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Krieg in der UkraineWeitere EU-Sanktionen gegen Moskau in Arbeit

Nach russischen Angriffen auf die nordukrainische Stadt Sumy am Sonntag wollen EU-Außenminister den Druck auf Moskau erhöhen. Die Zahl der Toten steigt auf 35.

Ein Gebäude in Sumy nach dem verheerenden Angriff vom vergangenen Sonntag Foto: REUTERS/Sofiia Gatilova

Berlin/Brüssel taz | „Meine Großmutter, die beste Oma der Welt, ist gestorben. Sie war mit dem Bus unterwegs, um für Ostern einzukaufen … ich finde keine Worte. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich die Welt ohne ihre Umarmungen, ihre Witze und ihre Sorge um die leckersten Schnitzel weiterdrehen wird. Sie ist mein Vorbild, meine Inspiration, meine liebe Oma … das ist ein großer Schmerz für unsere ganze Familie“, schreibt eine junge Frau, die in Sumy lebt, auf Instagram.

Die nordukrainische Stadt war am Sonntagmorgen Ziel russischer Angriffe geworden. Angaben des Staatlichen Dienstes für Notfallsituationen (GSTchS) vom Montag zufolge waren bei den Luftschlägen mit zwei ballistischen Raketen – davon eine bestückt mit Streumunition – mindestens 35 Menschen – darunter zwei Kinder – getötet sowie 119 Personen verletzt worden – davon viele schwer. Unter den Verletzten sollen 15 Kinder sein. Ziel der Luftschläge war die staatliche Universität Sumy im Zentrum der Stadt. Dort hatten sich viele Ukrai­ne­r*in­nen versammelt, um an Feiern zum Palmsonntag teilzunehmen.

Laut des ukrainischen Geheimdienstes seien an dem Angriff die 112. und die 448. Raketenbrigade beteiligt gewesen, die in den russischen Gebieten Woronesch und Kursk stationiert sind. Die erste Rakete sei im Kongresszentrum eingeschlagen, in dessen Keller 40 Minuten später ein Theaterstück für Kinder hätte beginnen sollen. Drei Minuten später habe eine zweite Iskander-M-Rakete eine belebte Kreuzung getroffen.

Am Sonntagabend hatte der ukrainische Präsident Selenskyj in einem Interview mit dem US-Sender CBS News US-Präsident Trump zu einem Besuch in die Ukraine eingeladen. „Bevor Sie Entscheidungen treffen oder Verhandlungen planen, kommen Sie und schauen Sie sich die Menschen, die Zivilisten, die Soldaten, Kinder, Krankenhäuser, Kirchen an, die gestorben sind oder zerstört wurden. Sie werden verstehen, mit wem Sie es zu tun haben. Sie werden verstehen, was Putin getan hat“, sagte Selenskyj.

Schuldzuweisung an Biden

Trump hatte die Angriffe auf Sumy als „schreckliche Sache“ bezeichnet. Wäre er jedoch damals Präsident gewesen, hätten die USA den Ausbruch dieses Krieges niemals zugelassen – eine klare Schuldzuweisung an die Adresse seines Amtsvorgängers Joe Biden.

Als Reaktion auf den russischen Angriff auf Sumy will die EU den Druck auf Russland erhöhen und die Arbeiten am nächsten Sanktionspaket vorantreiben. Dies sagten Diplomaten und Außenminister bei einem EU-Treffen am Montag in Luxemburg. „Ich denke, wir müssen maximalen Druck auf Russland ausüben, um diesen Krieg wirklich zu beenden, denn es braucht zwei, um Frieden zu wollen“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Das 17. Sanktionspaket sei in Arbeit.

Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot forderte die EU auf, die „härtesten Sanktionen“ gegen Russland zu verhängen, um die Wirtschaft zu schwächen und das Land daran zu hindern, den Krieg fortzusetzen. Empört zeigte sich auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. „Verstärkter Schutz der Ukraine ist Friedenspolitik“, sagte die scheidende Grünen-Politikerin. Je breiter die Unterstützung weltweit sei, desto wahrscheinlicher sei es, dass man einer Friedenslösung näher komme.

Warnung vor Eskalation

Unterdessen warnt der Kreml vor einer Eskalation in der Ukraine. Dazu könne es kommen, wenn Deutschland die seit Langem diskutierte Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an Kyjiw veranlasst, warnte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag vor Journalisten in Moskau.

Der voraussichtlich neue Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Sonntag in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ auf die Frage, ob er Taurus liefern würde, geantwortet, er habe „immer gesagt, dass ich das auch nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde“. Einige europäische Außenminister signalisierten Zustimmung. „Das wäre ein ganz wichtiges Signal, wie Europa in dieser Situation steht“, sagte der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp in Luxemburg. Sein polnischer Amtskollege Radosław Sikorski nannte Merz’ Angebot „sehr gut“.

Mitarbeit: Anna Klochko

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5 Kommentare

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  • Sanktionen helfen nur dann, wenn sie auch tatsächlich durchgesetzt werden. Gerade in dieser Ausgabe der TAZ heute ist von der Umgehung des russischen Holzimportes zu lesen. Exportiert nach Russland wird jedoch genauso ungeniert über Drittländer und die Gewinne der hiesigen Industrien sind kaum berührt, wenn nicht gar gestiegen. Die einzige (!!) Möglichkeit diese rücksichtslose Geschäftemacherei, diesen Verrat zu unterbinden ist scharfe Kontrolle, konsequente Beschlagnahmung der Waren und Gewinnabschöpfung. Dafür aber muss man sich etwas einfallen lassen und - der Lobby entgegentreten. Und genau das wird weder ein europäischer Regierungschef oder gar die EU-Kommissin wagen. Da bleiben die lieber bei entrüsteten Sonntagsreden und tiefster Heuchelei. Das kostet weder Gewinne noch lukrative Pöstchen.

  • Die Tauruskommentare von Merz sind leider wieder sehr populistisch. Selbst Hardliner wie Pistorius sprechen sich dagegen aus. Wenn Merz Kanzler wird und die entsprechende Verantwortung hat, würde er wohl kaum ernsthaftes Interesse haben Taurus zu liefern.

  • Die US-Militärhilfe für die Ukraine steht kurz vor dem Aus.



    Ist Europa bereit?

    David Shimer/www.theguardian.co...ukraine-russia-war

    Putin plant die Fortsetzung des russischen Gemetzels in der Ukraine -- Putin führt keinen strategischen Krieg, sondern er terrorisiert das Nachbarland.

    Für die europäischen Unterstützer der Ukraine stellen sich zwei zentrale Fragen: Wie kann die Ukraine eine Kombination aus eigener Waffenproduktion, europäischer Sicherheitshilfe und dem Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse mit den USA aufrechterhalten? Und wie lässt sich diese Unterstützung am besten finanzieren?

    Die Verharmlosung Putins aus Teilen des sehr rechten wie sehr linken Lagers in Deutschland und in Europa – solche Dinge haben zuletzt zu häufig davon abgelenkt, dass dieser Krieg keine abstrakte geopolitische Verhandlung über Weltordnungen und Grenzziehungen auf einer Landkarte ist. Sondern ein in seinem ganzen Wesen ungerechter, brutaler Angriff auf ein europäisches Land.

  • Schrecklich! Die armen Zivilisten...

    Bei allem Schock gilt aber auch zu bedenken und zu berichten: Ein Iskander-Marschflugkörper kostet etwa 2 Millionen Euro und ist nichts, was man mal einfach so irgendwohin schießt, um Zivilisten zu massakrieren. Dafür nimmt der Russe Gleitbomben, Artillerie oder günstige S300.



    Die haben also etwas beschossen und vermutlich getroffen, denn das ist ein modernes System mit hoher Genauigkeit. Das Treffen eines wertvollen Ziels ist ja meistens der Sinn, auch wenn die andere Seite im Krieg immer das Gegenteil behauptet. Die Russen sagen, dass sie Generäle und Offiziere beschossen haben.



    Das rechtfertigt in keiner Weise tote Zivilisten, gehört aber zur Berichterstattung dazu.

    • @Petzi Worpelt:

      Terror ist das Ziel. Es geht darum die Ukraine als Staat zu vernichten eine erneute Massenflucht würde Russland massiv helfen den Krieg zu gewinnen.