in den 40 Jahren davor.

      Der kommt nach dem Abraham-Abkommen.

      • @rero:

        "Beide Ufer des Jordans" hat die Herut-Partei gefordert, deren Nachfolger der Likud ist. Ihr Symbol eine Landkarte, die Palästina + Jordanien als ein Land zeigt.

      • @rero:

        Es gibt tatsächlich Aussagen israelischer Politiker*innen, die genau diese Expansion Israels befürworten. So etwa Finanzminister Bezalel Smotrich im Oktober 2024, bei der er eine Ausdehnung Israels bis Damaskus und weiter herbeiträumte.



        Ist also leider gar nicht so sehr vergaloppiert.

  • „ Iran schießt zurück. Wie gehen Menschen in Israel mit der Bedrohung um? Eine Momentaufnahme.“

    Rechtzeitig vorgewarnt werden und im Bunker Däumchen drehen.



    Stellt man sich auch die Frage, wie die Iraner mit den Toten und der plötzlichen Aggression bzw. Bombardierung umgehen?

    • @minalou:

      Da die Opfer fast ausschließlich hochrangige militärische Führungskräfte waren, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, wird die Zivilbevölkerung vermutlich kaum um diese radikalen Unterdrücker trauern.

      • @Pawelko:

        Gibt es einen Link, der diese Ausschließlichkeit belegt?



        Nach meinen Infos ist es ein Verhältnis von 1:6.



        Die 6 steht dabei für zivilw Opfer. So wie man es aus Gaza kennt.

  • Fragt auch jeman, wie Menschen im Iran mit der Aggression umgehen?

    • @HRMe:

      Na klar! Insbesondere die iranische Führung kennt sich ja besonders gut mit Aggression und Unterdrückung aus.

    • @HRMe:

      Natürlich ich habe dazu schon mehrere Reportagen gehört.

      War beim letzten Mal auch so.

      Oder sollte das nur eine rhetorische Frage sein?

      • @rero:

        Gibt es einen Link zu den Reportagen, der sich mit der iranischen Zivilbevölkerung befasst?