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Streit um WelfenschatzKein Fall von Rückgabe

Preußenstiftung beantragt vor US-Gericht, die Klage von Erben jüdischer Kunsthändler abzuweisen: Der Schatz sei weder NS-Raubkunst noch ein Restitutionsfall.

Gold: Kuppelreliquiarl aus dem Welfenschatz Foto: dpa

Der Welfenschatz soll den Museen am Kulturforum erhalten bleiben und nicht in Umzugskisten verpackt werden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat am Wochenende vor einem US-Bezirksgericht in Washington D.C. Einspruch gegen die geforderte Herausgabe der mittelalterlichen Goldschmiedekunst eingelegt – und die „Abweisung“ der Klage von Erben der früheren jüdisch-deutschen Kunsthändler aus Frankfurt am Main beantragt.

Außerdem, erklärte SPK-Sprecher Ingolf Kern, habe die SPK im Widerspruch dargelegt, dass aus ihrer Sicht ein US-Gericht in der Sache gar nicht zuständig sei. Seit 2008 gibt es Streit zwischen der Stiftung und den Nachfahren um den einst über 80-teiligen legendären Braunschweiger Domschatz. Dieser war nach der Reformation erst vom Welfenhaus, 1929 dann von dem Frankfurter Kunsthändler-Konsortium und 1935 von den Preußischen Museen erworben worden.

Nach Ansicht von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung, ist der Vorwurf der US-amerikanischen Kläger, der Welfenschatz sei von den Nazis unrechtmäßig erworben worden, falsch. „Im Falle des Welfenschatzes sind wir nach intensiven Recherchen zu der Auffassung gekommen, dass es sich nicht um NS-Raubkunst handelt und eine Restitution nicht angemessen wäre“, so Parzinger.

Der SPK-Chef erinnerte daran, dass die Stiftung mit Unterstützung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) den Fall der sogenannten Limbach-Kommission – benannt nach der Vorsitzenden Jutta Limbach – zur Klärung der Rechte vorgelegt hatte. Die Kommission habe nach intensiver Beratung gegen eine Herausgabe votiert. Grundsätzlich, betonte der Präsident, bekenne sich die Stiftung aber „klar und deutlich“ zur Rückgabe von NS-Raubkunst.

Gerichte oft für Kläger

Was in diesem Fall knifflig ist: Die Erben Alan Philipp und Gerald Stiebel, die im Februar 2015 auf Herausgabe vor dem Washingtoner Gericht geklagt hatten, sprechen von einem Restitutionsfall. Ihrer Auffassung nach war der Verkauf des Welfenschatzes im Jahr 1935 durch das jüdische Konsortium für 4,25 Millionen Mark an die Museen im Kontext der NS-Kunstpolitik und unter Zwang erfolgt.

Die Stiftung hält dem entgegen, dass die Händler ab 1929 rund 40 Stücke des Reliquienschatzes veräußerten und 1931 mit der Deutschen Bank als Vertreter der preußischen Museen über den Rest verhandelten und den Preis gültig festlegten – der so auch 1935 bezahlt worden sei.

Markus Stötzel, deutscher Rechtsanwalt, der die US-Kläger vertritt, zeigte sich nach Medienberichten vom Widerspruch der SPK nicht überrascht. Es handele sich um eine gängige Klageerwiderung. Trotzdem forderte er die Stiftung auf, im Dialog mit der Klägerseite „nach Möglichkeiten für eine Lösung zu suchen“. Was sicher ausgelotet werden sollte, haben doch Gerichte oft, wie im Falle der DHM-Plakatsammlung Sachs, sich für die Kläger ausgesprochen.

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2 Kommentare

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  • Die Sachs-Sammlung wurde nicht verkauft. Sie ist nach der Flucht ihres Besitzers beschlagnahmt worden, heißt es. In den Besitz des DHM ist sie nur deswegen gelangt, weil das DHM das DDR-Museum für deutsche Geschichte "beerbt" hat. Diesem wiederum ist die Sammlung nach dem Krieg "übergeben" worden, nachdem sie in einem Ostberliner Keller "entdeckt" worden war. Vermutlich ohne jede Gegenleistung. Der ursprüngliche Eigentümer hat anno 1962 von der Bundesrepublik (!) 225.000 Mark erhalten. Eine Summe, die seinem Erben wohl nicht angemessen schien angesichts des Schätzwertes von rund 4 Millionen Euro. Der Richter sah das offenbar ganz ähnlich.

     

    Wie man den "Fall" des Welfenschatzes mit dem der Sachs-Sammlung vergleichen kann, ist mir ein Rätsel. Die Parallelen beschränken sich ja offenbar darauf, dass sowohl der Welfenschatz als auch die Sachs-Sammlung mal einen jüdischen Besitzer hatte, dessen Erben in den USA leben. Das, allerdings, ist ganz allein noch kein plausibler Grund für eine Restitution. Zumindest nicht in einem sogenannten Rechtsstaat, in dem (zumindest offiziell) vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind und nicht gewisse Gruppen gleicher oder weniger gleich.

  • Ein US-Gericht ist da nicht zuständig - das gilt auch nach US-Recht. Daher sollte hier die Bundesregierung aktiv werden. Genauso wie die US-Regierung (zu recht) bei den vielen Fällen der Verletzung des Haager Rückführungsübereinkommen bei Kindesentführungen durch deutsche Mütter aktiv geworden ist. Alles andere ist Raubrittertum.