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Finanzierung von IntegrationskursenPolitik untergräbt Arbeitsaufnahme von Geflüchteten

Po­li­ti­ke­r*in­nen fordern von Migrant*innen, schnell Jobs zu finden. Integrationskurse helfen dabei, zeigt eine neue Studie. Doch die Kurse sind bedroht.

Integrationskurs für Frauen im Projekt „Arbeit und Leben“ Foto: Fredrik von Erichsen/dpa

Berlin taz | Geflüchtete, die Integrationskurse besuchen, finden danach schneller und häufiger einen Job als ohne Kursteilnahme. Das geht aus einer Studie hervor, die das Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), die Agentur für Arbeit und das Immigration Policy Lab (IPL) durchgeführt haben. Besonders brisant sind die Ergebnisse, weil die Finanzierung von Integrationskursen aktuell wackelt und sich gleichzeitig die gesellschaftliche Stimmung gegenüber nichtarbeitenden Geflüchteten immer weiter verschärft.

Die Au­to­r*in­nen verglichen in ihrer Studie Geflüchtete, die Integrationskurse besucht hatten, mit solchen, die an sogenannten provisorischen, also kürzeren Sprachkursen teilgenommen hatten, und einer dritten Gruppe, die gar keinen Unterricht besucht hatte. Bei den Be­su­che­r*in­nen von Integrationskursen lag die Erwerbsquote später 12 Prozentpunkte höher als bei den anderen beiden Gruppen.

Damit bestätigt die Studie, was eigentlich auf der Hand liegt: Wer besser Deutsch kann und eine Einführung in die deutsche Gesellschaft bekommen hat, findet schneller eine Arbeit. Man sollte meinen, dass die Sprachkurse deshalb auch den deutschen Po­li­ti­ke­r*in­nen ein Anliegen sind. Schließlich postulieren Ver­tre­te­r*in­nen sämtlicher Parteien immer wieder, dass Geflüchtete zu arbeiten haben.

CDU-Chef Friedrich Merz sagte etwa kürzlich über Syrer in Deutschland: „Zwei Drittel arbeiten nicht. Von denen können viele zurück und müssen viele zurück.“ Grünen-Vizekanzler Robert Habeck äußerte sich ähnlich. Und schon im Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt: „Wir wünschen uns, dass diejenigen, die aus der Ukraine hier sind, soweit sie arbeitsfähig sind, jetzt auch arbeiten.“

Finanzierungslücke bleibt

In Anbetracht dessen ist es nicht nur paradox, sondern geradezu zynisch, dass die Finanzierung der Integrationskurse derzeit infrage steht. Ursprung der Probleme ist, dass die Ampelparteien in ihrem ersten Entwurf für einen Haushalt 2025 mit 500 Millionen Euro nur halb so viel Geld für die Kurse vorsahen wie bisher. Zwar wurde der Entwurf ohnehin nicht mehr beschlossen, doch die Finanzierungslücke bleibt.

Auch eine vage Vereinbarung zwischen Bundesfinanzministerium und dem Bundesinnenministerium, dass die Kurse weiter finanziert werden, ändert kaum etwas an der Unsicherheit für Träger und Sprachlehrer*innen. Und eine neue Bundesregierung könnte es womöglich bei den Einsparungen belassen.

Davor warnen die Au­to­r*in­nen der Studie. Sie verweisen auch darauf, dass die Folgen nur schwer umzukehren sein dürften. Niklas Harder vom DeZIM-Institut sagt: „Wenn dort nun gekürzt werden soll, muss allen klar sein: Gute, über längere Zeit gewachsene Angebote lassen sich im Bedarfsfall nicht einfach so reaktivieren.“

Aktualisiert und ergänzt am 08.01.2025 um 14:40 Uhr. d. R.

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10 Kommentare

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  • "Geflüchtete, die Integrationskurse besuchen, finden danach schneller und häufiger einen Job als ohne Kursteilnahme".. Wie wäre es mit der Möglichkeit, dass Geflüchtete, die sich um einen Integrationskurs bemühen und aktiv teilnehmen, vielleicht generell etwas motivierter sind.

  • Machen wir uns ehrlich, meine Damen und Herren. Menschen die Deutsch können kann man schlechter skandalisieren, wo kommen wir denn hin wenn wir gelingende Integration haben? Mobilisieren für Politik für Menschen deren Reichtum dekadent ist kann man nur mit Ausländerhass, das hat die AfD gezeigt.

  • Es bleibt die alte Frage, jenseits der finanziellen Bedürfnisse der Bildungsunternehmer*innen: Wieviel Kurse braucht ein Mensch wirklich, bevor er seine Fähigkeiten ganz praktisch unter Beweis stellen kann und vielleicht sogar muss?

  • Den Leuten die Kurse streichen und sie dann beschimpfen (und mit Abschiebung bedrohen!), wenn sie keine Arbeit finden.

    So funktioniert Integration 2025 in Deutschland.

  • Die Integrationskurse sind fürchterlich ineffizient. Zu große Klassen und zu wenig Sortierung. Da sitzen Akademiker neben funktionalen Analphabeten und es wird nicht nach Muttersprachen sortiert. Die Antwort darauf können natürlich nur mehr und bessere Integrationskurse sein.

    • @Claude Nuage:

      Ich als Integrationskursleiter sehe das anders. Zum einen liegt die Gruppengröße bei max. 25 Teilnehmern, da dürften viele Regelschullehrer neidisch werden. Und Erwachsene sollten in größeren Gruppen leichter zu handeln sein als Kinder. Funktionale Analphabeten bekommen übrigens zuerst Aphabetisierungskurse und es gibt spezifische Lehrwerke für diese Gruppe. Eine Sortierung nach Muttersprachen ist tatsächlich nicht förderlich. Ich habe nach der ersten Ankunft vieler ukrainischer Flüchtlinge eine Art Auffangkurs für diese angeboten, weil ich den Unterricht zumindest einigermaßen auf Russisch halten kann. Das Ergebnis ist, dass die Schüler untereinander und, wenn möglich, mit dem Leiter nur die Muttersprache benutzen. Das nützt gar nichts. Das zentrale Problem ist eher der Mangel an Kursleitern im Verhältnis zur Zahl der Kundschaft. Dass z.B. Wiederholungskurse jetzt wegfallen, ist eher nützlich als schädlich. Man hat halt nur noch einen Versuch und kann sich nicht auf der möglichen Wiederholung ausruhen. Die nutzt nämlich erfahrungsgemäß gar nichts und blockiert den Platz nur für andere.

  • In den USA gibt es so gut wie keine Integrationskurse, aber fast alle Migranten haben irgendeine Arbeit. Sie müssen ja auch arbeiten, weil es - auch für Flüchtlinge - keine oder nur wenig Sozialleistungen gibt. Es gibt auch die Argumentation, dass gerade dies - der faktische Zwang, eine Arbeit aufzunehmen - die Integration mittelfristig fördert, und so ganz falsch kann das ja auch nicht sein. Wer zuhause sitzt, ist jedenfalls auch nicht gezwungen, die Sprache zu lernen und sich mit dem neuen Land auseinanderzusetzen.

  • Danke, dass Sie dieses Thema veröffentlichen..



    In den Volkshochschulen wird schon seit längerem gebangt, wie die über Jahre gewachsenen Kurse Fortbestand haben können.



    Keine Planungssicherheit für Geflüchtete, Dozent:innen und Träger:innen.



    Eine politische Frechheit.

  • Zwei Schritte vor, einen zurück - wie schön wäre es, wenn hierzulande mal endlich eine stringente Integrationspolitik verfolgt werden würde.

  • Das gab es doch aber diese Vergleichsstudie zwischen Deutschland und den Biederlanden zu Ukrainern.

    Die Erwerbsquote der ukrainischen Flüchtlinge in der Niederlanden war zu dem Zeitpunkt fast doppelt so hoch.

    Der vermutete Punkt war, dass die Niederländer die Ukrainer nicht erst längere Zeit in Sprachkurse schicken.

    Das deutsche System schien ineffektiv.

    Seitdem gibt es verstärkt die Diskussion um die Erwerbstätigkeit von Flüchtlingen in der Politik.