Russische Aktivitäten in Libyen: Kein Assad, kein Afrika?
Syriens Befreiung könnte Russlands ständige Militärpräsenz am Mittelmeer beenden. Das verkompliziert die russischen Aktivitäten in der Sahelzone
Sie waren auch Drehkreuze zur Versorgung russischer Militärkontingente in Libyen, den Sahelstaaten Mali, Niger und Burkina Faso, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik, die dort erst als private Sicherheitsfirma „Wagner“ präsent waren und heute, seit der formellen Auflösung Wagners, als russisches „Afrikakorps“. Darauf weist die Politologin Nina Wilen hin, Direktorin des Afrikaprogramms des führenden Brüsseler außenpolitischen Thinktanks Egmont Institute.
Es gibt widersprüchliche Angaben darüber, ob Russland im „neuen Syrien“ militärisch präsent bleiben will oder nicht. Doch Satellitenaufnahmen der US-Firma Maxar, die 2022 als erste den russischen Einmarsch in der Ukraine nachwiesen, belegen einen Teilabzug der russischen Marine aus Tartus, zumindest in internationale Gewässer. Russische Truppen haben in Syrien mehrere Basen aufgegeben.
Der syrische Hafen Tartus ermöglicht es der russischen Marine, dauerhaft im Mittelmeer stationiert zu bleiben, ohne regelmäßig zur Versorgung ins Schwarze Meer zurückkehren zu müssen und damit auf das Passieren des Bosporus angewiesen zu sein. Anfang vergangener Woche war die Marinebasis nach US-Berichten komplett leer.
Logistische Drehscheibe
Die syrische Luftwaffenbasis Hmeimin, auf einem ehemaligen zivilen Flughafen eingerichtet, diente 2020 zum Transit von russischen Mig-29-Kampfflugzeugen nach Libyen auf die zentrallibysche Luftwaffenbasis Jufra im Gebiet, das der von Moskau unterstützte Marschall Chalifa Haftar kontrolliert, wie Satellitenaufnahmen des US-Afrikakommandos Africom belegten. Russische Kampfflugzeuge gelangten auch aus Syrien ins ostlibysche Bengasi und al-Watiya. Anton Mardasov, Militärexperte des russischen Rates für Internationale Angelegenheiten in Moskau, bestätigt auch die Rolle von Jufra als logistische Drehscheibe für Russland in Richtung Sudan und Zentralafrikanische Republik.
In Ostlibyen sind nach Angaben des US-amerikanischen Institute for the Study of War 1.800 russische Kämpfer stationiert, dazu kommen Kontingente in den von russlandfreundlichen Militärregierungen regierten Sahelstaaten Mali, Niger und Burkina Faso – bis zu 2.000 in Mali und mehrere Hundert in den anderen beiden Ländern. In Malis Hauptstadt Bamako ist eine russische Militärbasis entstanden, in Niger sind russische Militärangehörige in die von den USA aufgegebenen Militärbasen eingerückt. Es hat Berichte über russische Militärausbilder in Burkina Faso und Tschad gegeben. Am ältesten ist die russische Militärpräsenz in der Zentralafrikanischen Republik, seit 2018.
Die Frage stellt sich nun, wie Russland seine Basen in Afrika versorgen kann, wenn Syrien ausfällt. Die kürzeste Meeresroute führt durch den Bosporus und ist wegen des Ukrainekrieges für Kriegsschiffe gesperrt.
Flugzeuge aus Russland müssen Umwege über die iranischen und saudischen Lufträume nehmen. Alle Routen werden jetzt teurer. Nach Angaben französischer Militärexperten verhandelt Russland seit einem Jahr mit dem ostlibyschen Machthaber Haftar über eine Marinebasis an Libyens östlicher Mittelmeerküste, von Bengasi und Tobruk ist die Rede.
Diskussionen zu Abkommen aufgenommen
Die jahrelang auf Eis gelegte Umsetzung eines Abkommen zwischen Russland und Sudans Militärmachthaber al-Burhan über eine russische militärische Nutzung von Port Sudan am Roten Meer aus dem Jahr 2019 wird seit einigen Monaten ebenfalls wieder diskutiert.
Ähnliche Diskussionen gibt es mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der sich von Russland ein Atomkraftwerk in Daba’a nördlich von Kairo bauen lässt. Seit 2017 nutzt Russland die nordwestägyptische Luftwaffenbasis Sidi Barrani nahe der libyschen Grenze zur Versorgung des russischen Afrikakorps in Libyen.
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