piwik no script img

Trier, wie es kämpft und dürstet

Im Amphitheater der rheinland-pfälzischen Metropole toben ab Donnerstag die Bundestagswahl-Spiele

Die neue Trierer Porta Nigra: Hort krasser Politspiele Foto: reuters

Von Patric Hemgesberg

Da gibt es kein Vertun. Die zwei ohnmächtig gewordenen FDP-Abgeordneten müssen an den Füßen und aus der Arena gezogen werden. Derweil inspiziert Alexandra Rettich im Legionärinnen-Outfit den ehemaligen Hexenkessel aus der Römerzeit. Die 43-Jährige ist promovierte Leiterin des Archäologischen Instituts der Universität Köln. Sie hat sich auf die Gladiatorenkämpfe der Spätantike spezialisiert. Für den superkurzen Bundestagswahlkampf soll Rettich diese antike Tradition nun im Auftrag der amtierenden Bundeswahlleiterin aus der Versenkung holen.

„Die Bürger sind doch die ständigen Schlammschlachten, Zänkereien und Provokationen im Politikbetrieb satt“, weiß die Sandalen-Spezialistin. „Viele wünschen sich, dass die demokratischen Parteien endlich konstruktiv und zum Wohle des Landes zusammenarbeiten.“ Rettich bückt sich und hebt beiläufig einen Backenzahn auf.

„Damit sich die aufgeheizte Atmosphäre bereits zu Beginn des Wahlkampfs spürbar abkühlen kann, wird hier ab Donnerstag täglich und fraktionsübergreifend aber so richtig auf die Kacke gehauen. Jeder gegen jeden und ohne Tabus und Regeln. In immer wieder wechselnder parteipolitischer Besetzung. Danach ist dann hoffentlich Ruhe im Karton.“

Rettich geht mit uns die Teilnehmerliste der namentlich bereits ins Altertum gewechselten Kombattanten durch. „Merzianus Longus und Habeckis Magnus werden zuerst im fairen Zweikampf gegeneinander antreten. Nancia Faeserius alias Secura Magna wurde in der ersten Runde derweil einem gewissen Lupus Kubickis zugelost.“

Sorgen um die Gesundheit von Deutschlands gesammelter Polit-Beletage muss sich allerdings niemand machen. „Die Schwert-Attrappen aus Gummi und Schaumstoff sind vollkommen harmlos. Ernsthafte Verletzungen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Je nach Kraftaufwand und Geschwindigkeit können die Dinger aber auf der Haut zwiebeln!“

Wenig später stehen wir mit Rom-Kennerin Rettich vor den angrenzenden Trier’schen Pferdeställen. Der güldene Marken-Streitwagen von Christianus Krawallus ist bereits eingetroffen und wird gerade von einem 20-köpfigen Reinigungstrupp auf Hochglanz poliert. „Davon, dass der geschasste Finanzminister den kümmerlichen Umfragewerten der FDP entsprechend mit einem Zwergpony an den Start gehen muss, weiß er noch nix“, klatscht die Archäologin vor lauter Schadenfreude in die Hände.

Nebenan wartet der nervös schnaubende Araber-Hengst „Brutus“ auf den Noch-Bundeskanzler. Weil ihn der bloße Klang unserer Stimmen offenbar schon zur Weißglut treibt, bäumt sich das Kraftpaket wiehernd auf und versieht die Tür der Pferdebox mit einem Hagel aus Huftritten. „Den hat sich unser Regierungschef übrigens explizit ausgesucht. Der deutschen Öffentlichkeit will Scholzus Wankus durch seinen Wagemut demonstrieren, dass er fest im Sattel sitzt und es in Sachen Führungsstärke plötzlich besser kann als vor zwei Wochen.“ Da sich im splitternden Holz immer mehr Risse zeigen, drängt uns Dr. Rettich allerdings erst einmal, weiter zu gehen.

Zurück im Amphitheater fühlen wir uns nach dem Abstieg in die windgeschützten Katakomben des Mini-Kolosseums deutlich wohler. Nachdem wir im Vorbeigehen am völlig offenen Latrinenbereich Gregorius Gysi bei einer kontemplativen Silberlockensitzung gesehen haben, treffen wir in der Waffenkammer auf einen alten Bekannten. Arminius Laschet drangsaliert in Brustblech, Beinschienen, buschgeschmücktem Helm und mit einer riesigen Styropor-Streitaxt bewaffnet gerade einen Dummy im Lodenanzug.

Rettich warnt uns davor, den ehemaligen Chef der Union jetzt anzusprechen. „Arminius ist gerade voll im Berserkerrausch“, wispert die Latschen-Insiderin. „Er strebt zwar kein politisches Amt mehr an, möchte die Gelegenheit aber nutzen, um es seinem Erzfeind Marcus Bavaricus legal heimzuzahlen. Dafür hat er mit Gladiator-Darsteller Ralf Moeller wochenlang trainiert.“

Als der Aachener nach einem Urschrei auf das Söder-Surrogat zuspringt und sich im Hals der Trachtenpuppe verbeißt, wird es Frau Rettich und uns zu bunt. Wir flüchten zu unserer eigenen Sicherheit für einige Minuten auf die überfüllte Krankenstation. Weil die Historienfachfrau uns dort „aus wichtigen Termingründen“ aber nicht alles zeigen kann, verrät sie uns abschließend noch etwas „über die Gladiatorenbonbons der kommenden Spielzeit“: Fans von antiken Dramen dürfen sich Rettich zufolge auf Volkus Wissing in der Rolle des Partei-Rebellen Spartacus und Gerhardius Schroeder als zündelnden Nero freuen.

„Um das Challenge-Niveau deutlich anzuheben, konnten wir zudem eine Vielzahl attraktiver Zusatzgegner aus der Rugby-Szene verpflichten.“ Ziel sei es, dass in der Arena versammelte Demokraten und Demokratinnen unter dem Eindruck eines übermächtigen Gegners lernen, „über Parteigrenzen hinweg zu kooperieren“. Auch in Trier.

„Falls sich der Erfolg nicht sofort einstellt, ist das natürlich gar kein Problem“, feixt Rettich.„Dann treffen wir uns halt nach dem nächsten Koalitionsbruch wieder hier – in Trier.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen