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Staatengipfel in MadridDruck auf Israel nimmt zu

20 Staaten wollen mehr Druck auf Israel ausüben. Das beschlossen sie auf einem Treffen in Madrid. Es geht um eine Aussetzung des Abkommens der EU mit Israel.

Familienfoto während des Ministertreffens in Madrid zur Umsetzung der Zweistaatenlösung Foto: Jesús Hellín/imago

Madrid taz | Der internationale Druck auf Israel wächst. Am Sonntag nahmen hochrangige Vertreter von 20 Ländern, der Arabischen Liga, der Europäischen Union und der Konferenz für islamische Zusammenarbeit (OIC) an einer Diskussion im spanischen Außenministerium in Madrid teil, um nach Wegen zu suchen, die Regierung Benjamin Netanjahus unter Druck zu setzen, damit diese den Vernichtungskrieg und die Blockade gegen Gaza beendet. Das waren doppelt so viele Teilnehmer wie noch vergangenen September. Erstmals waren auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie Italien vertreten.

Geladen zu diesem sogenannten Madrid+-Treffen hatte Spaniens Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez. „Nichts, was wir heute hier tun, nichts, was wir heute hier sagen, richtet sich gegen Israel oder den Staat Israel“, erklärte der spanische Außenminister José Luis Albares vor Beginn des Treffens. Alle Anwesenden würden „die legitimen Forderungen des israelischen Volkes nach Sicherheit und Frieden“ berücksichtigen sowie die Freilassung der Geiseln, die noch immer von der Terrorgruppe Hamas festgehalten werden, fordern.

„Aber das palästinensische Volk hat genau dasselbe Recht auf Frieden und Sicherheit wie das Volk Israels“, argumentierte der Minister. Der Konflikt im Gazastreifen habe längst das erträgliche Maß überschritten. Die humanitäre Hilfe, die Israel nach Gaza durchlässt, sei „völlig unzureichend“. Er verlangte, dass die Vereinten Nationen bestimmen, was wann wohin gelangt. „Israel kann nicht entscheiden, wer wann und in welcher Menge Lebensmittel erhält“, beklagte er.

Es gehe darum, „den ungerechten, grausamen und unmenschlichen israelischen Krieg im Gazastreifen zu beenden, die Blockade der humanitären Hilfe zu durchbrechen und endgültig auf dem Weg zur Zweistaatenlösung voranzukommen“, steckte Albares die Ziele des Gastgeberlandes ab. Spanien hatte nach dem Einmarsch Israels in Gaza Palästina als Staat anerkannt. Um Netanjahu ernsthaft unter Druck zu setzen, warb der Minister für Sanktionen und für ein Waffenembargo seitens der EU. „Was ist die Alternative zu zwei Staaten: alle Palästinenser töten? Sie deportieren, vielleicht zum Mond?“ fragte er später in einem Interview im spanischen Fernsehsender La Sexta.

Norwegen macht Druck für Zweistaatenlösung

„Immer mehr Länder kommen zum Schluss, dass das hier beendet werden muss“, erklärte auch der norwegische Außenminister Espen Barth Eide. Sein Land hatte, ebenso wie Spanien, Palästina jüngst anerkannt. Für den norwegischen Chefdiplomaten lässt sich nur über eine Zweistaatenlösung der Konflikt endgültig beenden und eine Normalisierung der Beziehung der arabischen Staaten mit Israel herbeiführen. Er forderte die EU und die Arabische Liga auf, gemeinsam zu versuchen, die US-Regierung unter Donald Trump für einen Friedensprozess zu gewinnen.

Sowohl Spanien als auch Norwegen sehen sich ganz besonders berufen, diplomatisch in den Nahostkonflikt einzugreifen, waren es doch deren beiden Hauptstädte, Madrid und Oslo, in denen 1991 und 1993 das sogenannte Osloer Abkommen zwischen beiden Konfliktparteien ausgehandelt wurde, das zur palästinensischen Autonomie führte. Der Name Madrid+ der jetzigen Treffen soll genau daran erinnern.

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8 Kommentare

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  • "Für den norwegischen Chefdiplomaten lässt sich nur über eine Zweistaatenlösung der Konflikt endgültig beenden und eine Normalisierung der Beziehung der arabischen Staaten mit Israel herbeiführen."



    Das sieht augenblicklich nicht nach einer realistischen Position für Verhandlungen aus, denn soweit diese israelische Regierung im Amt ist u. bleibt, wird sie ihre Ziele weiter verfolgen.



    Am 1.3.24 in dieser Zeitung



    "Das rechte und rechtsextreme Lager unter Premierminister Netanjahu hat sich entschieden, in der Frage nach einer politischen und regionalen Nachkriegsordnung auf Konfrontation mit dem Westen zu setzen. Netanjahu wird nicht müde, die Formel vom „totalen Sieg“ über die Hamas auszugeben, während die Militärführung längst klargemacht hat, dass es diesen nicht geben wird."



    Die Beweggründe sind hinreichend bekannt, innenpolitisch ist das aber auch höchst umstritten.



    b. tagesschau.de 20.5.



    "Vorgehen im Gazastreifen



    Nun rückt auch die Opposition von Netanjahu ab.



    Aus dem Ausland mehrt sich die Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen - und nun greift auch die Opposition die Netanjahu-Regierung scharf an. Ihr gehe es weniger um strategische Ziele, sondern ums politische Überleben."

  • "Bundeskanzler Merz hat Israel in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. Auf einer Veranstaltung des WDR sagte Merz, er könne das Vorgehen der Armee im Gaza-Streifen nicht mehr nachvollziehen. Die palästinensische Bevölkerung derart in Mitleidenschaft zu ziehen wie in den vergangenen Tages, lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen. Wenn das humanitäre Völkerrecht verletzt werde, müsse Deutschland trotz seiner historischen Verantwortung für Israel auch kritische Töne anschlagen".(Quelle: NDR Info).







    O.k. den Eindruck, daß: "Die palästinensische Bevölkerung derart in Mitleidenschaft zu ziehen wie in den vergangenen Tages, lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen"... habe ich schon sehr viel länger.



    Die dt. Staatsräson zum Schutze Israels ist ehrenhaft, rechtfertigt aber keine Kriegsverbrechen. D-Land darf das Vorgehen Netajahus und seiner rechtsextremen Regierung nicht länger unterstützen (und schon gar nicht mit Waffenlieferungen.!!!), denn sonst beteiligt es sich an diesem Verbrechen.



    Andere Länder sind da schon weiter - hier zu Lande müssen wir uns wohl erst noch neu orientieren...

  • Wird auch Zeit. Ich frage mich nur, was Deutschland bei dem Treffen zu suchen hat. Ein Land welches einen Palästinenserstaat ablehnt, immer noch Waffen liefert, einen gesuchten Kriegsverbrecher zum Staatsbesuch einlädt... kann doch in Madrid lediglich als Proxy für israelische Interessen dienen.

    Und das Norwegen sich in Sachen Diplomatie besonders berufen fühlt aufgrund der Osloer Verhandlungen halte ich für ein Gerücht. Norwegen will einfach keine Kriegsverbrechen unterstützen. Das ist eine ethische Komponente. Und das Mittel dafür sind Sanktionen. Dafür wirbt Norwegen in der EU und UN und es wird initiativ.

    Der norwegische Staatsfond stößt schon seit längerem ein israelisches Investment nach dem anderen ab und nimmt dabei hohe Verluste in Kauf.

    Am 4 Juni stehen dazu Abstimmungen im Parlament an über ein Verbot von Geschäftsaktivitäten in Zusammenhang mit israelischen Siedlungen, was einem Importverbot israelischer Produkte gleichkommt, sowie ein Verbot sämtlicher Investments in Israel aus dem Ölfond.

    Diskutiert wird auch der gefasste Beschluss der LO Gewerkschaft v. 8 Mai, der ein vollständiges Handels- und Investitionsverbot mit israelischen Unternehmen vorsieht.

    • @Sam Spade:

      Wenn Deutschland sich außerstande sieht, Sanktionen auf internationaler und europäischer Ebene zuzustimmen, dann müssen sie eben OHNE Deutschland beschlossen werden - hinterher soll sich dann nur niemand über den aussenpolitischen Bedeutungsverlust Deutschlands beschweren, am allerwenigsten der Bundeskanzler.



      Wirtschaftliche Sanktionen und ein Aussetzen der Militärhilfe müssen JETZT erfolgen, um Israel in Gaza zum Einlenken zu zwingen - für diese Maßnahmen gibt es eine Mehrheit unter den EU-Staaten. Also muss es auch umgesetzt werden, auch ohne die Zögerlichen und Israel-Lobbyisten in der EU.



      Meine Erwartung an die deutsche Regierung: den Sanktionen gegen Israel wenigstens nicht im Wege zu stehen, denn andererseits hätte doch jeder Verständnis, wenn Deutschland sich ihnen nicht anschließen möchte.



      Übrigens: die norwegische Haltung dazu müssen Sie nicht verteidigen, die geht vollkommen in Ordnung. Gut auch, dass diese aktuelle Sanktions-Initiative von den Niederländern ausging, so kann niemand behaupten, die angeblich per se israelfeindlichen Iren und Spanier hätten sie angestoßen - es ist ja eine breite europäische Initiative, auch wenn die Konferenz jetzt in Madrid stattfindet.

    • @Sam Spade:

      Und ein Zusatz für die einheimische Leserschaft. Bevor die Handlungsweise Norwegens wieder in der guten Tradition des deutschen Lagerdenkens oder unter dem Aspekt des Antisemitismus betrachtet wird.

      Norwegen gehörte seit Gründung Israels zu deren größten Unterstützern. Politisch, finanziell und besonders in Sicherheitsfragen. So war es Norwegen das nach Weigerung der USA damals Israel das schwere Wasser für den Bau seiner Atombombe geliefert hat. Das geschah aus dem speziellen Blickwinkel der damaligen Zeit hinsichtlich der Existenz Israels.

      Es waren auch norwegische Vermittlungen die Israel bei den Oslo Verhandlungen grosse Spielräume eingeräumt haben, z.B. bei der Jerusalem Frage. Damals hielt man aus norwegischer Sicht einen unvollkommen Frieden besser als den Kriegszustand.

      Es war aber auch Norwegen, welches Israel immer wieder dazu aufgefordert hat, die völkerrechtszentrierte Ordnung einzuhalten.

      Der permanente Verstoß gegen diese Ordnung sei es im Westjordanland oder jetzt in Gaza hat dann die jetzigen Konsequenzen nach sich gezogen. Und die wurden unter dem Aspekt der Menschenwürde konzipiert und stießen auf breite Zustimmung bei der Bevölkerung.

      • @Sam Spade:

        Die PLO mit Abbas haben diesen Frieden hier abgelehnt: upload.wikimedia.o...n_map_original.png

        Das Problem war nicht Israel, welches Frieden of genug angeboten hat. Das Problem war Abbas der (aus Angst) keinen Frieden schließen wollte und die Hamas mit ihren Unterstützer*innen, welche einen jeglichen Frieden ablehnen.

      • @Sam Spade:

        Im Grunde zieht ja Norwegen auch nur die rechtlichen Konsequenzen die alle spätestens seit dem Gutachten des IGH bezüglich der Besatzung hätten ziehen müssen, aber auch aus der Verfügung von vorläufigen Maßnahmen durch den IGH, die definitiv in puncto Hilfslieferungen nicht eingehalten werden. Ich wünschte mir alle würden konsequent Völkerrecht umsetzen und hätten schon längst Maßnahmen ergriffen anstatt immer nur Appelle an eine Regierung zu richten, welche mehr als deutlich zeigt das sie das sowieso nicht sonderlich interessiert. Mal abgesehen davon, dass es wegen dem Siedlungsbau schon lange hätte Konsequnezen geben müssen.



        Ich denke auch, dass das Assoziationsabkommen der EU mit Israel durch den Europäischen Gerichtshof bezüglich des IGH- Gutachten und der daraus entstehenden Verpflichtungen für Drittstaaten geprüft werden sollte, ob das so wie es derzeit existiert noch mit Völkerrecht vereinbar ist.

  • Endlich!!!