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„Wir dürfen uns nicht in erster Linie als Konkurrentinnen sehen“

Isabel Schnabel ist nach Christine Lagarde die wichtigste Frau in der Europäischen Zentralbank. Ein Gespräch über Geldpolitik, Solidarität und Feminismus

Gespräch Patricia Hecht und Beate Willms

Der Eingang ins Gebäude der Europäischen Zentralbank EZB in Frankfurt am Main ist strikt reglementiert, durch zwei Sicherheitsschleusen hindurch geht es ins Innere. Drin ist es kühl, Stahlstreben und viel Glas prägen die Atmosphäre. Aus der 39. Etage, in der Isabel Schnabel ihr Büro hat, wirkt die unten liegende Stadt im blassen Februarlicht weit weg. Erst als die Tür zum Büro geschlossen ist, wird es fast gemütlich. Da wir das Gespräch vier Wochen vor Erscheinen führen und dazwischen eine Zinsentscheidung ansteht, haben wir vereinbart, die aktuelle Politik der EZB außen vor zu lassen.

taz: Frau Schnabel, erinnern Sie sich daran, wann Sie das erste Mal Geld in der Hand hatten?

Isabel Schnabel: Das muss im Grundschulalter gewesen sein. Ich bin mit meinem Taschengeld oft an die Bude gegangen und habe Süßigkeiten gekauft oder Eis am Stiel.

taz: Geld war für Sie einfach Zahlungsmittel, das Ihnen Konsum ermöglicht hat?

Schnabel: Genau. Mein Vater hat allerdings großen Wert darauf gelegt, dass ich früh anfange, mich mit Geld zu beschäftigen, obwohl mich das als Jugendliche gar nicht so sehr interessiert hat. Er hat mir dann später eine Banklehre empfohlen, als ich nach der Schule noch nicht so genau wusste, was ich machen wollte. Eines seiner Argumente war, dass ich lernen sollte, wie man mit Geld umgeht.

taz:­ Hat­ten Sie den Eindruck, er sorgt sich besonders um Sie als Mädchen?

Schnabel: Meinem Bruder hat er den Vorschlag jedenfalls nicht gemacht. Das hat mich schon ein bisschen geärgert. Bei meinem Bruder wurde es eher als selbstverständlich angenommen, dass er mit Geld umgehen kann. Aber am Ende des Tages war die Empfehlung meines Vaters ja vielleicht ein Grund, warum ich in einem männer­dominierten Bereich gelandet bin.

taz: Stimmt es denn, dass sich Frauen zu wenig mit Geld beschäftigen?

Schnabel: Ich glaube schon. Frauen haben im Schnitt eine geringere finanzielle Bildung als Männer. Das ist ein Problem. Es kann dazu führen, dass sie schlechtere finanzielle Entscheidungen treffen und womöglich leichter in eine finanzielle Notlage geraten. Sie sind beispielsweise häufiger von Altersarmut bedroht. Für Frauen ist finanzielle Vorsorge daher besonders wichtig.

taz: Sind Frauen selbst daran schuld, wenn sie finanziell schlechter dastehen?

Schnabel: Es gibt viele strukturelle Gründe wie unterbrochene Erwerbsbiografien aufgrund von Mutterschaft oder der Pflege von Älteren. Außerdem arbeiten Frauen deutlich häufiger in Teilzeit. Solche Faktoren tragen dazu bei, dass Frauen ein niedrigeres Einkommen und eine kleinere Rente haben. Die zu geringe Beschäftigung mit Geldfragen hat auch viel mit dem traditionellen Rollenverständnis zu tun. Aber es gibt eine Eigenverantwortung. Genauso, wie man sich mit der Gesundheit beschäftigt, muss man sich mit den Finanzen beschäftigen. Heute gibt es viele Möglichkeiten, sich zu informieren, zum Beispiel über Podcasts oder Youtube-Kanäle.

taz: Sie selbst bestimmen heute die Finanzierungsbedingungen von 350 Millionen Menschen im Euroraum mit – denn die Aufgabe der EZB ist es, dafür zu sorgen, dass sich die Inflation in Grenzen hält. Von 26 Mitgliedern im Direktorium sind nur zwei Frauen, Christine Lagarde und Sie. Machen Sie eine andere Geldpolitik als Männer?

Schnabel: Die Forschung zeigt, dass sich Männer und Frauen im ökonomischen Bereich durchaus unterschiedlich verhalten. Es kann also schon sein, dass sich Geldpolitik ändert, wenn mehr Frauen in die Gremien kommen. Entscheidend ist die Diversität – auch die Diversität von Sichtweisen und Erfahrungen. Das macht die Entscheidungen robuster.

taz: Was genau machen Frauen in Finanzentscheidungen anders als Männer?

Schnabel: Frauen sind in ihren finanziellen Entscheidungen risikoscheuer und haben eine größere Angst vor Verlusten. Das führt beispielsweise dazu, dass sie weniger am Aktienmarkt investieren und dadurch geringere Renditen erzielen. Frauen trauen sich bei Finanzentscheidungen auch weniger zu. Die Verbesserung der finanziellen Bildung wäre daher für Frauen besonders wichtig.

taz: Gibt es eine feministische Geldpolitik?

Schnabel: Ehrlich gesagt habe ich mich mit der Frage noch nicht beschäftigt. Tatsächlich hat die Geldpolitik früher vor allem auf die Gesamtwirtschaft geschaut, etwa auf das Bruttoinlandsprodukt oder den gesamtwirtschaftlichen Konsum. Mittlerweile hat sich die Forschung weiterentwickelt und blickt mehr auf die sich dahinter verbergende Heterogenität. Wir wissen beispielsweise, dass ärmere Menschen besonders stark von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen betroffen sind. Vermutlich gibt es auch merkliche Unterschiede über die Geschlechter hinweg.

taz: Wie holen Sie mehr Frauen in die EZB?

Schnabel: Wir haben als Institution ein starkes Interesse an Chancengleichheit. Das bedeutet nicht immer eine Fifty-fifty-Verteilung, aber wir haben den Anspruch, die Gesellschaft, für die wir Entscheidungen treffen, auch zu repräsentieren und so alle Talente zu nutzen. Daher haben wir auf allen Hierarchieebenen Zielvorgaben formuliert. Um da tatsächlich hinzukommen, sollen rund die Hälfte der Neueinstellungen und Beförderungen Frauen sein, sofern wir unterhalb der Ziele liegen.

taz: Was tun Sie sonst?

Schnabel: Wir versuchen, Hürden abzubauen. Oft geht es dabei um Hindernisse wie fehlende Kinderbetreuung. Die EZB ist da gut aufgestellt mit Angeboten ab dem Babyalter und einer Europäischen Schule. Zudem ist uns aufgefallen, dass sich Frauen seltener für Beförderungen beworben haben. Wenn sie Stellenausschreibungen lesen, zweifeln sie stärker als Männer daran, ob sie alle Kriterien perfekt erfüllen. Wir fordern Frauen heute deutlicher auf, sich zu bewerben. Diese Strategie hat sich als sehr erfolgreich erwiesen.

taz: Sind die Gehaltsunterschiede in der EZB transparent?

Isabel Schnabel

Karriere

Schnabel ist Professorin für Finanzmarktökonomie an der Rheinischen Wilhelms-Universität in Bonn und Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank.

Position

Von 2014 bis 2019 war sie als eine der sogenannten Wirtschaftsweisen Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft, der die Bundesregierung berät. Dort stimmte sie anfangs immer auf einer Linie mit der neoklassischen Mehrheit, gegen den von den Gewerkschaften nominierten Keynesianer Peter Bofinger, der beispielsweise Mindestlohn und Konjunktur­programme forderte.

Flexibilität

2018/19 trat sie dann allerdings mit Bofingers Nachfolger Achim Truger gegen die anderen für eine Reform der Schuldenbremse und eine stärkere Konjunkturpolitik ein. Ihre Positionen passen zum „flexiblen Pragmatismus“, der ebenso auf Markt-Instrumente, wie etwa CO2-Preise, wie auch auf öffentliche Investitionen oder marktkonforme Sozialleistungen setzt.

Privates

Isabel Schnabel ist mit dem Ökonomen Reinhold Schnabel verheiratet, das Paar hat drei Töchter.

Schnabel: Wir sind Teil des öffentlichen Dienstes mit klaren Gehaltsklassen, die bestimmten Qualifikationen und Aufgaben zugeordnet sind. Außerdem gibt es Zulagen, die zum Beispiel von der familiären Situation abhängen, aber nicht vom Geschlecht.

taz: Wie gehen Sie mit der Verantwortung um, dass Ihre Entscheidungen das Leben so vieler Menschen beeinflussen?

Schnabel: Als ich 2019 erfuhr, dass ich für das EZB-Direktorium nominiert würde, kam ich gerade mit dem Zug am Bonner Hauptbahnhof an und sah dort die Menschen, die mir entgegenkamen. Da dachte ich: In Zukunft muss ich Entscheidungen fällen, die alle diese Menschen betreffen! Das ist eine vollkommen andere Rolle als die einer Wissenschaftlerin und mit viel Verantwortung verbunden. Ich nehme meine Arbeit wahnsinnig ernst und versuche, alle Entscheidungen nach bestem Wissen zu treffen.

taz: Sie waren 15 Jahre an verschiedenen Unis in Deutschland und den USA tätig, ab 2007 als Professorin, wurden auch in den Sachverständigenrat der Bundesregierung für Wirtschaftsfragen berufen. Während dieser Karriere waren Sie immer eine von wenigen Frauen, oft die einzige – wie bei den sogenannten Wirtschaftsweisen.

Schnabel: Je weiter man nach oben kommt, desto weniger Frauen gibt es. Das ist noch immer so. Und das prägt die Art der Kommunikation. Ein Beispiel waren die Forschungsseminare an der Uni, wo es damals oft nur männliche Professoren gab. Der Ton war dort oft sehr rau und aggressiv. Mich hat das als junge Wissenschaftlerin gestört, und ich weiß, dass es meinen Kolleginnen ähnlich ging.

taz: Wie sind Sie damit umgegangen?

Schnabel: Ich habe es damals einfach akzeptiert, aber es hat mich verunsichert. Man muss sich eine Karriere zutrauen. Manche Frauen kommen mit einem männerdominierten Umfeld besser klar als andere. Aber es gibt auch Frauen, die von ihrer Persönlichkeit her anders sind. Manche meiner Kolleginnen sind damals von der Universität weggegangen.

taz: Ändert sich der Ton, wenn eine zweite Frau dabei ist?

Schnabel: Ja, dadurch verändert sich die ganze Gesprächsatmosphäre. Das gilt besonders, wenn die Institution oder das Gremium von einer Frau geleitet wird wie hier bei der EZB. Bei uns kann Christine Lagarde den Ton setzen. Es beeindruckt mich sehr, wie es ihr gelingt, ein so inklusives, freundliches Klima zu schaffen.

taz: Gibt es zwischen Ihnen beiden so was wie weibliche Solidarität?

Schnabel: Auf jeden Fall. Wir haben ein enges persönliches Verhältnis. Wir sprechen auch über private Themen und sind uns sehr vertraut. Sie hört mir zu, wenn ich ein Anliegen habe. Ich kann immer zu ihr gehen und sie nimmt sich die Zeit, obwohl sie extrem beschäftigt ist.

taz: Ist das anders mit männlichen Kollegen?

Schnabel: Es gibt eine Reihe von männlichen Kollegen, zu denen ich ein ähnlich vertrauensvolles Verhältnis habe, aber es ist schon anders. Es gibt eine größere emotionale Nähe unter Frauen.

taz: Wie wichtig sind weibliche Netzwerke in Ihrer Branche?

Schnabel: Sehr wichtig. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen. Heute bin ich in vielen informellen Frauennetzwerken. Ganz wichtig ist, dass man dort auch jüngere Frauen einlädt und sich gegenseitig fördert. Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright sagte einmal, für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen, sei ein besonderer Platz in der Hölle reserviert. Wir dürfen uns nicht in erster Linie als Konkurrentinnen sehen, sondern müssen uns gegenseitig unterstützen. Ich selbst habe von einer weiblichen Mentorin profitiert, die dann später eine Kollegin an der Universität Mainz wurde.

taz: Sie springen anderen auch zur Seite. Während der Pandemie hat Ihre Kollegin Isabella Weber von der University of Massachusetts, eine linke Ökonomin, damals Mitte 30, vorgeschlagen, die Inflation mit strategischen Preiskontrollen zu bekämpfen. Weil das allen Lehrbüchern widersprach, hat unter anderem der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman sie öffentlich als „truly stupid“ abgekanzelt.

Schnabel: Ich fand diesen Umgang mit Isabella Weber unerträglich. Und ich hatte den Eindruck, dass man mit einem Mann anders umgegangen wäre. Das darf einfach nicht sein. Ich habe die Meinung zu Preiskontrollen zwar nicht geteilt, aber wir müssen doch auch über unkonventionelle Ideen nachdenken können. Da ging es vermutlich auch um Machterhalt, um Meinungsführerschaft. Generell fände ich es verheerend, wenn sich Frauen deswegen nicht mehr trauen würden, dem Mainstream zu widersprechen.

taz: Hatten Sie selbst auch schon den Eindruck, dass Sie anders behandelt werden, weil Sie eine Frau sind?

„Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, wie wichtig weibliche Netzwerke sind“

Schnabel: In den sozialen Medien erlebe ich das andauernd. Ich werde zum Teil überschüttet mit sexistischen Kommentaren. Ich schalte die Leute dann stumm. In meinem engeren beruflichen Umfeld kenne ich das aber nicht.

taz: Gab es darüber hinaus andere Nachteile, die Sie erlebt haben, weil Sie eine Frau sind?

Schnabel: Zu Beginn meiner Laufbahn, im Studium, war ich fest davon überzeugt, dass es keine Rolle spielt, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Ich dachte, ich muss einfach nur gut genug sein, dann schaffe ich das. Damals stand ich auch der Frauenförderung nicht besonders positiv gegenüber. Es dauerte, bis ich gemerkt habe, dass es eine Reihe von geschlechtsspezifischen Barrieren gibt. Ich hatte zum Beispiel in meiner gesamten Unilaufbahn in Deutschland keine einzige Professorin, ich hatte also keine Rollenvorbilder. Besonders deutlich wurde es dann, als die Kinder kamen. Ich habe drei Töchter, das heißt, dass ich rund sechs Jahre entweder schwanger war oder gestillt habe. Die Zeit zwischen 32 und 38 Jahren war sehr anstrengend für mich. Und das war genau die Zeit, in der man typischerweise akademisch Karriere macht. Wenn ich morgens vollkommen abgehetzt ins Büro kam, hatte ich längst meinen ersten Großeinsatz hinter mir. Damit habe ich manchmal gehadert. Auch das Reisen war nicht einfach, als die Kinder klein waren. Ich hatte auch keine so große Lust darauf, ich wollte ja gerne bei der Familie sein.

taz: Wie haben Sie es trotzdem hinbekommen?

Schnabel: Mein Doktorvater Martin Hellwig hat dabei eine große Rolle gespielt. Schon während meiner Promotion – also vor den Kindern – hat er mir dabei geholfen, Netzwerke aufzubauen. Ich habe damals noch gar nicht verstanden, wie wichtig das ist. Als dann die Kinder kamen, hat er mir vollkommene Flexibilität gelassen.

taz: Wie schnell sind Sie wieder in den Beruf zurück?

Schnabel: Sehr schnell. Beim ersten Kind saß ich direkt wieder am Computer. Beim zweiten habe ich meine Tochter zu Beginn viel mit ins Büro genommen. Und beim dritten war ich schon Professorin, da bin ich dann in der Stillzeit mit Baby mit der Bahn von Bonn nach Mainz gependelt. Allein den Kinderwagen in diese alten Züge hineinzuwuchten war eine echte Herausforderung. Alle Pendler kannten mich – die Frau mit dem Baby! An der Uni hatte ich viele Leute, die mich unterstützt haben. Während der Veranstaltungen habe ich manchmal Studierende eingestellt, die das Baby betreut haben. Ich habe auch in der Sprechstunde gestillt.

taz: Hat Ihr Mann die Kinder auch mit zur Arbeit genommen?

Schnabel: Nein, weil ich ja gestillt habe. Aber ohne ihn wäre es nicht gegangen. Mein Mann hat sich immer sehr stark eingebracht, in den letzten Jahren sogar deutlich mehr als ich. Ich arbeite ja jetzt in Frankfurt, aber unsere Familie ist weiter in Bonn. Außerdem haben wir seit über 20 Jahren eine wunderbare Kinderfrau, die jeden Tag bei uns war und uns unglaublich viel geholfen hat.

taz: Eine Kinderfrau muss man sich aber leisten können.

Schnabel: Am Anfang ging fast ein Gehalt dafür drauf. Aber es wird manchmal übersehen, dass bezahlte Kinderbetreuung auch eine Investition ist. Damit bleibt man auf dem Karrierepfad. Und ich wusste immer, dass meine Kinder sehr gut aufgehoben sind. Deshalb hatte ich auch nur selten ein schlechtes Gewissen.

taz: Mussten Sie wegen der Doppelrolle als Mutter und Ökonomin Kompromisse machen?

Schnabel: Dauernd. Man darf nicht den Anspruch haben, in jeder Rolle jederzeit absolut perfekt zu sein, dann scheitert man an seinen eigenen Ansprüchen. Aber leicht ist mir das nicht immer gefallen.

taz: Wo haben Sie Abstriche gemacht?

Isabel Schnabel Foto: Katrin Binner

Schnabel: Vor allem bei mir selbst – viel Zeit für mich hatte ich nicht. Und dasselbe galt für meinen Mann. Aber wir haben auch gelernt, effizient zu sein. Abends haben wir unsere Kinder schon mal mit Strumpfhosen ins Bett gelegt, damit es morgens schneller geht.

taz: Haben Sie je den Vorwurf gehört, eine Rabenmutter zu sein?

Schnabel: Unterschwellig ja. Aber den Schuh habe ich mir nicht angezogen. Der Kinderarzt und Autor Remo Largo hat sinngemäß einmal gesagt, es sei vor allem wichtig, glücklich und ein gutes Vorbild zu sein. Kinder machen nach, was sie sehen. Und ich glaube, ich bin für meine Töchter eine gute Mutter.

taz: Sie haben ein paar Jahre gebraucht, um sich Feministin zu nennen. Wie ist das bei Ihren Töchtern?

Schnabel: Meine Töchter sind mit dem Wissen groß geworden, dass man als Frau alles erreichen kann, was man möchte. Natürlich haben sie sich ab und zu beklagt, dass ich weniger zu Hause bin als andere Mütter. Aber eigentlich finden sie toll, was ich mache, und nehmen es auch als Ansporn. Meine Töchter sind echte Feministinnen, die sich beschweren, wenn sie benachteiligt werden. Das hätte ich mich in ihrem Alter nicht getraut, aber natürlich hat sich die Welt in dieser Hinsicht auch verändert.

taz: Und wie bringen Sie ihnen das Thema Geld näher?

Schnabel: Mein Mann und ich sind beide Ökonomen, und wir haben häufiger über den Umgang mit Geld gesprochen. Aber Geldanlage empfanden sie eher als lästig. Heute studieren zwei meiner Töchter VWL, dadurch sind sie automatisch näher an diese Themen herangerückt.

taz: Mark Zuckerberg hat kürzlich gesagt, es brauche wieder mehr „maskuline Energie“ in Unternehmen. Macht Ihnen das Sorgen, auch in Bezug auf Ihre Töchter?

Schnabel: Das macht mir große Sorgen. Es besteht die Gefahr, dass wir gesellschaftlich wieder Rückschritte machen, obwohl wir bei Weitem noch nicht da angekommen sind, wo wir hinwollen. In den USA ist das im Moment stärker ausgeprägt als bei uns. Aber es schwappt rüber. Für die EZB kann ich sagen, dass wir fest hinter unserer Diversitäts- und Inklusionsstrategie ­stehen.

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