Israel greift die Islamische Republik an: Gespenstige Stille in Jerusalem
Iran schießt zurück. Wie gehen Menschen in Israel mit der Bedrohung um? Eine Momentaufnahme.

Die wenigsten Menschen trauen sich heute auf die Straße. Israel hat Stellungen in Iran angegriffen, darunter Atomanlagen. Ein Überraschungsangriff, offenbar jedoch lange geplant. Und jetzt bereiten sich Israel – und seine Einwohner*innen – auf den Gegenschlag vor.
Die Rollläden von Restaurants und Imbissbuden sind zugezogen. Die Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu hat den Notstand ausgerufen, nur die wenigsten notwendigen Geschäfte haben geöffnet. Unter ihnen ist ein Minimarkt, der von zwei jungen Männern geführt wird. „Ich fühle mich normal“, sagt einer auf Nachfrage. „Für uns in Jerusalem ist das Routine. Krieg ist hier jeden Tag. Du bist nicht mehr sicher, sobald du deine Wohnung verlässt.“ Der junge Verkäufer, der sich als Palästinenser bezeichnet und ziemlich besorgt um Anonymität bittet, führt fort: „Es ist uns egal, was passieren wird. Arbeit ist Arbeit. Wir werden arbeiten.“
An einer Kreuzung steht ein Mann in lachsfarbenem Shirt und Baseballcap und schaut leicht verwirrt auf die leere Straße. Peter heißt er, 44 Jahre alt, aus Jersey, einer der Kanalinseln vor Großbritannien. Er war auf Geschäftsreise in Tel Aviv und hatte sich zwei Tage freigenommen, um sich Jerusalem anzusehen. „Bad timing“, sagt er, ein schlechter Zeitpunkt für Sightseeing. Er will jetzt zurück ins Hotel, es habe ohnehin alles zu. Wie lange er im Hotel bleiben muss, weiß er nicht. Sein Flug am Abend wurde gestrichen. „Ich habe soeben eine SMS von der Fluggesellschaft bekommen“, sagt er und zeigt auf das Handy. Wann der nächste gehen wird, stand nicht drin.
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Hauptsache Sicherheit
In einer Seitenstraße laufen zwei Männer in orthodoxer Kleidung, mit Kippot auf dem Kopf, schwarzen Hosen und Hemden an denen Tzitzit hängen, weiße Kordeln. Auch sie halten ihre Handys in der Hand für den Fall das Warnungen des israelischen Verteidigungsministeriums kommen. Sobald Sirenen heulen, können sie in den nächstgelegenen Schutzraum laufen.
Zu politischen Fragen wollen sich die Gläubigen nur ungern äußern. „Es war klar, dass es passiert. Wir müssen uns irgendwie schützen“, sagt einer der beiden. Eine Stunde zuvor hat Iran mindestens 100 Drohnen in Richtung Israel abgeschossen, die israelische Luftwaffe versucht, sie außerhalb der Staatsgrenze abzufangen, Jordanien soll sich wie in der Vergangenheit am Abschuss beteiligen.
In einem Hinterhof sitzen zwei philippinische Frauen und plaudern miteinander. „Wir sollten heute arbeiten, aber mein Arbeitgeber sagte, ich sollte zur Sicherheit zu Hause bleiben. Meine Kollegin ist gefahren, aber sie hat Probleme. Seit einer Stunde fährt kein Bus zurück.“ Die Frauen bleiben entspannt. Seit Jahren wohnen sie in Israel, Politik sei nicht ihr Ding. Hauptsache, man ist sicher. Keine Ahnung, was morgen passiert.
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