: Kreative Buchführung
Teils stümperhaft, teils fehlerhaft: In der Sparliste der Kulturverwaltung gibt es etliche Ungereimtheiten
Von Rainer Rutz
Es wirkt wie ein winziges Detail. Trotzdem ist es bezeichnend für die von CDU und SPD vorgelegten „Konsolidierungslisten“ für das Haushaltsjahr 2025, dass unter den von Kultursenator Joe Chialo eingereichten Einzelposten an einer Stelle ein Kürzungsvorhaben auftaucht, das dort überhaupt nicht hingehört. Zumindest nicht in der Größenordnung.
Die Rede ist vom jüngst gestrichenen eintrittsfreien Museumssonntag. In der ersten Sparliste wie auch in der jüngsten Korrektur ist das kulturelle Teilhabeprojekt des rot-grün-roten Vorgängersenats mit einem Einsparvolumen von 2 Millionen Euro unter den „Sonstigen Zuschüssen an Museen“ aufgeführt.
Das Problem: Im 2023 verabschiedeten Haushaltsplan der Kulturverwaltung findet sich zwar genau hier ebenfalls ein Betrag zum Museumssonntag. Nur beläuft der sich bei den „Sonstigen Zuschüssen“ nicht auf 2 Millionen, sondern lediglich 251.000 Euro, gelabelt als „Maßnahmen zur Senkung der Zugangsbarrieren, Öffentlichkeitsarbeit, eintrittsfreie Zeit“. 2 Millionen von 251.000 wegkürzen?
„Das ist Mumpitz“, sagt Daniel Wesener, Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion und ehemaliger Finanzsenator. Die 2 Millionen Euro seien zwar eine realistische Gesamtgröße für den Museumssonntag. Der Betrag finde sich im eigentlichen Chialo-Etat aber nicht als Sammelposten unter „Sonstiges“, sondern kleinteilig aufgesplittet in den jeweiligen Zuschüssen an die einzelnen Museen.
Auch wenn es, so Wesener zur taz, „haushaltsrechtlich in Ordnung geht“, dass der Betrag nun einfach irgendwo zusammengefasst wurde: „Es zeugt davon, dass sich die Koalition hier einen schlanken Fuß gemacht hat. Die haben sich gar nicht bemüht, in die einzelnen Ansätze zu gehen.“ Das könne man machen, sei aber „schlampig“.
Luftbuchung Stadtmuseum
Überhaupt gebe es gerade in Chialos Kürzungslisten eine Reihe von Beispielen, wo die Koalition teilweise nicht ordentlich, teilweise aber auch fehlerhaft vorgegangen sei. Letzteres betreffe etwa den anvisierten Ausstieg der Stiftung Stadtmuseum Berlin aus dem Humboldt Forum. 3,6 Millionen Euro glaubt Chialo mit dem Auszug der Berlin-Ausstellung der Stiftung im ersten Obergeschoss der Stadtschloss-Imitation einsparen zu können. „Nichts gegen den Auszug“, sagt Wesener: „Aber auch das ist eine Luftbuchung, denn auch hier laufen Verträge. Die können nicht sagen: Zum 1. Januar ziehen wir aus und dann hat sich die Sache.“
Wie der Tagesspiegel berichtet, sei das Stadtmuseum nicht nur „aus organisatorischen und vertraglichen Gründen“ vorerst weiter an den Standort gebunden. Hinzu komme, dass ein Auszug auf die Schnelle ohnehin mehr Ausgaben als Einsparungen produzieren würde. Wann die Koffer im Stadtschloss gepackt werden können, ist aktuell dann auch völlig offen. 2025 dürfte es nicht sein.
Unterm Strich zeichne sich bereits jetzt ab, „dass das Haushaltschaos 2025 weitergehen wird, zumindest im Kulturbereich“, sagt Wesener auch mit Verweis auf einen Eintrag mit dem Titel „Haushaltsreste“. Es handelt sich hierbei um eine neu aufgenommene, zusätzliche Pauschalkürzung, die in der jüngsten Korrekturrunde auch noch um rund eine Million auf nun minus 10,7 Millionen Euro erhöht wurde. Derzeit weiß niemand, wer davon betroffen sein wird. „Zur Wahrheit gehört daher, dass es zu weiteren Kürzungen kommen wird – auch bei Einrichtungen und Projekten, die in der Einsparliste des Senats nicht auftauchen“, ließ Chialo die von seinem Haus geförderten Einrichtungen bereits Ende November wissen.
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