: Die Zukunft bittet zu Tisch
Gutes Essen bedeutet Genuss und Lebensqualität. Für immer mehr Menschen aber endet die Verantwortung für die Qualität ihrer Lebensmittel nicht mehr an der Supermarktkasse. Das wird auf der diesjährigen Biofach diskutiert
Von Cordula Rode
Der Tisch ist bereits gedeckt, als nach und nach die Gäste eintreffen. Zum Aperitif, Rotwein oder Weißwein aus biologischem Anbau, wahlweise mit oder ohne Alkohol, werden kleine Happen aus Kichererbsen gereicht, denen Spinat, Kreuzkümmel und Kardamom eine besondere Würze geben. Die Vorspeise ist ein frischer bunter Salat mit Produkten aus regionalem Anbau, den die Gäste nach Belieben mit einer Thunfischalternative aus Algen verfeinern können. Die Basis des Dressings ist feinstes Olivenöl aus Algerien. Beim Hauptgang gibt es die Wahl zwischen Biofleisch, einer Fleischalternative auf Sojabasis und kultiviertem Fleisch.
So könnte in naher Zukunft ein Standardessen aussehen – und zwar nicht beim schrulligen Ökonachbarn, sondern in einer Durchschnittsfamilie.
Die Biofach, Weltleitmesse für Biolebensmittel, die jährlich in Nürnberg stattfindet, widmet sich in diesem Jahr mit dem Slogan „Die Zukunft isst anders“ Trends und Innovationen im Bereich der Ernährung. Auf der Basis aktueller Studien wie dem Ernährungsreport 2024 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und dem FoodReport 2025 haben die Veranstalter drei Themenbereiche festgelegt: den Aspekt der nachhaltigen Wertschöpfung, den Trend zu pflanzenbasierten Essen und die zunehmende Bedeutung der ganzheitlichen Gesundheit.
Nachhaltige Wertschöpfung hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Regionale Herkunft, Transparenz und Qualität bei alternativen Lieferketten sind immer mehr Menschen wichtig. Auch, wenn laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 2024 die Befragten vor allem Wert auf den gutem Geschmack des Essens legen, wird doch immer deutlicher, dass das Bewusstsein für die Produktionsbedingungen unserer Lebensmittel stark gewachsen ist. Der Ernährungsreport zeigt, dass mehr als drei Viertel der Befragten Wert auf Saisonalität von Lebensmitteln sowie Produkte aus der Region legen. Verbraucher:innen wählen zunehmend Bioprodukte, die diese Voraussetzungen erfüllen.
„Die Biobranche ist in den letzten Jahren stetig gewachsen“, erläutert Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Der Absatz hat in allen Vertriebskanälen zugelegt, vom Bioladen über den Lebensmitteleinzelhandel bis zum Discount.“ Dabei sind Biolebensmittel kein Luxus mehr – gerade die Drogerien und Discounter ermöglichen auch jüngeren Menschen mit schmalerem Geldbeutel eine bewusste Ernährung mit nachhaltigen Lebensmitteln.
Die Kichererbsensnacks auf dem Tisch der Gastgeberfamilie versprechen auf dem Etikett: „Durch den Verzehr dieser Mahlzeit tragen Sie zum Wiederanbau von biologischen und französischen Hülsenfrüchten bei, die gut für die Qualität der Böden und die Artenvielfalt der Regionen sind.“ Bei Lebensmitteln, die nicht regional hergestellt werden können, legen viele Kund:innen Wert auf eine faire Handelskette und auf ausreichende Verfügbarkeit – da kommt das Olivenöl aus Algerien ins Spiel. Lebensmittelmarken können von diesem Trend zu Transparenz profitieren, indem sie deutlich kommunizieren, wie durch lokale oder alternative Lieferketten Verfügbarkeit sichergestellt wird.
Fleischkonsum ist ein umstrittenes Thema, sowohl in Hinsicht auf die eigene Gesundheit als auch auf jene der Böden. Das sogenannte kultivierte Fleisch, das in vitro und ohne Tierleid im Labor hergestellt wird, ist noch Zukunftsmusik. Die Biobranche empfiehlt keine völlig fleischlose Ernährung. „Bio ist Vielfalt“, erklärt Röhrig. „Ohne Tierhaltung fehlen wichtige organische Dünger, die dann durch Kunstdünger ersetzt werden müssten, die in der ökologischen Landwirtschaft zu Recht verboten sind.“
Ob tierisches Eiweiß für eine ausgewogene Ernährung notwendig ist oder ob vegetarische oder vegane Ernährung gesünder sind, ist durchaus umstritten. Aber: „Selbst die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat im vorigen Jahr ihre Ernährungsempfehlungen angepasst“, weiß Katleen Haefele, Director Corporate & Institutional Engagement bei ProVeg, einem Verein, der sich für die Transformation des globalen Ernährungssystems und für nachhaltige Lösungen einsetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung riet bisher von rein veganer Ernährung ab, ist nun allerdings von diesem Standpunkt abgerückt: Sie kategorisiert eine gut geplante vegane Ernährung als gesundheitsfördernd und bezieht auch die positiven Auswirkungen auf die Umwelt in die Bewertung mit ein.
Längst sind die Vorurteile überholt, dass vegane Ernährung Verzicht bedeutet. „Der Genuss und die Vielfalt stehen im Vordergrund“, so Haefele. Ein wichtiger Trend sei es, Fleischalternativen geschmacklich zu optimieren. Dabei stehen Produkte aus Pilzen und Algen hoch im Kurs, die dem Umamigeschmack von Fleisch entsprechen. Fermentierung sorgt für eine weitere herzhafte Geschmacksintensivierung. Aber auch traditionelle Gerichte, die viele Menschen lieben, können auf veganer Basis zubereitet werden: „Der Linseneintopf von Oma schmeckt mit Räuchertofu genauso lecker wie mit Kassler oder Mettwurst.“
Genuss mit Verantwortung für Soziales, Umwelt, Klima, Tierwohl und Gesundheit – die Zukunft bittet zu Tisch.
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