Humanitäre Lage im Gaza-Krieg: Erneut Tote bei Essensausgabe im Gazastreifen
Wieder sterben über 20 Menschen nahe eines Verteilungszentrums für Hilfsgüter. Derweil ordnet das israelische Militär weitere Evakuierungen an.
Zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen wurden im Gazastreifen nahe einer Ausgabestelle von Hilfsgütern Menschen verletzt und getötet – wieder bei der südlichen Stadt Rafah, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtet. Nach Angaben des Roten Kreuzes und des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums starben 27 Menschen durch Schüsse.
Das israelische Militär bestätigte: Man habe „Warnschüsse“ abgegeben, die Menschen seien von der vorgegebenen Route abgewichen. Am Sonntag gab es bereits einen ähnlichen Zwischenfall: Mehr als 20 Menschen wurden getötet, über 100 verletzt, als sie versuchten einen Ausgabepunkt für Hilfen nahe Rafah zu erreichen.
Der New York Times zufolge tötete auch sie das israelische Militär, nach eigenen Angaben ebenfalls durch „Warnschüsse“. Laut des Sprechers des Zivilschutzes im Gazastreifen ereigneten sich beide Vorfälle an derselben Stelle, einem Kreisverkehr einige Hundert Meter entfernt von einem Verteilungszentrum der Gaza Humanitarian Foundation (GHF).
Schon bevor die Organisation vergangene Woche mit der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen begann, gab es starke Kritik: Deren Pläne entsprächen nicht humanitären Standards. So gibt es etwa im ganzen Gazastreifen nur vier Verteilzentren, drei davon ganz im Süden an der Grenze zu Ägypten, das vierte befindet sich südlich von Gaza-Stadt. Zum Vergleich: Die Vereinten Nationen betreiben Hunderte, in ganz Gaza verteilt. Alle GHF-Zentren liegen in Zonen, aus denen das israelische Militär eigentlich bereits zur Evakuierung aufgerufen hat.
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.
Ausweiskontrolle und Augenscan
Die Menschen müssen laut lokalen Berichten Hunderte Meter durch einen schmalen Korridor laufen, von beiden Seiten mit Metallzäunen begrenzt. An deren Ende angekommen, werden ihre Ausweise geprüft, nach Bericht von Al Jazeera auch die Augen gescannt. So soll überprüft werden, wer ein Recht auf Hilfsgüter hat – offenbar liegen der GHF dazu entsprechende Bevölkerungsdaten vor.
Danach werden die Hilfsgüter, abgepackt in Paketen, verteilt. Lokalen Berichten zufolge befinden sich darin unter anderem Konserven wie Bohnen, Kekse, Mehl und Nudeln. Videos in den sozialen Netzwerken zeigen teils auf Hebräisch und Arabisch bedruckte Packungen.
Derweil wächst die vom israelischen Militär zur Evakuierung aufgerufene Zone weiter an. Am Montagabend teilte der arabischsprachige Sprecher Avichay Adraee eine entsprechende Anordnung auf X: In zwei weiteren Blöcken, im Westen der Stadt Khan Younis, werde das Militär mit „großer Stärke“ vorgehen.
Nach Schätzung des Militärs halten sich in der Region Al-Mawasi, zu der auch Khan Younis gerechnet wird, etwa 700.000 Menschen auf, zum Großteil Binnenvertriebene. Ende Mai hatte das Militär erklärt, 75 Prozent der Fläche des Gazastreifens in den kommenden beiden Monaten einnehmen zu wollen, aktuell kontrolliert es bereits mehr als 40 Prozent.
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