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Geiselübergabe in GazaGruseliges Spektakel

Lisa Schneider
Kommentar von Lisa Schneider

Bei der Übergabe der toten Geiseln zeigt die Hamas einmal mehr ihr wahres Gesicht. Eine friedliche Koexistenz mit den Terroristen ist illusorisch.

Widerwärtige Inszenierung: Vor hunderten Schaulustigen übergibt die Hamas die Leichen von vier getöteten israelischen Geiseln Foto: reuters

D ie Fläche der Bühne, auf der die Hamas und andere militante Palästinensergruppen am Donnerstag vier Särge präsentieren, wird bis zum letzten Zentimeter für Propaganda genutzt. Vorne an der Bühne sind Raketenattrappen montiert, darauf steht „Sie wurden von US-Bomben getötet“. Davor ein Banner mit einem Bild getöteter israelischer Soldaten und der Aufschrift „Die Al-Aqsa Flut (die Anschläge vom 7. Oktober 2023, Anm. d. Red.) war unser Versprechen“.

Links neben der Bühne ein Banner mit der Überschrift „Zionistischer Nazismus in Zahlen“, hinten der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu als Vampir, rechts ein weiteres Banner, mit der Aufschrift „Die Rückkehr des Krieges = die Rückkehr eurer Gefangenen in Särgen“. In den Särgen liegen ein Säugling und ein Kleinkind. Auch die getötete Mutter der beiden Kinder sollte übergeben werden, doch später stellt sich heraus, dass es sich bei der Leiche nicht um die vermisste Schiri Bibas handelt. Allesamt waren sie unschuldig, im wahrsten Sinne des Wortes.

Die vierte Leiche ist die von Oded Lifshitz, der zur Zeit der Entführung 83 Jahre alt war und stets an Frieden mit den Palästinensern glaubte. Allein das zu wissen reicht, um mit Antipathie, Wut oder auch Hass auf die vermummten Kämpfer zu blicken. Die Hamas denkt, dass die Inszenierung ihrer Sache dient. Das Gegenteil ist der Fall. Die Hamas und die anderen Milizen machen nicht nur deutlich, was sie von den Geiseln und den Israelis auf der anderen Seite des Grenzzauns halten: Nazis, zu Recht ermordet.

Sie machen auch deutlich, dass sie weiterhin bereit sind, Leid und Tod über ihr eigenes Volk im Gazastreifen zu bringen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende sagte der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Muhammad Mustafa, in ungewöhnlicher Deutlichkeit: „Die Hamas sollte nicht an der Macht sein, Punkt“. Und: „Sie hätte niemals den Gazastreifen übernehmen dürfen“.

Stärkung für die Autonomiebehörde

Was er so klar sagt, muss Realität werden. Die Palästinenser selbst müssen endlich die Kräfte aus ihrer Mitte, die ihrer gerechten Sache – einem eigenen Staat in friedlicher Koexistenz mit Israel – im Weg stehen, entfernen. Sie müssen dabei endlich selbst konsequent vorgehen. Wer das auch möchte, muss ihr diesen Raum geben: So geht etwa die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump Gelder für den Sicherheitsapparat der Autonomiebehörde zu streichen, in die völlig falsche Richtung.

Aber auch die Hamas und ihre Verbündeten – der NATO-Staat Türkei und der westliche Partner Katar – müssen endlich konsequent unter Druck gesetzt werden. Was die Alternative ist, erläutern sowohl Netanjahu in seinen Reden, als auch die Hamas auf ihrem Banner: Krieg – und noch mehr Särge, die nach Israel zurückgebracht werden.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika.
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15 Kommentare

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  • Habe hier auch schon öfters so argumentiert, aber dann heißt es gerne von anderen Foristen, entweder, leider könnten die armen Palästinenser nichts gegen die Terroristen on ihrer Mitte unternehmen, oder es wird gleich mit der „israelischen Schuld“ argumentiert. So, als wenn die Hamas gar keine andere Wahl hätten, als generell menschenverachtend zu agieren. Wenn die Narrative dann noch wohlmeinenden Journalisten hierzulande als Verteidigungsargument für den permanenten Antisemitismus in Berlin gebracht werden, könnte man schon wütig werden.

  • Allein die Tatsache, dass die sterblichen Überreste von Geiseln überhaupt von Hamas als "Verhandlungsmasse" missbraucht werden, spricht für sich.

    Aber Hamas findet anscheinend immer noch Wege, um moralisch noch tiefer zu sinken als man als normal denkender und normal fühlender Mensch sich jemals vorstellen konnte.

  • So lange es die Hamas gibt, werden die Palästinenser leiden. Es wäre längst an der Zeit, dass das Volk selbst tätig wird und diesen fanatischen Hassern ein Ende setzt.

  • Vielen Dank Lisa Schneider, die tiefen Grauen welche Hamas ausmachen bleiben leider zu oft in Presse verborgen.

  • Solange die Begriffe "Alles oder Nichts!", "Vernichtung" und "Rache" die Handlungsmaxime und Erziehungsgrundlage beider Seiten darstellen, wird dieser Konflikt nicht enden, Punkt.

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      „Beider Seiten“? Merken Sie noch was? Die Vernichtung Israels ist die Maxime der Hamas. Und damit meint sie nicht diese Regierung sondern den gesamten Staat und seine Bewohner. Das trifft umgekehrt auf Israel nicht zu; Ihr Kommentar ist daher absolut deplatziert.

  • """..........friedliche Koexistenz........"""(?)



    ===



    Das Hamas nicht dazu bereit ist eine friedliche Koexistenz auch nur mit irgendjemandem einzugehen -- ist bereits seit dem 7.Oktober die einzig mögliche politische Interpretation des Massakers.

    Die Inszenierung des Geiselaustausches durch Hamas und der widerwärtige -- genauso wie der extrem hinterhältige Betrug hinsichtlich der Austauschmodalitäten beim Austausch toter Geiseln -- ist die Bestätigung, das Hamas über das Massaker vom 7. Oktober hinaus ihren Vernichtungskurs durch blinden Terror beibehält --- und noch weiter bis zum Unvorstellbaren verschärfen möchte.

    Damit stellt Hamas ernsthaft die Existenz von Palästinensern in den Ländern des Nahen Ostens in Frage - in welcher politischen Organisation auch immer - und das nicht nur in Gaza, in der Westbank und anderswo.







    Hamas möchte keine Koexistenz -- völlig egal wo und wie.

  • Die Hamas ist eine Terrororganisation, sie lebt vom Terror und sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr Ziel die Vernichtung Israels und der Juden ist. So richtig er Artikel oben ist, so fragwürdig finde ich es, dass man anscheinend erst jetzt zu dieser Erkenntnis kommt. Mit der Hamas wird es keinen Frieden geben, Punkt. Es ist so offensichtlich, dass es hier keine zwei Meinungen geben darf möchte man meinen. Die Realität sieht leider anders aus, da wird die Hamas verherrlicht, auch und gerne von sich selbst linksverstehenden Menschen, und gleichzeitig so getan als würde Israel aus der selben genozidalen Motivation heraus handeln wie die Hamas. Es ist zum verrückt werden.

  • Vorgestern habe ich ja noch den Kommentar von Lisa Schneider sehr scharf kritisiert. In diesem Fall: Danke für die klaren Worte!

  • Zitat: „Die Hamas sollte nicht an der Macht sein, Punkt“. Und: „Sie hätte niemals den Gazastreifen übernehmen dürfen“.

    Hier der Wikipedia-Text zu dem, wie das geschah:

    2006, ein Jahr nach Israels Rückzug aus dem Gazastreifen, erhielt die Hamas bei den bislang letzten freien Parlamentswahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten die Mehrheit der Wählerstimmen im Gazastreifen.

    Die Bewohner in Gaza hatten schon mal die Wahl.

    • @Benzo:

      Vor der Wahl und nach der Wahl hat Hamas dann exzessive Gewalt genutzt um die Macht an sich zu reißen die ihr nach Verfassung so nicht zugestanden hat.

    • @Benzo:

      Guter Beleg für irreführende Darstellungen auf Wikipedia, die von naiven Menschen ohne Rücksicht darauf, ob die Behauptung überhaupt belegt ist, (das sehen Sie an der Referenzziffer daneben), das sieht man an als Tatsache übernommen wird. Und jetzt können Sie die richtigen Informationen zu den Stimmenverhältnissen 2006 heraussuchen, und hier korrigierend wiedergeben.

    • @Benzo:

      Ja, aber sie hatte diese Wahl nur einmal. Es muss möglich sein später eine andere Wahl zu treffen und das ist ist der Vorzug von Demokratie. Daher ist es auch dann antidemokratisch, wenn mit demokratischen Mitteln Demokratie abgeschafft wird, was Auroritäre wie Trump versuchen und Hamas, Orkan, putin bereits getan haben. Es ist nicht legitim, weil später keine andere Wahl mehr möglich ist. Schon die Gründerväter der USA wussten: Man kann sich nicht selbst seine politischen Rechte nehmen. Autoritarismus hat keine Legitimation, auch nicht wenn sie demokratisch entstanden ist. Es muss die Möglichkeit geben erneut politisch teilzuhaben und auch künftige Generationen. Daher ist die Hamas illegitim. Daher ist putin illegitim. Und Trump wird in 4 Jahren illegitim an der Macht sein, wenn er nur mittels ausgehöhlter Demokratie an der Macht verbleibt. Seine Entscheidungen mögen mangelnds demokratischer Checks und balances (die er gerade beseitigt) schon vorher illegitim da undemokrstisch zustandegekommen sein.

    • @Benzo:

      Vor 18 Jahren, Meinungen und Ansichten können sich auch ändern.



      Für mich ist die Hamas allerdings nicht die Ursache des Konfliktes sondern die Folge. Solange man nicht die Ursachen für den Konflikt löst, wird es immer wieder Menschen geben, die den Weg der Gewalt gehen werden.

    • @Benzo:

      Sehr richtig. Und wer die Wahl hat, muss auch die Folgen tragen (können).



      Wie auch schon oft festgestellt: Die Hamas hätte die Möglichkeit gehabt, einen friedlichen Weg einzuschlagen (unter Anerkennung des Existenzrechtes Israels) und die vielen Milliarden an Aufbauhilfe (u.a. von EU und UN) in eine wirkliche und nachhaltige Entwicklung von Gaza stecken können (in der Sache hat Hr. Trump mit der "Rivera des Nahen Ostens doch recht), anstatt damit sinnlos Tunnel zu bauen, Waffen anzuschaffen und das eigene Klientel (also Terroristen) zu bezahlen.