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Preußen im Zwielicht

Vorwurf der Verschleppung von Raubgutrestitution

Sakrale Kunst aus purem Gold bringt eine der wichtigsten Kultureinrichtungen Deutschlands in Erklärungsnot. Es geht um die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), eine öffentliche Einrichtung, die von Zuwendungen des Bundes lebt. Zum Preußen-Erbe zählt der Welfenschatz: 42 Goldschmiedearbeiten aus adeligem Besitz, die 1935 von Preußen gekauft wurden, bis zu 300 Millionen Euro wert. Aber ob dieser Kauf in der NS-Zeit rechtmäßig war oder ob nicht vielmehr die vorherigen Besitzer – jüdische Kunsthändler – dazu gezwungen wurden, ist strittig. Jetzt aufgetauchte Hinweise lassen eher Letzteres vermuten.

Für ein Restitutionsverfahren wäre die Beratende Kommission NS-Raubgut zuständig. Doch obwohl Bitten, sie anzurufen, offenbar seit April 2024 vorliegen, tat sich bisher nichts. Die SPK verweist auf „noch offene Fragen“, die es zuvor abzuklären gelte. Ansprüche mehrerer Antragsteller seien „nicht ausreichend“ geklärt worden, heißt es in einer Stellungnahme vom Dienstag.

Der Vorsitzende der Beratenden Kommission NS-Raubgut, Hans-Jürgen Papier, verweist hingegen auf die Verpflichtung der SPK, einer Anrufung der Kommission „unverzüglich“ zuzustimmen. Es liege bei Kulturstaatsministerin Claudie Roth (Grüne), dies auch durchzusetzen.

Schweres Geschütz gegen die Preußen-Stiftung feuern die Anwälte der möglichen Erben des Welfenschatzes ab. Die Stiftung würde „unter den Augen von Frau Roth“ eine Restitution „sabotieren“, heißt es aus der Kanzlei von Markus Stötzel. Der Anwalt beantragte Anfang der Woche bei der Kulturstaatsministerin Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu allen die Sache betreffenden Akten im Bundeskanzleramt und bei der SPK.

Schon einmal hat der Welfenschatz die Beratende Kommission beschäftigt. 2014 erklärte sie, der Verkauf 1935 sei nicht verfolgungsbedingt erfolgt. Doch inzwischen sind neue Dokumente aufgetaucht. Danach sollte die jüdische Mitbesitzerin Alice Koch vor einer Flucht aus Nazi-Deutschland in die Schweiz 1.155.000 Mark an „Reichsfluchtsteuer“ zahlen – Geld, das sie nur durch den Verkauf ihrer Anteile am Welfenschatz aufbringen konnte. Klaus Hillenbrand

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