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ohne stimmeRizeq D. will fair behandelt werden

Ich komme aus Aleppo in Syrien. Im März werde ich 32 Jahre alt. Seit Juli 2019 lebe ich in Deutschland. Weil ich über Griechenland nach Deutschland gekommen bin, ist mein Fall kompliziert, bis heute habe ich keinen Aufenthaltstitel. Aber ich habe Deutsch bis B 2 gelernt und den B 1-Test gemacht. Außerdem habe ich als Freiwilliger im Café eines Projekts namens Refugio gearbeitet. Ich bin inzwischen ein wirklich guter Barista!

Weil das Assad-Regime gestürzt wurde, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge alle offenen Fälle eingefroren, auch meinen. Wie es jetzt weitergeht, weiß ich nicht. An den Neuwahlen darf ich nicht teilnehmen, was wirklich traurig ist für jemanden, der seit fast sechs Jahren hier lebt und einen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Ich möchte ein echter Teil der Gesellschaft sein und nicht nur eine Nummer in der Flüchtlingskrise.

Es ist jedes Mal so hart, wenn ich in den Nachrichten Sachen höre wie: „Diese Leute arbeiten nicht, sie zahlen keine Steuern.“ Ich darf ja gar nicht arbeiten. Ich habe sogar eine Umschulung im IT-Bereich gemacht, aber wer soll mir einen Job geben, wenn ich keine Arbeitserlaubnis habe? Du kommst hier an, und dann wartest du lange, lange Zeit. In meinem Fall gab es überhaupt keine Möglichkeit, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Ich habe Sozialhilfe bekommen, aber ich hätte viel lieber gearbeitet.

Immer wenn nach einem Terroranschlag die populistischen Reden losgehen, bin ich – wie viele Menschen – unter Stress. Wir tun wirklich unser Bestes und versuchen, alles richtig zu machen. Die Menschen sind hierher gekommen, um Frieden und Sicherheit zu finden. Wir lernen die Sprache und wir sind bereit zu arbeiten. Im Gegenzug wollen wir fair behandelt werden, das ist alles.

Ich wünsche mir von der neuen Regierung, dass sie nicht nur auf die AfD schielt, sondern auf ihre eigentlichen Wähler. Dass sie sich nicht unter Druck setzen lässt. Abschieben hilft nicht gegen Hass, Rassismus, Sexismus. Das Einzige, was wir dagegen tun können, ist politische Bildung.

Fluchtursachen bekämpfen, heißt es immer. Wenn die Regierung das Problem wirklich an der Wurzel löst, dann indem sie keine Waffen mehr an verrückte Regierungen liefert. Wenn wir Kriege beenden wollen, müssen wir aufhören, Krieg auf kapitalistische Weise zu führen. Denn das macht das Leben zur Hölle und das bedeutet, dass die Menschen nicht in ihrer Heimat leben können.

Protokoll: Franziska Schindler

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