Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Jetzt soll es die Schlichtung richten
Die Verhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind vorerst gescheitert. CDU-Mann Roland Koch übernimmt den Schlichtungsvorsitz.

„Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Bis kurz vor dem Erklären des Scheiterns der Verhandlungen durch die Arbeitgeberseite habe es immer neue Lösungsvorschläge von den Gewerkschaften gegeben. Volker Geyer, der Verhandlungsführer des Deutschen Beamtenbunds, warf den Arbeitgebern vor, sie hätten „mit viel Verzögerung und destruktiver Energie einen Kompromiss verhindert“.
Bund und Kommunen seien den Gewerkschaften „sehr weit entgegengekommen“ und „bis an die Grenze dessen gegangen, was wir für die öffentlichen Haushalte verantworten können“, beteuerte demgegenüber Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die die Verhandlungen für den Bund führt. „Aber die Gewerkschaften waren nicht zu weiteren Kompromissen bereit“, so Faeser.
„Wir müssen einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Funktionsfähigkeit der kommunalen Einrichtungen und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor weiteren finanziellen Belastungen schaffen“, sagte die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). „Die Gewerkschaften haben uns leider eine Möglichkeit verwehrt, diesen ausgewogenen Weg zu finden.“
Mickriges Angebot der Arbeitgeber
Ursprünglich forderten Verdi und Beamtenbund unter anderem eine Tariferhöhung um 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat, sowie drei zusätzliche freie Tage. Die Arbeitgeberseite hat ihr erst in der dritten Verhandlungsrunde vorgelegtes Angebot bislang nicht öffentlich gemacht. „Was wir auf den Tisch gelegt haben, wären echte, spürbare Verbesserungen und Entlastungen für die Beschäftigten“, gab Innenministerin Faeser nur an. „Wir haben Entgelterhöhungen vorgeschlagen, die zum Teil über den jüngsten Tarifabschlüssen von Ver.di in anderen Branchen liegen.“
Aus Verhandlungskreisen durchgesickert ist, dass die Arbeitgeberseite ein Angebot für eine Entgelderhöhung von insgesamt 5,5 Prozent unterbreitet hat – allerdings verteilt auf drei Schritte über drei Jahre. Konkret hätte das bedeutet: 2 Prozent mehr ab Oktober 2025, weitere 2 Prozent ab Juli 2026 und schließlich 1,5 Prozent ab Juli 2027. Für die Beschäftigten würde das einen Reallohnverlust bedeuten, da eine solch gestaffelte Gehaltssteigerung unter der Inflationsrate bleiben würde. Eine Mindestlohnerhöhung um einen festen Betrag, von der vor allem Beschäftigte mit niedrigerem Einkommen profitieren würden, sollen die Arbeitgeber kategorisch abgelehnt haben.
Jetzt beginnt die Schlichtung. Das heißt auch, dass ab Donnerstag die Friedenspflicht gilt, mit der Warnstreiks bis zum Ende der Verhandlungen über ein Schlichtungsergebnis ausgeschlossen sind. Unter der Vermittlung von Hessens Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und dem früheren Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) müssen die Tarifparteien nun eine Einigungsempfehlung ausarbeiten. Diese könnte ab Ende März oder Anfang April vorliegen. Sie ist aber nicht bindend.
Der Schlichtungskommission gehören je zwölf Vertreter:innen von Arbeitgebern und Gewerkschaften an. Spätestens eine Woche nach ihrem Zusammentritt muss sie eine Einigungsempfehlung abgeben. Ein Vorteil für die Arbeitgeberseite: Den Kommissionsvorsitz hat turnusgemäß der von ihnen benannte Roland Koch, der bei einem Patt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften den Ausschlag geben könnte.
Falls die entscheidende Stimme von Schlichter Koch kommen sollte, könnte das für den weiteren Verlauf jedoch nicht unbedingt förderlich sein – schließlich müssen letztlich alle Seiten zustimmen. Nachdem die Schlichtungskommission ihr Einigungsempfehlung beschlossen hat, muss sie binnen 24 Stunden den Tarifparteien zugehen, die wiederum innerhalb von drei Tagen die Verhandlungen auf dieser Grundlage wieder aufnehmen müssen.
Bis zum Ende dieser Verhandlungen gilt die Friedenspflicht. Gelingt auch dann noch keine Einigung, können die Gewerkschaften die Urabstimmung einleiten – mit der Option auf einen unbefristeten Streik. Ob es soweit kommt, ist derzeit noch völlig offen.
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