: Kein Raum für Neues
Was vom Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz blieb
Eins der einst groß angelegten Reformvorhaben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verbirgt sich hinter dem sperrigen Namen Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Parallel zur Krankenhausreform sollte das Gesetz die ambulante Versorgung stärken und so Krankenhäuser entlasten. Ende letzter Woche verabschiedete der Bundestag das GVSG mit den Stimmen der Ex-Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP – allerdings in einer stark eindampften Version.
Ursprünglich waren für eine stärkere ambulante Versorgung Hunderte Gesundheitskioske wie in Köln-Chorweiler geplant – für einen niederschwelligen Zugang zu Versorgung und Prävention in sozial benachteiligten Gegenden. Die AOK Rheinland/Hamburg etwa befürwortete die Kioske, schätzte den Bedarf aber weitaus geringer ein: 50 bis 100 bräuchte es maximal davon bundesweit. Kritiker*innen befürchteten durch die Kioske außerdem Doppelstrukturen und verstärkten Personalmangel in Krankenhäusern und Arztpraxen. Auch um die Finanzierung, die zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen und den Kommunen verteilt werden sollte, gab es Streit. Schließlich wurden die Kioske, vor allem auf Betreiben der FDP, aus dem Gesetzentwurf gestrichen.
So erging es auch vielen anderen ursprünglich geplanten Vorhaben des GVSG: Die Gesundheitsregionen, durch die verschiedene Versorgungsangebote besser vernetzt werden sollten, die Primärversorgungszentren sowie die Finanzierung neuer Medizinstudienplätze schafften es nicht ins Gesetz. Die FDP verhinderte außerdem, dass Maßnahmen gegen Abrechnungsbetrug eingeführt werden. Dabei ist der teuer: Laut Transparency International Deutschland geht es um eine Dunkelziffer von etwa 15 bis 17 Milliarden Euro Schaden jährlich, der bei den Krankenkassen anfällt.
Das eingedampfte Gesetz enthält aber noch finanzielle Anreize für Hausarztpraxen. Für sie kommt vorerst die sogenannte Entbudgetierung: Die Honorare können demnach ohne Begrenzung steigen, etwa wenn neue Patient*innen aufgenommen werden oder mehr Leistungen als bisher erbracht werden. Das soll für Patient*innen die Terminsuche entspannen.
Mit der neu eingeführten Vorhaltepauschale soll es für die Praxen außerdem Geld geben, wenn sie die ärztliche Versorgung aufrechterhalten. Dazu müssen sie bedarfsgerechte Öffnungszeiten und Haus- und Heimbesuche anbieten. Eine weitere neue Pauschale soll es für die Versorgung chronisch Erkrankter geben. Für Menschen mit schweren Erkrankungen oder mit Behinderung soll es nun außerdem leichter werden, die Kosten für Hilfsmittel erstattet zu bekommen. Luisa Faust
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