Wirtschaft im Wahlkampf: Soziale Gerechtigkeit ist der effektivste Antifaschismus
Die Ampel hat darin versagt, für sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Die nächste Bundesregierung sollte antifaschistische Wirtschaftspolitik verfolgen.
![Roter Sticker auf organener Warnweste "Streik for future" Roter Sticker auf organener Warnweste "Streik for future"](https://taz.de/picture/7517402/14/32485117-1.jpeg)
S oll die AfD gestoppt werden, wird eine Reform der Schuldenbremse nicht reichen. Eine andere Wirtschaftspolitik ist nötig – eine, die bei den Menschen ankommt, auf ihre Bedürfnisse eingeht und vor allem Sicherheit gibt in Zeiten von Krisen, Transformation und geopolitischer Unsicherheiten.
SPD und Grüne haben das zuletzt in ihrem Regierungshandeln vernachlässigt. Dabei ist eine Wirtschaftspolitik, die diese Ziele verfolgt, extrem wichtig, um den Aufstieg der Rechten zu beenden. Das zeigt auch das Beispiel USA.
Nach dem Wahlsieg Donald Trumps prägte die Ökonomin Isabella Weber den Begriff der „antifaschistischen Wirtschaftspolitik“, derer es jetzt bedürfe. Für sie ist der Erfolg des Republikaners eine Folge der massiven Inflation in den USA und des falschen Umgangs der Demokraten damit.
„Der neue US-Präsident Donald Trump siegte auch, weil er den Wählerinnen und Wählern signalisierte, dass er um ihre wirtschaftliche Notlage weiß“, schreibt die in Massachusetts lehrende Wissenschaftlerin im Wirtschaftsmagazin Surplus. Die Demokraten ihrerseits hätten es versäumt, das Ausmaß der Krise zu verstehen, und ergriffen dementsprechend nicht genug Maßnahmen, die den Druck auf die Menschen in den USA hätten mindern können.
Aus diesem Grund ist es ein Fehler, dass die Ampelregierung das Klimageld nicht eingeführt hat. Mit ihm sollten die Bürger*innen einen Ausgleich für die steigenden CO₂-Preise erhalten. Da das Klimageld als ein fester Betrag geplant war, hätten ärmere Haushalte im Verhältnis zu ihrem Einkommen mehr profitiert als Besserverdienende. Außerdem hätte es klimafreundliches Verhalten belohnt.
Mit dem Klimageld hätten die Ampelparteien gezeigt, dass sie die Menschen mit ihren Sorgen bezüglich steigender Energiepreise nicht allein lassen. Stattdessen haben sie die Menschen mit der Debatte um das Heizungsgesetz massiv verunsichert und die soziale Seite der Wärmewende nicht ernst genommen.
Das erste Opfer jeder Koalitionsverhandlung
Dieses Versagen reiht sich ein in eine Politik linker Parteien, die immer wieder Enttäuschungen produziert. Seit der Bundestagswahl 2009 versprechen SPD und Grüne in irgendeiner Form, Reiche zur Finanzierung von Staatsaufgaben stärker heranzuziehen. Die SPD wolle „die höchsten Vermögen in unserem Land bei der Finanzierung der Gemeinschaft stärker in die Verantwortung nehmen“, heißt es auch dieses Jahr wieder im Programm der Sozialdemokraten.
Und die Grünen schreiben im Wahlprogramm: „Zu möglichen Ansätzen gehören: eine globale Milliardärssteuer, eine fairere Erbschaftssteuer, eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher und eine nationale Vermögenssteuer auf sehr hohe Vermögen.“
Leider waren solche Versprechen bisher immer die ersten, die bei Koalitionsverhandlungen über Bord geworfen wurden. Reale Verbesserungen wie die Einführung und Erhöhung des Mindestlohns werden deshalb gar nicht mehr wahrgenommen. Vermutlich auch, weil nur die Ärmsten davon profitieren und die Verunsicherung weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. Deshalb muss von einer neuen, progressiven Wirtschaftspolitik auch die Mitte der Gesellschaft profitieren.
Selbst ein großes Investitionsprogramm zur Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur, wie es viele Ökonom*innen fordern, wäre zu wenig. Dies zeigt die Erfahrung mit Joe Bidens Inflation Reduction Act. Die Menschen müssen am Ende auch unmittelbar und langfristig davon profitieren.
Mindestens drei Maßnahmen müssen deshalb nach den Wahlen über eine schuldenbasierte Investitionsoffensive und ein gerechteres Steuersystem hinaus umgesetzt werden:
Erstens muss das Klimageld kommen.
Zweitens muss es in Zeiten der Transformation soziale Garantien geben. Unternehmen sollten nur noch Subventionen bekommen, wenn sie dafür garantieren, keine Arbeitsplätze abzubauen. Es kann nicht sein, dass ein Konzern wie Thyssenkrupp einen Milliardenbetrag für den Aufbau einer grünen Stahlproduktion bekommt und dann Massenentlassungen ankündigt.
Drittens muss die nächste Bundesregierung etwas gegen die steigenden Mieten machen. Sie sind das größte soziale Problem in den Großstädten. Es braucht einen bundesweiten Mietendeckel, wie ihn die Linke fordert, der die Mieten sechs Jahre lang einfriert.
Diese drei Maßnahmen würden den Menschen in einer sich verändernden Welt Sicherheit geben. Das ist wichtig für den Erhalt der Demokratie. Denn derzeit bedienen die Rechten mit ihren populistischen Forderungen und ihrem Versuch, an der Uhr zu drehen, dieses Bedürfnis nach Sicherheit. Dem muss von links etwas entgegengesetzt werden.
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