: Vietnam verschärft Internetzensur
Am 25. Dezember tritt in Vietnam eine neue Verordnung in Kraft, nach der auch internationale Webseiten dem Staat Nutzerdaten zur Verfügung stellen müssen – ein weiterer Schritt der Verfolgung von Kritik
Von Marina Mai
Vietnam verschärft die Internetzensur weiter. Am 25. Dezember tritt ein neuer Erlass in Kraft, der die Kontrolle über die Internetnutzung weiter intensiviert. Er verpflichtet Social-Media-Plattformen wie Facebook, Youtube und X sowie alle Einzelpersonen und Firmen im In- und Ausland, die in Vietnam online 100.000 und mehr Nutzer pro Jahr erreichen, Nutzerdaten zu speichern und sie den vietnamesischen Behörden auf Anfrage zur Verfügung zu stellen. Bei Zuwiderhandlungen werden ihre Webseiten in Vietnam gesperrt.
Damit sollen kritische Blogger und Dissidenten, die oft unter Pseudonym publizieren, gefunden und verfolgt werden. „Das hilft den Behörden, die wahre Identität zu identifizieren, und hilft bei der Untersuchung und Behandlung von Verstößen“, sagte Nguyen Tien Ma vom Kommunikationsministerium gegenüber dem staatlichem TV-Sender VTV.
In Vietnam werden alle staatlichen Medien kontrolliert. Viele Bürgerjournalisten, die lange die sozialen Netzwerke nutzten, um ihre Nachrichten zu verbreiten, sitzen in Haft. Einige wurden wegen „Propaganda gegen den sozialistischen Staat“ zu bis zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Prominenteste ist Pham Doan Trang, Preisträgerin von „Reporterin ohne Grenzen“ 2019. Als sie geehrt wurde, lebte sie im Untergrund. Knapp zwei Jahre später wurde sie festgenommen und zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Vietnam auf Platz 174 von 180 Staaten weltweit.
Weiter müssen alle von Vietnams Behörden als „illegal“ eingestuften Inhalte innerhalb von 24 Stunden von Netzwerkbetreibern entfernt werden. Wenn Privatpersonen oder NGOs aus Vietnam die Entfernung von Inhalten verlangen, muss das innerhalb von 48 Stunden passieren. Andernfalls droht die Sperrung des gesamten Kontos in Vietnam.
Das betrifft vor allem im Ausland sitzende vietnamesischsprachige Medienanbieter wie die BBC, Voice of America, Radio Free Asia, das in Berlin erscheinende Internetportal Thoibao.de und vergleichbare Angebote aus Taiwan, Deutschland, Tschechien, Polen und Frankreich. Mussten Vietnams Behörden bisher beispielsweise bei Youtube jedes Video, das ihnen nicht gefällt, einzeln für Vietnam sperren lassen, so können sie nunmehr ganze Videokanäle sperren. Begründet wird dies mit der „nationalen Sicherheit“ und Verstößen gegen Vietnams Moral, Bräuche und soziale Ordnung.
Bereits heute verlangen Behörden, Privatpersonen und Vereine von Journalisten im Ausland die Sperrung oder Löschung von Inhalten. Der in Berlin lebende Journalist Trung Khoa Le ist beispielsweise damit konfrontiert, dass ein vietnamesischer Fußballverband das Urheberrecht an seinen in Berlin produzierten Videos zu unrecht für sich reklamiert, obwohl diese Videos noch nicht einmal etwas mit Fußball zu tun haben. Die ins Ausland verbannte Gegenöffentlichkeit zu den staatlich zensierten Medien in Vietnam soll nicht mehr in Vietnam hör- und lesbar sein. Dabei waren die sozialen Medien bislang ein Schlupfloch, um millionenfach Gehör zu finden.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert Vietnam auf, die neue Verordnung aufzuheben und das Cybersicherheitsgesetz von 2018 gleich mit. „Da die vietnamesische Polizei jede Kritik an der Kommunistischen Partei als eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit betrachtet, wird dieses Dekret ein weiteres Instrument zur Unterdrückung von Dissidenten sein“, sagt Patricia Gossman, stellvertretende Asien-Direktorin von Human Rights Watch.
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