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„Ich könnte den ganzen Planeten ficken“

Georgette Dee ist der Lüneburger Heide aufgewachsen und kam über Hamburg und London nach Berlin. Seit den 1990ern verzaubert die Diseuse mit ihren Chansons und Anekdoten. Ein Gespräch übers Früher und Heute, Ferienlager und Aids, die Freiheit und die Liebe

Interview Hanno RehlingerFotos Sophie Kirchner

Im Westen von Berlin steht zwischen Rieselfeldern und Heerstraße ein kleines Häuschen mit blauem Dach. Hier in Pichelsdorf, einer Ortslage im Bezirk Spandau, wohnt Georgette Dee, die Neckermann-Pauschalreisende des Berliner Kabaretts. Sie ist groß, mit Augen, die sehen aus wie gotische Torbögen. Die wilden Locken sind inzwischen glatt und weiß. An der Wand hängt ein Poster von einem Boxer, der von den Nazis erschlagen wurde, weil er Sinti war. Er ist in Kampfstellung, Oberkörper frei. In der Ecke klemmt James Dean: „only the gentle are really strong“. Es gibt Kaffee aus einer großen Kanne und ihr berühmtes Gemüse-Fleischklößchen-Süppchen. Später dann volle Gläser Wein. Von Anfang an duzen wir uns.

taz: Was bedeutet für dich Freiheit?

Georgette Dee Dass man sein kann, wie man ist. Und ich habe wahnsinnig lange damit gekämpft, auch was meine Kunst betrifft. Dass die Leute das nicht immer wieder auf Transenshow und das ganze Trans-Programm reduziert haben. Also der deutsche Kulturbetrieb lebt ja von Schubladen. Das ist manchmal gruselig.

taz: War deine Entscheidung, im Kleid auf die Bühne zu gehen, auch der Versuch, aus einer Schublade auszubrechen?

Georgette Dee: Nein, das hatte eher was mit Selbstverwirklichung zu tun. Also auch mit diesem ganz intensiven Wunsch, auf der Bühne zu stehen und einfach den Leuten was vom Pferd zu erzählen. Das war immer mein Traum. Ich habe mit sieben vor dem Radio gesessen, da lief Édith Piaf mit „Milord“. Und ich weiß noch, ich bin fast ins Radio rein gekrochen, morgens um acht oder so, und dachte nur: Das will ich auch! Ich habe gar nicht gedacht, wer ist das? Sondern irgendwie war das: Das will ich auch! Das weiß ich noch ganz genau.

taz: Aber das hättest du ja auch in Hose machen können.

Georgette Dee: Nein, eben nicht! Weil es dann nicht funktioniert. Ich greife die Leute ja an! Dann machen sie zu und dann wäre die Karriere in einem Jahr beendet. Ich bin für die Menschen nicht gefährlich, wenn ich im Kleid die Männerwelt angreife, weil irgendwo wissen sie ja, dass ich auch irgendwie ein Mann bin. Aber ich kann da Dinger landen, die könnte ich in der Hose nicht landen.

taz: Wolltest du auch mal eine Frau sein?

Georgette Dee: Einmal, da war ich noch Krankenschwester in Hamburg, da fragte mich der Mediziner, er war noch jung und mochte mich sehr: Sagen Sie, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber würden Sie lieber eine Frau sein? Und das war Ende der 1970er Jahre, richtig schwieriges Thema also. Der bot mir also an, wenn ich irgendwelche Sehnsüchte hätte, mir zu helfen, da einen Weg zu finden. Und ich war völlig von den Socken und habe gesagt: Nee, weiß ich nicht, muss ich drüber nachdenken. Aber dadurch, dass von außen diese Frage an mich rankam, habe ich plötzlich tatsächlich darüber nachgedacht. Will ich das eigentlich oder will ich das nicht? Und dann habe ich festgestellt: Nein, all die geilen Jungs, die ich jetzt jeden Abend haben kann, kriege ich ja niemals als Mädchen. Ganz pragmatisch. Das war so ein wichtiger Moment in meinem Leben. Da habe ich gedacht: Nein. Das muss alles nicht sein. Es stimmt alles, wie es ist. Aber natürlich, auf der Bühne wollte ich schon als Frau wahrgenommen werden. Es war dieses Spiel dazwischen. So musste es irgendwie für mich sein.

taz: Und das schillernd zu halten. Ist das für dich auch Freiheit?

Georgette Dee: Eine Freundin von mir sagte mal über meine Shows: Ich sitze da und nach zehn Minuten sind Mann und Frau verschwunden. Und mehr kann ich von der Kunst nicht wollen als Performer. Also da steht ein Mensch und reißt sich den Arsch auf. Und jammert über die Welt oder macht sich lustig oder schreit laut, ich will ficken oder all so ein Zeug. Also alles, was unser Menschsein ausmacht, was auch geschlechterübergreifend ist, weißt du?

taz: Nein, was denn?

Georgette Dee: Na, ich erzähl ja ganz viel von mir, von meinem Loosertum und was wieder alles schiefgegangen ist oder wie das alles nicht klappt. Und darin erkennen sich die Leute, weil das alle kennen. Ganz genau! Mund riesig voll genommen und dann einfach hinter den Pfeiler gekotzt. Und deswegen lieben die Menschen das so, weil das ist der menschliche Moment, dass wir alle Verlierer sind. Eigentlich die ganze Zeit.

taz: Du bist in den 1980ern durch Knäste getourt. Wie kam es dazu?

Georgette Dee: Das damalige Programm hieß „Geburtstagslieder fürs Hexenkind“. Und darauf war die Organisatorin angesprungen. Sie hat sich das angeguckt, und dann sagte sie: Naja, die im Knast, das sind ja alles Hexenkinder. Also die verstehen da vielleicht was. Na und ich war einfach auch ein Hingucker.

taz: Bist du im Kleid aufgetreten?

Georgette Dee: Ja, ich bin aufgetreten, wie ich damals war.

taz: Und das ist gut angekommen?

Georgette Dee: Sehr. Also nicht in allen Knästen, aber ich weiß, in manchen Knästen … die hätten mich am liebsten in den Hinterraum getragen. Bei den schweren Jungs, lebenslänglich, da hat es gut funktioniert. Aber als wir dann mal in Wiesbaden in irgendeinem Wirtschaftsknast waren, da haben die so ein bis drei Jahre abzusitzen, wegen Steuerhinterziehung und so einem Scheiß. Das waren auch alles mehr so Familienväter und Einfamilienhausbesitzer. Und die waren ziemlich blasiert. Denen war das irgendwie unter … die hätten lieber ’ne Peepshow gehabt.

taz: Ging es für dich dabei auch um Solidarität unter Unterdrückten?

Georgette Dee: Ich glaube schon. Gefängnis ist für mich das Allerschlimmste, was ich mir nur vorstellen kann. Da würde ich jede schwere Krankheit vorziehen. Aber eingesperrt sein ist für mich der Horror ohne Ende. Nur die Vorstellung und ich krieg Schnapp­atmung.

taz: Und hat es was geholfen?

Georgette Dee: Einer der schönsten Auftritte war im Untersuchungsgefängnis in Frankfurt am Main. Ich hatte einen weiten, roten Samtrock an und bin tanzend durch die Reihen durchgegangen. Da sind die armen Sicherheitsleute ausgerastet. Und in der ersten Reihe saß so ein Blonder. Der war so Ende 20, und … Das werde ich nie vergessen. Der war völlig versunken. Der hat mich angefunkelt, als hätte er die Liebe seines Lebens entdeckt. Das war irgendwie fast tragisch – aber es war auch wunderschön. Ich habe natürlich zurückgeflirtet, aber der war abgeschossen. Also diese halbe Stunde war seine Welt in Ordnung, völlig. So ein Strahlen!

taz: Was ist für dich Liebe?

Im Garten von Georgette Dee
Georgette Dee

Der Mensch

Georgette Dee – Chansonette, Bühnendiva, Kunstfigur und Philosophin (Eigenbeschreibung auf ihrer Homepage) – kam 1958 in der Lüneburger Heide zur Welt, 11 Jahre bevor Homosexualität entkriminalisiert und 36 Jahre bevor der Paragraf 175 gestrichen wurde.

Die Karriere

Die Diseuse verbrachte Zeit in Hamburg und London und feierte schließlich in den 1990ern in Berlin ihre größten Erfolge. Dee trat im Fernsehen und im Theater, in Wien, Paris und Stockholm auf. Meistens steht sie im schwarzen Kleid auf der Bühne, ein Glas in der einen Hand, das Mikrofon in der anderen. Seit einigen Jahren unterrichtet sie in München an der Otto Falckenberg Schule. Sucht man heute nach ihr, findet man sie am einfachsten in den Berliner Veranstaltungsorten Tipi am Kanzleramt oder Bar jeder Vernunft.

Georgette Dee: Das kennst du ja wahrscheinlich auch, wie sich die Welt verändert. Wie mit einem Fingerschnippen. Keine Kassenschlange nervt mehr, kein vollgestopfter Bus ist irgendwie blöd. Man ist einfach eins mit der Welt. Das ist fast, als wäre man wieder fünf Jahre alt. Dieser Zustand, in dem alles einfach herrlich ist.

taz: Du bist christlich erzogen worden, oder?

Georgette Dee: Der Vater war christlich, ja. Familie von evangelischen Pietisten. Ich war auch jedes Jahr im christlichen Ferienlager.

taz: Und das ist in guter Erinnerung geblieben?

Georgette Dee: Die Ferienlager? Ja! All die ferienwütigen Jungs, mit denen man in den Ferienlagern da …

taz: War da so viel Hanky Panky?

Georgette Dee: Ja schon. Außerdem war ich, wie ich immer sage, frühreif, hochbegabt und ungefördert. Ich hab mir die Jungs schon gefällt, die ich haben wollte. Oder dran rumgesägt, bis sie schwach geworden sind. Hat fast immer geklappt.

taz: Und war es immer schön?

Georgette Dee: Naja, es war wild irgendwie. Und das hatte ja auch eine gewisse Heimlichkeit. Also in meiner Pubertät war diese ganze Sexualität heimlich.

taz: Das war auch nicht nur leicht?

Georgette Dee: Nein, aber wenn man geil ist und fünfzehn, ist einem das egal. Aber das prägt einen natürlich. Das war später schwer, irgendwie eine normale Beziehung mit irgendjemandem zu führen.

taz: Klingt schwierig.

Georgette Dee: Ja, weil man eigentlich immer … das hatte man irgendwie für sich verinnerlicht: Man ist eigentlich illegal mit seiner Gefühlswelt. Man kommt in der Gesellschaft nicht vor. Und das ist politisch gesehen immer noch meine größte Wut. Dass sich das zwar extrem gebessert hat, also auch von der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Akzeptanz her – zum Kotzen das Wort! Aber es ist immer noch schwer.

taz: Ist es schwieriger, frei zu sein, wenn man schwul ist?

Georgette Dee: Na im Prinzip schon, oder? Also ich meine, ich konnte nie zu Hause mit dem Boyfriend ankommen. Allein das, was das schon ausmacht für einen Menschen in seiner Entwicklung, dass er irgendwie nach Hause kommt und sagt: Hier, das ist mein Freund, und alle sagen: au toll! Das ist ja super! Das wäre für mich normal, und ich habe das ja gelebt gesehen in meiner Pubertät. Also alle die Jungs, die Girlfriends hatten, die waren in den Familien, da wurde beschnuppert und geguckt. Aber es war immer eine positive Zugewandtheit, egal, wie krass die Familien drauf waren. Aber bei schwulen und lesbischen Menschen, gerade aus meiner Generation, ist das nie ein Teil des Lebens gewesen. Also nur in ganz großen Ausnahmefällen. Und wenn die Familie schon nicht zu dir sagt: Das ist ja alles wunderbar, wir freuen uns. Wie soll man sich dann der Welt gegenüber verhalten?

taz: Und wann hat sich das geändert bei dir?

Georgette Dee: Wahrscheinlich im Grunde genommen nie (lacht). Immer nur verklemmt. Sex im Dunkeln. Nein. Ich habe mir die Liebe und Bestätigung der Menschheit natürlich zum Teil auch über meine Kunst geholt. Und am Anfang war das noch viel mehr, dass ich unglaublich darauf bedacht war, ob die Leute das auch mögen oder so. Naja, das Bewusstsein, die Wahrnehmung hat sich geändert. Auch durch meine Arbeit. Auch wenn das nicht immer so formuliert ist, aber das bläst schon Attacke darauf. Einfach die Art, wie ich bin und wie ich mich präsentiere, öffentlich, ist schon ein Statement. Leb es oder lass es. Ich hab mich irgendwann nicht mehr darum bemüht, ob die Leute mich mögen oder nicht.

taz: Waren deine Eltern abweisend?

Georgette Dee: Also, als ich mit meinem ersten seriösen Boyfriend antanzte, da hat meine Mutter 14 Tage Hackfresse gezogen, während mein Vater sich jeden Tag mit meinem Freund zusammengesetzt und geklönt hat. Nein, da war mein Vater richtig cool. Er ist an Aids gestorben dann, dieser Freund, also Jahre später, und ich hatte ihn noch ein paar Mal zu mir eingeladen, als er schon Kaposi und sonst was hatte. Und dann saßen wir im Garten und meine Mutter hat sich nicht einmal blicken lassen, aber mein Vater kam runter, hat sich dazugesetzt und sich mit ihm unterhalten und auch total souverän und interessiert. Also nicht so Smalltalk, sondern einfach so geredet. Und der sah wirklich schon schlimm aus zu der Zeit. Das fand ich sehr cool. Ja, das fand ich schon erstaunlich. So die kleinen Dinge des Lebens.

„Ich habe mir die Liebe und Bestätigung der Menschheit zum Teil über meine Kunst geholt“

taz: Meinst du, man hat es heutzutage leichter aufzuwachsen, wenn man schwul ist?

Georgette Dee: Vielleicht schon, aber ich habe das jetzt immer noch bei meinen Studenten. Es gibt die Tupperparty-Jungs, so nenne ich die immer, die immer alles ihrer Mutter recht machen wollen und immer von allen liebgehabt werden wollen. Ich nenne das mal das schwule Syndrom. Kein hetero Junge, der richtig pubertiert und bockig ist, gibt einen Scheiß drauf, ob die Welt ihn lieb hat oder nicht. Aber bei schwulen Jungs ist es manchmal wirklich so ein Phänomen. Und ich finde das manchmal amüsant, aber manchmal ärgert es mich auch. Warum willst du unbedingt, dass dich alle liebhaben? Scheiß doch drauf! Mein Gott, du magst Arschficken, also die sollen dich doch alle am selbigen lecken, die Deppen.

taz: Wenn man eh irgendwie illegal ist, ist man dann auch freier von Konventionen?

Georgette Dee: Ja, das ist das Magische wiederum. Also mir kam natürlich auch oft die schwule Welt wirklich wie so ein Fairy Tail vor. Es gab einfach diese Welt, in der getanzt, gesoffen, gefickt, gefeiert wurde, neben der wirklichen Welt. Und die war natürlich toll. Und Aids hat dem dann einen ziemlichen Riegel vorgeschoben, ’ne Weile. Ja, und auch die Community irgendwie zum Explodieren oder Implodieren gebracht.

taz: Ist das dein Eindruck?

Georgette Dee: Ja und nein. Also bei der Bundestagswahl 2017 haben die blauen Seiten (gemeint ist ein schwules Datingportal – Anm. d. Red.) auch eine Umfrage gemacht. Und die Prozentzahlen bei den Parteien waren fast identisch mit den Umfrageinstituten. Also AfD 12 Prozent, auch bei den Schwulen. Da dachte ich, irgendwie hat es etwas Beruhigendes, es ist also Normalität eingekehrt. Aber es ist auch zum Kotzen.

taz: Meinst du, die Bewegung ist politisch eher weniger weit als in den 1980ern?

Georgette Dee: Ich weiß es nicht, ich finde es auf der anderen Seite ganz schön in den Zeiten, in denen wir jetzt leben: Es gibt einfach sichtbare alte Schwule und das hat es zu meiner Zeit nicht gegeben. Und das finde ich ganz wichtig. Und ich weiß auch, dass viele Jungs das sehr schätzen.

taz: Du hast eine Zeitlang wieder bei Lüneburg gelebt, aber dann bist du zurück nach Berlin gezogen. Wieso?

Georgette Dee: Ich bin wieder hergezogen vor über zehn Jahren an den Nollendorfplatz, in ein Atelier. Da wollte ich nämlich Kunst machen. Und das ging natürlich gar nicht. Also in den 1980ern habe ich eine Postkarte an die Litfaßsäule geklebt und war drei Wochen ausverkauft. Ja, und im Jahre 2012 hätte ich nackend über den Kudamm mit Trompeten gehen können, es wäre trotzdem keiner gekommen.

taz: Aber du bist trotzdem geblieben. Hat sie auch was Gutes, die Stadt?

Georgette Dee: Berlin war immer ’ne Hassliebe. Aber die Westberliner haben immer so eine schöne Distanz gehabt zu den Menschen und gleichzeitig so eine Neugier. Erst mal wird alles gelten gelassen. Da wird nie erst mal gemeckert oder bekrittelt oder so. Und wenn es nicht passt, geht man eher weg, als dass man was sagt. Meine Ostberliner Jungs, die waren viel frecher. Also, wenn denen was gestunken hat, haben sie gleich auf die Pauke gehauen. War auch lustig. Aber das mochte ich an den Westberlinern immer so gerne, dass die so eine weite Range hatten von Geltenlassen.

taz: Bist du auch so?

Georgette Dee: Vielleicht. Also mein Nachbar ist ein strammer AfD-Wähler und wir verstehen uns prächtig. Aber dann wollte der irgendwann neulich mal über die ganzen Ausländer schwadronieren. Dann habe ich gesagt, mein Lieber, nicht mit mir, lass uns über Blumen reden. Dann war das gegessen. Dann hatte er das auch geschnallt, denn es ist ja reines Aufplustern.

Tja, was Glück ist, fragt sich Georgette Dee manchmal auch. Einfach so herumsitzen und in den Garten schauen vielleicht?

taz: Du lebst hier quasi auf dem Land.

Georgette Dee: Ja, weil ich auf dem Land groß geworden bin. Und ich bin eigentlich nie Großstädter geworden. Das hier ist für mich die perfekte Symbiose. Zwischen Rieselfeldern und Heerstraße.

taz: Fällst du hier am Stadtrand auf?

Georgette Dee: Ach, die kennen mich hier in meinem Spandauer Look. Also Schlabberhosen und schräg sitzende T-Shirts. Und wenn ich dann mal so ein bisschen aufgebrezelt nur in die Tankstelle fahre, dann zucken die schon zusammen. Also mit Bewunderung. Und ich finde das super. Ich liebe meine Rentner-Elastikhosen, die man bis unter die Arme hochziehen kann. Wenn ich durch Pichelsdorf schleiche, glaubt kein Mensch, dass ich eine berühmte Sängerin bin.

taz: Du verreist auch gerne. Hat die Welt dich immer genauso offen aufgenommen wie Pichelsdorf?

Georgette Dee: Die haben auch geschimpft. Das war im Oman und auch in Saudi-Arabien und in Katar. Aber wahrscheinlich nur, weil du einfach ein weißer Schwuler warst. In Ägypten hatte ich manchmal das Gefühl, dass die mich anstarrten. Weil nach deren Verständnis konnte es so was wie mich gar nicht geben. Aber ich stand dann vor ihnen auf der Straße, das hatte fast so einen Alien-Effekt. Und im Libanon auch. Da bin ich einmal abends draußen gewesen und hab gedacht, oh, jetzt muss ich mal Fersengeld geben. Aber eben auch manchmal genau das Gegenteil, dass ich von fremden Jungs zum Tee ins Haus eingeladen wurde. Und dann wieder … in Kuba, da bin ich auf Liebe gestoßen. Das war völlig verblüffend. Bei einem Mann, der sonst nur mit Frauen schlief. Aber das war irgendwie ganz klar. Er liebte mich und ich ihn. Ich habe dem aber nicht nachgegeben. Und er hat die ganze Nacht geweint. Neben mir. Und dann habe ich ihm vorgesungen. Lieder vorgesungen. Und er hat sich beruhigt.

taz: Hast du mal das Gefühl gehabt, etwas verpasst zu haben?

Georgette Dee: Ich denke nicht. Aber ich gehe über die Straße, sehe zehn Jungs und denke, die hast du jetzt auch alle nicht gekriegt. Wenn es nach mir ginge, könnte ich den ganzen Planeten ficken.

taz: Was ist das Glück, Georgette?

Georgette Dee: Ja, das frage ich mich auch manchmal.

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