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Chinesische Stahlfirma ausgebootetLabour auf der Jagd nach Koks

Die britische Regierung übernimmt die letzten Stahlwerke im Land. Damit will sie nicht nur Arbeitsplätze sichern. Es geht um viel mehr.

Hauptsache, der Ofen bleibt heiß: Der britische Wirtschaftsminister hat im Stahlwerk Scunthorpe nun das Sagen Foto: AP

London taz „ |Sabotage“ war das ausschlaggebende Argument. Die letzten beiden britischen Stahlwerke im nordostenglischen Scunthorpe gehören dem chinesischen Unternehmen Jingye – und dieses soll versucht haben, die Hochöfen zu zerstören, indem es nicht mehr genug Koks orderte – erkaltete Öfen sind technisch kaum wieder anfahrbar. Deshalb hat die britische Regierung in einer außerordentlichen parlamentarischen Sitzung am Samstag die Verwaltung übernommen, während Jingye nur noch namentlich Besitzer ist.

Am dringendsten ist es nun, Koks-Nachschub zu sichern. Am Montag teilte die Regierung mit, zwei Frachtladungen seien von der nordenglischen Küste in Immingham aus unterwegs und würden in den nächsten Tagen Scunthorpe erreichen. Eine dritte Ladung liege vor Afrika.

Das Werk macht täglich einen Verlust von umgerechnet 810.000 Euro. Dass die Regierung es retten will, liegt nicht nur daran, dass es rund 2.700 Arbeitsplätze direkt und bis zu 35.000 indirekt sichert. Stahl galt einst als Herz des britischen Empires, hat also hohen symbolischen Wert.

Mindestens ebenso wichtig dürfte die Versorgungssicherheit sein. Viele Branchen sind auf Stahl angewiesen: Bauwesen, Verkehr, grüne Energie – und nicht zuletzt die Rüstungsindustrie. Das Vereinigte Königreich produziert schon jetzt relativ wenig Stahl – 2021 waren es 7,2 Millionen Tonnen, Frankreich etwa kam auf 13,9 und Italien auf 24,4 Millionen Tonnen. Ohne Hochöfen wäre das Land komplett auf Importe angewiesen – was angesichts der aktuellen Zollkonflikte nicht leichter werden dürfte.

Chinas Interessen

Roy Rickhuss, Generalsekretär der Gewerkschaft CTU, sagte der BBC, Jingye habe nur die Stahlweiterverarbeitung halten wollen, um damit chinesischen Stahl zu bearbeiten. Regionalbürgermeister Ben Houchen hatte Jingye vorgeschlagen, an anderer Stelle zwei grüne Brennöfen zu bauen, das hatte Labour abgewiesen, weil sie die lieber in Scunthorpe sehen wollen. Luke de Pulford von der Lobbygruppe Inter-Parliamentary Alliance on China sagte der taz: „Es gibt kein Land, das immun gegenüber der Praxis der Chinesischen Volkspartei ist.“ Er warnte, dass auch Deutschland abhängig sei und „wichtige kritische Infrastruktur aus boshaften chinesischen Investitionen lösen“ müsse.

Die chinesische Botschaft sagte, sie verfolge die Entwicklungen eng und forderte London auf, „fair, unparteilich und ohne Diskriminierung zu handeln“, um die legitimen Interessen Jingyes zu schützen. Dass britische Stahlfirmen in der Krise seien, sei eine objektive Tatsache.

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2 Kommentare

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  • Da steht jetzt nicht dabei wieviel Deutschland produziert, aber ich vermute mal viel?



    Wäre jetzt echt praktisch für die Briten wenn man doch irgendwie mit den Festland Ländern nebenan in so einer Art Gemeinschaft organisiert wäre und dann dort sicher einkaufen könnte. Das wären 800.000 Verlust pro Tag die man nicht hätte.



    Und da die ja noch deutlich mehr Probleme haben, ne Eisenbahn Gesellschaft und ein Wasserversorger sind ja auch grad mal wieder pleite, wäre das ein oder andere Problem weniger zu haben, vermutlich auch nicht so schlecht.

    Was macht der Boris eigentlich heutzutage? Haben die den mit Mistgabeln und Fakeln aus dem Land verjagt weil er die so in die irre geführt hat? Nicht? Vielleicht ist genau dass das Problem heutzutage, -keine Konsequenzen, nicht mal für die die ein ganzes Land veräppelt haben.

  • Miese Steuermittelverschwendung.



    Lasst die Sache doch durch die Chinesen betreiben und lässt immer mal nachschauen, ob die Anlagen noch stehen. GB braucht Stahl? Anscheinend nicht, sonst würde man Gewinne machen.