: Der Kampf gegen rechts braucht Ausdauer
Die Anzündung der Brandmauer lässt sich nicht allein mit Großdemos und moralischen Appellen aufhalten. Es braucht langfristige Mobilisierung und linke Politik
Von Krsto Lazarević
Die Brandmauer wurde von Friedrich Merz (CDU) mit einem erfolgreichen Migrationsantrag und einem gescheiterten Gesetzesentwurf – beides mit Stimmen vom rechten Rand – regelrecht angezündet. Besonders geschadet hat es ihm laut jüngsten Wahlumfragen nicht und der AfD sogar geholfen, die jetzt bei 20 Prozent plus steht.
Die Reaktion progressiver Kräfte in Deutschland schwankt zwischen Schock, Großdemonstrationen und moralischen Appellen. Dass nun Hunderttausende auf die Straße gehen, um zu protestieren, ist enorm wichtig, doch keine Mobilisierung, die sich lange aufrechterhalten lässt. Die berechtigte Wut muss langfristig in politische Praxis gegen den Rechtsruck sublimiert werden.
Dafür sollte man sich von liebgewonnenen Illusionen verabschieden. Die Vorstellung, CDU, CSU, FDP und BSW würden aus demokratischer Überzeugung heraus keine Mehrheiten mit der AfD suchen, hat sich als Illusion erwiesen. Moralische Appelle an die große Mehrheit der Abgeordneten dieser Parteien laufen ins Leere. Sie werden eine Zusammenarbeit mit der AfD nur ausschlagen, wenn die politischen Kosten dafür zu hoch sind.
Dafür muss jede weitere Normalisierung der AfD an jedem Ort bekämpft werden. Schüler*innen des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums in Berlin wehren sich gerade unter dem Motto „Keine faschistische Propaganda an unserer Schule“ gegen die Teilnahme von Beatrix von Storch an einer Podiumsdiskussion. Vorbildlich. Denn der größte Fehler ist, einen vermeintlich „demokratischen Diskurs“ mit Antidemokrat*innen zu suchen. Wenn auf der einen Seite Faschisten stehen, auf der anderen Demokraten, dann ist das Problem nicht die Spaltung der Gesellschaft.
Der Rechtsruck trifft nicht alle gleich – am stärksten betroffen sind Menschen, die direkt von rechter Politik und Hetze bedroht sind. Solidarität bedeutet hier aktive Unterstützung. Sei es bei Demonstrationen zum bald anstehenden fünften Gedenktag für die Opfer des rechtsextremen Anschlags in Hanau, bei CSDs in sächsischen Kleinstädten oder wenn afghanische Geflüchtete im Wahlkampf für die Tat eines Einzelnen in Sippenhaft genommen werden.
Die schlechteste Art, von progressiver Seite auf den Rechtsruck zu reagieren, ist es, ihn mitzumachen und mehr Abschiebungen zu fordern und so zu tun, als würde das die Sicherheitslage entscheidend verbessern. Dieses Anbiedern hilft den Rechten, weil man damit suggeriert, dass sie mit ihrem Kernanliegen Recht hätten.
Leider kostet Antifaschismus Zeit und macht nicht immer Spaß. Vor allem an Orten, an denen sich rechte Hegemonie durchsetzt. Doch Rechtsextreme bringen vielerorts erst mal nur wenige Leute auf die Straße, weil die Stammklientel der AfD zwar gerne schimpft, aber ansonsten oft passiv bleibt.
Blockaden beispielsweise funktionieren, weil Nazis autoritäre Charaktere mit niedriger Frustrationstoleranz sind: Werden sie besiegt, verschwinden sie schnell. Fühlen sie sich im Aufwind, kommen immer mehr aus ihren Löchern gekrochen. Genau das passiert gerade. Wer es nicht zur Anti-Nazi-Demo schafft, kann sich auch im eigenen Umfeld engagieren. Auch bei der Elternvertretung, der freiwilligen Feuerwehr oder beim Schützenverein. Alles Orte, die gezielt von Rechten unterwandert werden.
Dabei müssen inhaltliche Widersprüche ausgehalten werden. Das bedeutet nicht, dass man keine kontroversen und spitzen Debatten führen kann – aber sie sollten nicht dazu führen, dass man sich selbst zerlegt, während Rechtsextreme aufmarschieren. Gerade in Bezug auf Israel und Palästina würde es manchen guttun, anzuerkennen, dass nicht alle, die eine andere Position vertreten, deswegen gleich Antisemiten oder Rassisten sind. Tarek K.I.Z rappt in seinem Song „Sensibel“: „Linke diskutier’n auf Twitter: Wer darf links sein, wer darf’s nicht? Und die Rechten, sie trainieren auf dem Schießstand für Tag X.“
Die vielleicht schwierigste Herausforderung ist, sich nicht in der eigenen gefühlten Ohnmacht zu verlieren. Man kann gegen rechts gewinnen, aber es erfordert eine Menge Ausdauer. Wer glaubt, die Teilnahme an einer großen Demonstration gegen die Anzündung der Brandmauer würde reichen und die AfD dauerhaft schwächen – eine Behauptung, die gerade mit Appellativem Charakter durch die linke Social-Media-Bubble geht –, wird enttäuscht werden. Gerade beginnen sich einige zu wundern, dass Großdemonstrationen weniger Auswirkungen auf die direkt darauffolgenden Wahlumfragen zu haben scheinen als ein Lachen von Armin Laschet im Hochwassergebiet.
Der Kampf gegen den Rechtsruck wird konsequente Mobilisierung, Organisierung und Ausdauer erfordern und das in einer vielerorts feindseliger werdenden Umgebung. In Antonio Gramscis Worten: Wir brauchen „Pessimismus des Verstandes“ und „Optimismus des Willens“.
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