: Im VisierderNationalisten
Auch in Rumänien ist die extreme Rechte bei Wahlen zunehmend erfolgreich. Sie kämpft gegen den Westen, den gesellschaftlichen Fortschritt und die Aufarbeitung rumänischer Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Die Journalistin Adina Marincea klärt darüber auf – und wird deshalb bedroht und diffamiert
Aus Bukarest und Wien Jean-Philipp Baeck und Javier Luque Martínez
Wenn Adina Marincea in Bukarest durch die Straßen schlendert, kann sie nicht mehr übersehen, dass sie Feinde hat. Oder vielmehr: dass Nationalist*innen sie als ihre Feindin auserkoren haben – für ihre Arbeit als Journalistin, als Wissenschaftlerin und als emanzipierte Frau. In einer Seitenstraße, unweit der belebten Altstadt von Rumäniens Hauptstadt, zeugt davon ein Graffiti. „Ana Pauker ist nicht gestorben, sie hat sich als Adina geschminkt“, steht dort auf Rumänisch in schwarzen Lettern an einer Hauswand, gefolgt von einem Keltenkreuz, einem Erkennungszeichen der faschistischen Szene.
Das Graffiti ist eine sexistisch, antisemitisch und antikommunistisch konnotierte Diffamierung der Journalistin Marincea – in Rumänien ist das durch den Verweis auf Ana Pauker verständlich. Pauker war Jüdin, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, von 1947 bis 1952 Außenministerin Rumäniens – und eine Frau. Sie verkörpert für die Ultrarechten somit gleich dreifach das Übel der Moderne. Der Spruch, der Marincea mit ihr in Verbindung bringt, ist mittlerweile teilweise übermalt, die eigentliche Botschaft darunter aber noch zu erkennen.
Die beschmierte Hauswand zeugt in der analogen Welt von einer Hetzkampagne, mit der Marincea seit knapp drei Jahren vor allem digital überschüttet wird.
Rumäniens Rechte wähnen sich schon seit einiger Zeit in einem Kulturkampf gegen eine gesellschaftliche Erneuerung in dem Land, das von dem schroffen Gegensatz zwischen den armen ländlichen Regionen und der kosmopolitischen Metropole Bukarest mit seinen hippen Bars und einem boomendem IT-Sektor geprägt ist. Nationalist*innen greifen Veranstaltungen der LGBTQI-Szene an, die in Bukarest stark und präsent ist, sie agitieren gegen die Westbindung in EU und Nato und leugnen Rumäniens Holocaust während der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie kämpfen für Gott und Großrumänien, ihre Leitbilder sind die traditionelle Familie und die faschistische Legionärsbewegung aus vergangener Zeit.
Das zeigt sich überall im Bukarester Straßenbild. An Laternenpfählen erklären Sticker „Bessarabien“ zu einem Teil Rumäniens, jenen Landstrich also, der heute in der Republik Moldau und der Ukraine liegt. Daneben werben Aufkleber für neofaschistische Organisationen, mit durchgestrichenen Antifa-Zeichen oder antikommunistischen Symbolen. An Häuserwänden präsentiert sich Antisemitismus: Die Plakate, die an die israelischen Geiseln der Hamas erinnern sollen, sind fast alle zerrissen und mit rechtsextremen Emblemen verunstaltet.
Laut sind die Nationalist*innen vor allem im Netz, doch sie feiern auch im realen Leben Erfolge. Umfragen sagen für die anstehende Parlamentswahl am Sonntag, den 1. Dezember, beachtliche Erfolge der rechten Parteien voraus. Eine Woche zuvor erlebte Rumänien davon einen Vorgeschmack: Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl errang überraschend der parteilose Rechtsextremist Călin Georgescu mit knapp 23 Prozent die meisten Stimmen. Er tritt nun am 8. Dezember in einer Stichwahl gegen Elena Lasconi an, die Kandidatin der neoliberalen Technokratenpartei „Union Rettet Rumänien“ (USR), die rund 20 Prozent der Stimmen erzielte. Lasconi gilt in der Stichwahl als Favoritin. Laut Umfrage vor der ersten Wahlrunde wünscht sich eine deutliche Mehrheit der Rumänen ein prowestliches und erfahrenes Staatsoberhaupt.
Gegen Georgescu war vor zwei Jahren noch wegen der Verherrlichung von Verantwortlichen des Holocaust ermittelt worden, was jedoch im Sande verlief. Er hatte vor allem mit einer Kampagne auf der Social-Media-Plattform Tiktok Wählerstimmen gewonnen, warb mit prorussischen Parolen und einer Wiedergewinnung der vermeintlich verlorenen nationalen Souveränität Rumäniens. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, aber auch einer generellen rechten Mobilisierung fand das mehr Zustimmung als erwartet.
In dieser Atmosphäre rechter Selbstverteidigungsphantasien, die auch Georgescu bedient, wird die Journalistin Marincea zu einer Art Gegenspielerin. Sie bietet viel Projektionsfläche für rechten Hass: Marincea ist promovierte Kommunikationswissenschaftlerin und beobachtet für das Bukarester Elie-Wiesel-Institut die populistische und extreme Rechte Rumäniens insbesondere im digitalen Raum. 2021 begann sie zudem, in der reichweitenstarken Zeitung „Libertatea“ auch einer breiteren Öffentlichkeit von ihren Erkenntnissen zu berichten – in meinungsstarken Beiträgen, die sie mit Belegen untermauerte.
Auf den Hass hat Marincea sich vorbereitet. Ein paar Tage, bevor ihr erster kritischer Artikel erschien, stellte sie ihre Konten in den sozialen Medien auf privat, durchsuchte das Netz nach ihren persönlichen Kontaktinformationen, räumte auf. Wer vorhatte, ihr zu schaden, sollte nicht auch noch biografische Details gegen sie verwenden können.
Als sie am 31. Januar 2022 erstmals über die rechtspopulistische Partei AUR und deren Verbindungen zu faschistischen Organisationen aufklärte, folgte das befürchtete Echo prompt. Seitdem überziehen Rumäniens Rechtsextremisten sie kontinuierlich mit Drohungen, Entwürdigungen und Beleidigungen, es wurden sexistische Gedichte über sie geschrieben und das Anti-Marincea-Graffiti in die Stadt geschmiert. Die Urheber sind rechte Ultra-Gruppen, faschistische Publizisten, Politiker*innen und sogar ein ehemaliger Oberst des Inlandsgeheimdienstes.
„Mit der Zeit habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt und akzeptiert, dass es einige Risiken gibt“, sagt Marincea. An einem heißen Tag im April 2024 sitzt sie für ein Interview im Konferenzraum des Elie-Wiesel-Instituts in Bukarest. An den Wänden erinnern Zeichnungen an die Gräuel des Holocaust, in einer Anrichte stehen ein paar Geschichtsbände hinter Glas.
Gegründet wurde das Institut 2005, es ist staatlich finanziert und heißt mit offiziellem Namen „Landesinstitut für das Studium des Holocaust in Rumänien ‚Elie Wiesel‘“. Dass neben Marincea auch das Institut immer wieder im Fadenkreuz der Ultrarechten ist, hängt mit Rumäniens jüngerer Geschichte zusammen. Das Institut ist mit der Aufarbeitung der Verbrechen während des Antonescu-Regimes verbunden und beides wiederum eng mit der Bindung des Landes an den Westen, als Rumänien Anfang der 2000er Jahre die Aufnahme in die Nato und die EU bevorstand.
Auf internationaler Bühne ging die damals in Rumänien verbreitete Holocaustrelativierung nicht mehr durch, wie sie im Sommer 2003 selbst der damalige Präsident Ion Iliescu noch öffentlich vertrat. Die öffentliche Kritik im Nacken und die Westbindung im Blick, gründete Iliescu noch im selben Jahr die „Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien“. Geleitet wurde sie von dem in Rumänien geborenen Shoa-Überlebenden und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, weshalb sie als „Wiesel-Kommission“ bekannt wurde. Die Gründung des Wiesel-Instituts geht direkt darauf zurück.
Erst der Abschlussbericht, den die Kommission 2004 vorlegte, setzte in Rumänien eine breitere öffentliche Debatte über die Verbrechen des Regimes während der Zeit des faschistischen Marschalls Ion Antonescu in Gang. Motiviert durch nationalistische Verblendung, waren die Verbrechen aus dieser Zeit unter dem stalinistischen Diktator Nicolae Ceaușescu jahrzehntelang unterdrückt worden.
Antonescu beherrschte Rumänien zwischen 1940 und 1944 und war mit der faschistischen Legionärsbewegung verbunden, einer Massenbewegung der Zwischenkriegszeit. Unter Antonescus Regime wurden bis zu 380.000 rumänische und ukrainische Juden sowie mindestens 11.000 Roma ermordet – in einem eigenen rumänischen Holocaust, der unabhängig von den nationalsozialistischen deutschen Verbündeten verbrochen wurde.
Das Elie-Wiesel-Institut liegt heute am Boulevard Dacia, einer der zentralen Hauptstraßen von Bukarest, wo sich Bauten in moderner Architektur sowie Villen im Stile der Belle Époque und des Art déco aneinanderreihen. Draußen vor dem Gebäude wartet eine Sicherheitsperson in einem Wachhäuschen, ein Schild warnt vor Kameraüberwachung.
Ob sie sich geschützt fühlt? Marincea stutzt und runzelt die Stirn. „Überhaupt nicht“, sagt sie. Im Gespräch wirkt sie aufgeräumt, fast abgeklärt. Immer wieder flankiert sie die Schilderung ihrer persönlichen Situation mit Analysen der gesellschaftlichen Lage. An die Polizei habe sie sich wegen der Bedrohungen und Beleidigungen bislang nicht gewandt, sie erwarte keine Hilfe. Wie inkonsequent Hasskriminalität geahndet würde, sehe man etwa an den sehr wenigen Fällen, in denen eine Holocaustleugnung vor Gericht zur Verhandlung kam.
Polizei und Behörden seien oft selbst Teil des Problems, sagt Marincea. „So wie bei Emilia Șercan.“ Der Fall der rumänischen Investigativjournalistin Emilia Șercan hatte auch international Aufsehen erregt: Wenige Monate, nachdem sie im Jahr 2022 unter anderem Rumäniens Premierminister Nicolae Ciucă beschuldigte, bei seiner Doktorarbeit plagiiert zu haben, tauchten gestohlene, persönliche Fotos von Șercan auf Pornoseiten auf. Nach einer Anzeige bei der Polizei kam es noch schlimmer: Material, das Șercan den Ermittlern übergeben hatte, wurde bereits weniger als eine Stunde später erneut veröffentlicht. Es war mutmaßlich aus den Reihen der Polizei an Medien übergeben worden.
Die taz und das International Press Institute (IPI) in Wien haben den Fall der Journalistin Adina Marincea über Monate begleitet, die Kampagne gegen die Journalistin rekonstruiert und die Urheber mit ihren Hassbotschaften konfrontiert. Gemeinsam mit Datenanalysten konnten die wichtigsten Verbreitungskanäle für die Hetze und deren Narrative identifiziert werden.
Ein ausführlicher Bericht über Adina Marinceas Fall findet sich auf den Seiten des IPI: tinyurl.com/case-study-marincea
Zu den häufigsten Verleumdungen, die Adina Marincea betreffen, gehörten neben explizit antisemitischen und sexistischen Beleidigungen vor allem Anschuldigungen, sie sei eine „Verräterin“ oder eine „ausländische Agentin“, sowie Behauptungen, dass sie durch ihre Arbeit ein autoritäres Regime fördere, das angeblich den Interessen einer sogenannten globalen Elite diene.
Diese Erzählungen zielen darauf ab, das Vertrauen der Öffentlichkeit in Qualitätsjournalismus zu untergraben und Journalist*innen einzuschüchtern. Sie finden sich auch bei Desinformationskampagnen in anderen europäischen Ländern, mit denen versucht wird, Journalist*innen zum Schweigen zu bringen. Mehr Informationen dazu finden Sie im Netz unter: https://observatory.ipi.media/
Die NGO ActiveWatch sieht darin eine pressefeindliche Tendenz. Die Organisation hat sich der Beobachtung der Pressefreiheit in Rumänien verschrieben und kritisiert eine zunehmende Kontrolle und Zensur digitaler Kommunikation. Kritische Journalist*innen würden Ziel von Diskreditierungen und Drohungen durch Politiker, Militärs und Geschäftsleute. Vor allem auch die rechtsnationalistische Partei AUR habe öffentliche Angriffe und Verunglimpfungskampagnen gegen Medienorganisationen gestartet.
Doch Șercans Fall und ebenso die Arbeit von Marincea und zahlreicher Kolleg*innen zeigen, dass es in Rumänien auch eine selbstbewusste Szene an kritischen Journalist*innen gibt, die sich nicht scheuen, Skandale aufzudecken und zu einem pluralen Diskurs in einer lebendigen Medienlandschaft beizutragen.
Diese Berichterstattung erzeugt Gegenwind. Für Marincea begann alles mit einem Recherchebericht im Januar 2022 in der Zeitung Libertatea, in der sie auch den aktuellen rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu ausführlicher beleuchtete. Georgescu ist heute parteilos, war damals aber noch bei der rechtsnationalen Partei AUR aktiv und kurz zuvor zu deren Ehrenpräsident ernannt worden.
Marinceas Text drehte sich um die Verbindungen Georgescus und seiner Partei zu neofaschistischen Organisationen. Die Journalistin erinnerte daran, dass Georgescu laut dem Nachrichtenportal G4Media im Jahr 2020 in einem Video unter anderem den faschistischen Marschall Antonescu als „Helden der rumänischen Nation“ bezeichnet hatte.
Marinceas Recherchen zeigten, dass zu Georgescus Unterstützern auch ein ehemaliger Soldat der französischen Fremdenlegion zählte, der paramilitärische Wehrsportcamps samt Indoktrination für Jugendliche leitete. Diese würden von Vereinen organisiert, die – wie viele rumänische Rechtsextremist*innen – die ehemalige Legionärsbewegung bis heute verehrten.
Einer dieser Vereine, die „Asociatia ‚Gogu Puiu si Haiducii Dobrogei’“, reagierte auf Marinceas Vorwurf damals auf seiner Facebookseite, die mehrere Tausend Follower hat. Es war nur ein einzelner Beitrag, aber er setzte den Ton durch Delegitimierung und Framing der Journalistin: Sie wurde klein und verächtlich gemacht, begehe Verrat, sei gekauft, keine echte Journalistin und „Neo-Marxistin“.
Und die Reaktionen auf Marinceas Artikel waren damals nur das Vorspiel einer Diffamierungskaskade, die bis heute jeden ihrer kritischen Beiträge begleitet. „Danach wurde es aggressiver“, sagt sie heute.
Die Reihe an Artikeln, die Marincea seitdem veröffentlicht hat, bilden zusammen eine Art Lexikon der aktuellen extremen Rechten Rumäniens. Deren Wut wuchs mit jedem Bericht. Im März 2023 analysierte Marincea die Politik von George Simion. Er ist Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR und trat ebenfalls in der ersten Runde der aktuellen Präsidentschaftswahl an. Nachdem Simion bei der Wahl am vergangenen Sonntag auf Platz 4 landete, kündigte AUR an, in der nun anstehenden Stichwahl den Rechtsextremisten Georgescu zu unterstützen.
Die Partei AUR wurde 2019 gegründet und zog 2020 ins Parlament ein. „Mit ihrem Einzug wurde die extreme Rechte in Rumänien deutlich sichtbarer“, erklärt Marincea. AUR steht als Abkürzung für „Alianța pentru Unirea Românilor“, übersetzt: „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ – und der Name ist Programm. Die Rechtspopulisten träumen von einem Großrumänien und einer Vereinigung mit der Republik Moldau.
Im EU-Parlament gehört die Partei der „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ an, gemeinsam etwa mit den italienischen Fratelli d’Italia und der polnischen PiS-Partei. AUR behauptet von sich, national-patriotisch und christdemokratisch zu sein. Doch Marincea wirft Simion und Parteivertreter*innen Verbindungen zu Neofaschisten, Geschichtsrevisionismus, Rassismus und Antisemitismus vor.
Seit einiger Zeit ist AUR als erfolgreiche extrem rechte Partei in Rumänien zudem nicht mehr allein: Diana Șoșoacă, Rechtsanwältin, Abgeordnete und ehemalige AUR-Politikerin, führt die neue Partei „SOS Romania“ an. Șoșoacă gilt als abgedreht, antisemitisch, europafeindlich und russland-freundlich und überholt die AUR noch von rechts.
Während AUR bei der Europawahl am 9. Juni 2024 mit 14,9 Prozent der rumänischen Stimmen hinter einem Bündnis aus Sozialdemokraten und Liberalen landete, erzielte SOS Romania immerhin knapp über 5 Prozent. Șoșoacă zog dann mit einem weiteren Parteikameraden ins Europaparlament ein. Dort sitzt sie nun direkt neben dem AfD-Abgeordneten Maximilian Krah. Im Wahlkampf hatte Șoșoacă verkündet, auch in Brüssel für die Wiederherstellung des großrumänischen Territoriums in seinen Grenzen von 1918 zu kämpfen. Mitte Mai sprach sie im rumänischen Parlament von einer „jüdisch-bolschewistischen Diktatur“ und leugnete den Holocaust.
Auch Diana Șoșoacă wollte bei den aktuellen Präsidentschaftswahlen in Rumänien antreten – ihre Kandidatur wurde jedoch durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts verhindert, weil ihre öffentlichen Statements nicht mit den verfassungsmäßigen Prinzipien des Amt vereinbar seien. Șoșoacă reagierte per Video mit einem antisemitischen Wutanfall und bezichtigte Amerikaner, Juden und Europäische Union einer Verschwörung. Auf mehrfache Anfragen der taz antwortete sie nicht.
Demgegenüber wirkt Simion, der Anführer der rechtsgerichteten Partei AUR, fast gemäßigt. Jedenfalls will er so wirken. In einem ihrer Artikel ordnete Marincea diese Versuche Simions ein, das Image der Partei zu rehabilitieren. Sie verwies dabei auf andere Partei-Ideologen, die etwa Jüdinnen und Juden vorwerfen, den Kommunismus nach Rumänien gebracht zu haben, und die Verbindungen zu noch rechteren Figuren pflegen – zu Ion Coja, einem ehemaligen Universitätsdozenten und ehemaligen Senator, oder zu Miron Manega. Dieser ist Chefredakteur der Zeitung Certitudinea, die Marincea als antisemitisch und neolegionaristisch einordnet, und die in Bukarest an vielen Zeitungskiosken ausliegt. Auch Manega reagierte nicht auf mehrfache Anfrage der taz.
Auf diesen und einen weiteren Artikel, den Marincea kurz darauf veröffentlicht, erhält sie eine Flut an Reaktionen. „Dass ich die rechtsextremen Verbindungen auch zu intellektuellen und einflussreichen Stimmen aufgezeigt habe, hat sie richtig aufgeregt“, sagt sie.
All das steigert sich irgendwann zu expliziten Drohungen. Eine stammt von Vasile Zărnescu, einem ehemaligen Oberst des rumänischen Inlandsgeheimdienstes. Auf einer nationalistischen Webseite beschimpfte er Marincea sexistisch als „Schlampe“ und „Sau“ und verwies nebenbei auf sein eigenes Buch, in dessen Titel er den Holocaust als „diabolische Lüge“ bezeichnet.
Zărnescu war in Rumänien als einer der ersten überhaupt von einem Gericht wegen Holocaustleugnung verurteilt worden, wobei ein Bukarester Berufungsgericht 2022 entschied, es bei einer einfachen Warnung zu belassen.
Bis heute wiederholt Zărnescu seine Aussagen und hat es dabei auch auf das Elie-Wiesel-Institut abgesehen: Dieses betreibe einen „kulturellen, wirtschaftlichen, finanziellen, demographischen, geistigen Völkermord an Rumänien“, meint er und schreibt: „Die 3.200 Juden in Rumänien – Stipendiaten von außerhalb – greifen uns ständig an, und wir verteidigen uns zu Recht!“ Das Institut erforsche in Wahrheit nicht den Holocaust, meint Zărnescu: „Weil es so etwas nicht gab.“
In einer Antwort auf eine Anfrage der taz legte Zărnescu bei all dem noch mal nach. „Ich habe Adina Marincea nicht beleidigt, ich habe sie lediglich beschrieben“, erklärt er. Und formuliert weitere Tiraden gegen das Elie-Wiesel-Institut, droht mit Ausweisung von deren Mitarbeiter*innen und wiederholt die Leugnung des Holocaust.
Seinen Beitrag auf der nationalistischen Webseite über Marincea hatte Zărnescu damals namentlich als Oberst des Geheimdienstes unterschrieben und mit einer Parole beendet: „Tod den Feinden!“ Das könnte man als Gewaltaufruf deuten, der auch Marincea adressiert. „Für mich war dieser Artikel die bis dahin direkteste Bedrohung und Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen mich“, sagt die Journalistin. Bis heute folgten zahlreiche weitere.
All das hinterlässt bei Marincea Spuren. Nach der Veröffentlichung von Artikeln über die rechtsextreme Szene nehme sie öfter mal ein Taxi, erklärt sie. Oder sie übernachte aus Sicherheitsgründen an verschiedenen Orten. Aber mit den Recherchen aufhören? Daran denkt sie nicht.
Dieser Bericht ist Teil des Rechercheprojekts „Decoding the disinformation playbook of populism in Europe“, das vom International Press Institute in Wien geleitet und in Zusammenarbeit mit Faktograf und taz durchgeführt wird. Das Projekt wird von dem European Media and Information Fund finanziell unterstützt, der von der Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird.
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