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Zwischen drohen und bomben

Treten die USA an der Seite Israels in den Krieg gegen Iran ein? Für den erratischen Präsidenten Donald Trump ist dies ein Risikospiel. Im Moment verschafft er sich lediglich Zeit

Von Bernd Pickert

Es ist die bislang vermutlich folgenschwerste außen- und sicherheitspolitische Entscheidung seiner beiden Amtszeiten. Aber welche Abwägungen US-Präsident Donald Trump bei der Frage leiten, ob die USA militärisch in Israels Krieg gegen Iran einsteigen, bleibt Spekulation. Trump sagte jüngst: „Vielleicht mache ich es, vielleicht mache ich es nicht – ich meine, niemand weiß, was ich machen werde.“

Einen Tag später verlas seine Pressesprecherin Karoline Leavitt eine Erklärung Trumps: „Angesichts der Tatsache, dass es eine tatsächliche Chance auf Verhandlungen gibt, die in naher Zukunft mit Iran stattfinden könnten oder auch nicht, werde ich meine Entscheidung in den nächsten zwei Wochen treffen.“ Dafür, dass Trump am Montag mit der Begründung vorzeitig das G7-Treffen in Kanada verlassen hat, er müsse sich dringendst mit seinem Sicherheitskabinett im sogenannten Situation Room des Weißen Hauses treffen, um die Iranfrage zu besprechen, sind zwei Wochen plötzlich ganz schön viel Zeit.

Kurz bevor Sprecherin Leavitt diese neue Frist bekanntgab, hatte Trump im Weißen Haus seinen ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon zum Mittagessen empfangen. Bannon, obwohl ohne offizielle Funktion, ist noch immer einer der einflussreichsten Ideologen innerhalb der MAGA-Bewegung. Zusammen mit dem ehemaligen FoxNews-Moderator Tucker Carlson und der notorischen republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene aus Georgia führt er seit Tagen den Widerstand gegen ein militärisches Eingreifen der USA im Irankrieg an. Lautstark erinnern sie Donald Trump an sein Versprechen, die USA in keinen weiteren Krieg hereinzuziehen. „Die Israelis müssen zu Ende bringen, was sie angefangen haben“, sagt Bannon. „Wir dürfen das nicht noch einmal machen. Das würde das Land zerreißen. Wir dürfen keinen zweiten Irak haben.“

Für Marjorie Taylor Greene ist die Entscheidung von identitärer Bedeutung für den Trumpismus: „Jeder merkt jetzt, wer wirklich zu America First /MAGA gehört und wer fake ist und das nur gesagt hat, weil es populär war“, sagt sie. Wer dafür werbe, die USA sollten sich an dem Krieg beteiligen, gehöre nicht dazu.

Die Senatoren Lindsey Graham und Tom Cotton zum Beispiel, republikanische „Falken“ und Überbleibsel aus der unter George W. Bush so mächtigen neokonservativen Denkschule. 2003 trieben die Neocons die USA in den Irakkrieg, parallel zum seit 2001 laufenden Krieg in Afghanistan. Beide Kriege endeten in einem Desaster und mit der Erkenntnis, dass es nicht gelingt, in fremden Ländern demokratische Verhältnisse herbeizubomben. Oder, weitergeführt durch die isolationistische Idee der MAGA-Bewegung: dass die USA das auch überhaupt nichts angeht.

Ein so verstandenes America First war in dem kriegsmüden Land ein wichtiger Faktor für den Aufbau von Trumps Basis und zweier Wahlsiege – aber nicht der einzige. Mindestens gleichbedeutend ist die Treue der evangelikalen Rechten – und für die ist die Unterstützung Israels inklusive der Erzfeindschaft zu Iran von grundlegender Bedeutung.

Mike Huckabee zum Beispiel, Trumps Botschafter in Israel und, so formuliert es das jüdische US-Internetmedium Forward, „vielleicht der weltweit einflussreichste christliche Zionist“, schreibt in biblischen Formulierungen an Donald Trump, warum der jetzt an der Seite Israels gegen Iran antreten müsse: „Sie haben sich diesen Moment nicht ausgesucht, dieser Moment hat Sie ausgesucht!“

Ted Cruz, evangelikaler republikanischer Senator aus Texas, der sich gern als vehementester Verteidiger Is­raels im Senat sieht, fordert den Einsatz des US-Militärs mit dem Ziel, einen Regime-Change in Iran zu bewirken. Clips aus einer hitzigen zweistündigen Debatte mit Tucker Carlson sind schon jetzt virale Klassiker.

Es ist dieser Strömung geschuldet, dass Trump in seiner ersten Amtszeit die US-Botschaft von Tel Aviv nach ­Jerusalem verlegte, den Siedlungsbau und die Annexion großer Teile des Westjordanlands befürwortete und schließlich mit den Abrahams-Abkommen verbesserte Beziehungen zwischen Israel und arabischen Ländern aushandelte, ohne die palästinensische Frage auch nur im Geringsten mitzudenken.

Im Bunker in Israel nach einem iranischen Gegenangriff Foto: Hamid Amlashi/wana/reuters

Und vor allem: Er zog die USA aus dem 2015 unter seinem Vorgänger Barack Obama zwischen den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats, Deutschlands und der EU mit Iran ausgehandelten Atomabkommens zurück, das Iran zwar in ein effektives Kontrollsystem gezwungen hatte, um die Urananreicherung herunterzufahren, im Gegenzug aber die Sanktionen lockerte, ohne die iranische Finanzierung terroristischer Gruppen in der ganzen Region zu adressieren. All das entsprach komplett der Wunschliste der evangelikalen Rechten – und Benjamin Netanjahus.

Diese verschiedenen Strömungen der US-Politik sind kaum vereinbar – aber genau das hat Trump in den vergangenen zehn Jahren geschafft. Jetzt prallen sie aufeinander.

Trump braucht Zeit – selbst wenn er sie mit den seit Freitag versuchten Verhandlungen der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands mit Iran über das Atomprogramm erkauft, an deren Erfolgsaussichten kaum jemand wirklich glauben mag. Bislang hat Trump noch nicht davon gesprochen, die eigenen Verhandlungen mit der iranischen Führung wieder aufzunehmen. Aber auch das kann kommen.

Zeit gewinnt Trump allerdings auch, um eine mögliche militärische Operation besser vorzubereiten. Seit Tagen verlegen die USA wesentliche Luftstreitkräfte in die Region. Sollte Trump die zwei Wochen voll ausnutzen, wäre mit der USS „Nimitz“ vermutlich nach der USS „Carl Vinson“ der zweite Flugzeugträger in der Region; ein dritter, die USS „Gerald R. Ford“, ist dorthin unterwegs aus dem Südchinesischen Meer.

Ziel all dieser Verlegungen dürfte nicht ein vollumfänglicher US-Angriff auf Iran sein. Davon spricht niemand, erst recht nicht vom Einsatz von Bodentruppen wie in Irak und Afghanistan. Unmittelbares Ziel – und das einzige, auf das sich auch die G7-Staaten einigen und dabei sogar völkerrechtliche Fragen außer Acht lassen konnten – ist es, zu verhindern, dass Iran in den Besitz einer Atombombe kommt.

Die Urananreicherungsanlage von Natans ist nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nach israelischen Angriffen vermutlich zumindest derzeit nicht mehr funktionsfähig.

Aber Kernstück des iranischen Atomprogramms ist die Urananreicherungsanlage Fordo mit ihrem tief in einen Berg eingegrabenen Tunnelsystem mit den Zentrifugen. Zwar hat Israel Medienberichten zufolge in der vergangenen Woche auch Fordo aus der Luft angegriffen, aber nur halbherzig. Denn nur die USA verfügen über die bunkerbrechenden Bomben vom Typ GBU-57, die Fordo tatsächlich zerstören könnten. Und über die B-2 Tarnkappenbomber, die als einzige Flugzeuge überhaupt in der Lage sind, diese größte konventionelle Bombe der Welt – 6,2 Meter lang und 13,6 Tonnen schwer – zu transportieren und abzuwerfen.

Teheran bei Nacht: Warten auf das Ende des Krieges Foto: Farhad Babaei/laif

Die meisten noch im Dienst befindlichen B-2-Bomber sind auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean stationiert – rund 5.200 Kilometer von Teheran entfernt. In unter sechs Stunden können sie am Ziel sein und mit einer einzigen Luftbetankung zurückkehren. Experten vermuten, dass mehrere Abwürfe hintereinander nötig wären, um die Anreicherungslage 60 bis 90 Meter unter dem Erdboden zu zerstören.

Theoretisch könnten die USA versuchen, genau diese eine militärische Aufgabe zu übernehmen und sich aus allem anderen herauszuhalten. Ajatollah Chamenei allerdings hat für diesen Fall bereits drastische Konsequenzen für die USA angekündigt. Und iranische Raketen können schon jetzt militärische Stützpunkte der USA in der Region erreichen. Die iranischen „Proxies“, also Terrormilizen wie die Hamas im Gazastreifen, Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen, mögen zwar durch Israels Militäraktionen der letzten Monate stark geschwächt sein – einzelne Angriffe auch auf US-Ziele dürften ihnen dennoch möglich sein. Auf die müsste dann wiederum reagiert werden – dazu braucht es den derzeitigen Aufmarsch an US-Militärgerät.

Das wäre aber genau das Szenario, wie die USA eben doch in einen neuen Krieg hereinrutschen, mit unklarer Zielstellung, ohne Exit-Strategie und mit potenziell verheerenden Folgen für die Region einerseits, die Weltwirtschaft andererseits.

Israels Angriff auf Iran hat die Trump-Regierung in ein Dilemma befördert. Wie Trump da herauskommt? „Niemand weiß, was ich machen werde.“ Er auch nicht.

Um den Krieg zwischen Israel und Iran geht es auch im aktuellen taz-­Bundestalk.

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