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CDU gewinnt BundestagswahlKlarer Sieg – unklare Zukunft

Die Union hat die Bundestagswahl deutlich gewonnen und will nun schnell eine neue Regierung bilden. Denn die Herausforderungen sind groß.

Endlich an Ziel? Am Wahlabend konnte das mittelmäßige Ergebnis die Laune des künftigen Kanzlers nicht trüben Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

Als um 18 Uhr in der CDU-Zentrale die erste Prognose auf einem riesigen Screen erscheint, herrscht dort für einen kurzen Moment Schockstarre. „CDU 22,5 Prozent“, sagt der Moderator der ARD. Erst dann zählt er die 6,5 Prozent dazu, die die CSU in Bayern geholt hat. Jetzt ist klar, was sich seit Wochen abzeichnet: Die Union ist der Gewinner dieser vorgezogenen Bundestagswahl.

Nach nur gut dreijähriger Unterbrechung wird die CDU wieder ins Kanzleramt einziehen – mit Friedrich Merz, 69, dem katholischen Hobbyflieger aus dem Sauerland, dem jede Regierungserfahrung fehlt, der aber in der Wirtschaft Millionen gemacht hat.

Im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses ist es eng, überall stehen Kameras, nicht nur deutsche, auch viele internationale Medien sind gekommen, um Bilder vom künftigen Kanzler einzufangen. Als sich der schwarze Balken auf dem Screen dann ganz nach oben schiebt, brandet Applaus auf, Mitglieder der Jungen Union halten Schilder hoch, „Team Merz“ steht drauf.

Den Zeitdruck, den sich die Union angesichts von Wirtschaftslage und aufgeheizter Stimmung in der Gesellschaft selbst auferlegt hat, hat der neue US-Präsident Donald Trump in den letzten zehn Tagen noch einmal erhöht.

Aber schnell sieht man auch nachdenkliche Gesichter. Das mag daran liegen, dass die Union deutlich hinter dem Ergebnis bleibt, das sie sich zwischenzeitlich erhofft hatte – und wofür sie sogar dieses waghalsige Manöver gestartet hatte, im Bundestag einen rein symbolischen Antrag in Sachen Migrationspolitik gemeinsam mit der AfD durchzubringen.

Eine persönliche Schmach

Die obere Hälfte der Dreißiger könne man erreichen, hatte Merz zwischenzeitlich gesagt, manch anderer wollte sogar eine absolute Mehrheit nicht mehr ausschließen. Nun könnte es sein, dass die Union mit Merz an der Spitze das zweitschlechteste Ergebnis einfährt, dass es für sie je gab. Und damit noch deutlich hinter dem niedrigsten Wert bleibt, den sie unter Angela Merkel bei einer Bundestagswahl hatte. 32,9 Prozent waren es 2017. Für Merz wäre das wohl eine persönliche Schmach.

Schon kurz nach 18.30 Uhr, die erste Hochrechnung ist soeben erschienen, reklamiert Merz den Sieg für sich. „Wir haben diese Bundestagswahl gewonnen“, sagt der CDU-Mann, der gemeinsam mit dem gesamten Partei-Präsidium und auch CSU-Chef Markus Söder auf die Bühne gekommen ist. Er wisse um die Dimension der Aufgabe, die nun vor ihn liege. Zu möglichen Koalitionspartnern sagt Merz nur so viel: Man habe einen harten Wahlkampf geführt, „aber jetzt werden wir miteinander reden“. Mit wem, bleibt offen.

Weil Merz eine Zusammenarbeit mit der extrem rechten AfD ausgeschlossen hatte, bleibt an diesem Abend lange unklar, ob ein Koalitionspartner für eine Mehrheit im Bundestag reichen wird. Oder werden dafür zwei gebraucht? Und könnte einer davon doch noch die FDP sein, wenn sie es knapp in den Bundestag schafft?

Aber selbst dann wäre man eigentlich bei einer Viererkoalition, schließlich muss man die eigensinnige CSU gesondert zählen. Das wäre vermutlich ein kompliziertes Bündnis – das den sofortigen und tiefgreifenden Politikwechsel, den Merz im Wahlkampf vor jeder Fernsehkamera angekündigt hat, empfindlich ausbremsen könnte. Sein zentrales Wahlkampfversprechen wäre schnell perdu.

Die Zeit rennt

Merz hatte eigentlich gehofft, als klarer Sieger könne sich die Union den Koalitionspartner aussuchen. Mit SPD und Grüne verhandeln, die beiden gegeneinander ausspielen und die Preise dabei hochtreiben. Doch danach sieht es eher nicht aus. Bis Ostern, so hoffte man bei der CDU, solle der Koalitionsvertrag stehen. Vorbereitet wird die Regierungsübernahme seit Ende des vergangenen Jahres von Generalsekretär Carsten Linnemann und Thorsten Frei, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, zwei Merz-Vertrauten, die beide auch für wichtige Posten in der Regierung gehandelt werden.

Bis zu den Sommerferien will man erste Projekte auf den Weg bringen. Die Menschen sollten schnell merken, dass sich etwas verändere und die Union liefere, hat Merz im Wahlkampf regelmäßig betont. 15 Punkte hat die CDU dafür in einem Sofortprogramm benannt. Das Heizungsgesetz der Ampel etwa will sie abschaffen, die Teillegalisierung von Cannabis auch, der Strom soll billiger und Geflüchtete an der Grenze sollen zurückgewiesen werden. Ob die künftigen Koalitionspartner das mitmachen?

Den Zeitdruck, den sich die Union angesichts von Wirtschaftslage und aufgeheizter Stimmung in der Gesellschaft selbst auferlegt hat, hat der neue US-Präsident Donald Trump in den letzten zehn Tagen noch einmal erhöht. Seitdem ist klar, dass Europa für seine Sicherheit künftig allein sorgen und die Ukraine stärker als bislang unterstützen muss.

Um bei den Verhandlungen darüber überhaupt mitzuspielen, braucht Deutschland schnell eine handlungsfähige Regierung. Und die wiederum braucht eine Menge Geld für die Verteidigung. Ohne neues Sondervermögen oder die Reform der Schuldenbremse wird das nicht gehen. An der Uneinigkeit darüber war die Ampel zerbrochen. Kleiner sind die Herausforderungen seitdem nicht geworden.

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