piwik no script img

Ak­ti­vis­t*in über UN-Klimakonferenz„Es gibt dort keine echte Lösung für die Klimakrise“

Von der Weltklimakonferenz erhofft sich Kli­ma­ak­ti­vis­t*in Dianx Cantarey aus Mexiko nicht viel. Cantarey hat einen Gegengipfel mitorganisiert.

Ausschnitt des Plakats für den mexikanischen Gegengipfel zur Weltklimakonferenz Foto: ANTICOP 2024
Interview von Tabea Kirchner

taz: Heute startet der Weltklimagipfel in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Sie haben bis Sonntag im mexikanischen Oaxaca eine Woche lang einen Gegengipfel abgehalten. Warum?

Dianx Cantarey: Die Entscheidungen auf den Weltklimakonferenzen werden von einer sehr kleinen Anzahl von Personen getroffen, die in erster Linie den Interessen des Kapitals dienen. In den 30 Jahren, in denen die Gipfel stattgefunden haben, ist das Einzige, was passiert ist, dass die Treibhausgasemissionen weiter zugenommen haben. Es gibt dort keine echte Lösung für die Klima- und Zivilisationskrise. Und die Stimmen indigener Völker und der Verteidiger von Land werden außer Acht gelassen.

Im Interview: Dianx Cantarey

30, ist Künst­le­r*in und Klima­aktivist*in aus Mexiko-Stadt. Als Teil der Bewegung „Deuda por Clima“ hat Cantarey den Gegengipfel zur Weltklimakonferenz koordiniert.

taz: Sie meinen Menschen, die ihre Grundstücke und die Gebiete, auf denen sie leben, zum Beispiel vor Megaprojekten von Regierungen und Unternehmen retten wollen, die sich auf die Unversehrtheit der Natur auswirken?

Cantarey: Genau. Bei unserem Gegengipfel haben wir die Basisbewegungen zur Verteidigung von Land mit Klima- und Umweltbewegungen zusammengebracht, um Strategien vorzuschlagen und gemeinsame Pläne für die Zukunft zu entwickeln.

taz: Warum gerade in Oaxaca?

Cantarey: Oaxaca hat eine Geschichte der Rebellion. Und es waren die lokalen Indigenen-Organisationen des nahegelegenen Isthmus von Tehuantepec, der Landenge zwischen Atlantik und Pazifik in Südmexiko, die uns zusammengerufen haben. Letztlich beteiligten sich dann auch indigene Gemeinden anderer Bundesstaaten Mexikos an der Organisation. Und unter den Teil­neh­me­r:in­nen waren Menschen aus 45 Nationen und von allen fünf Kontinenten.

taz: Über welche Themen haben Sie diskutiert?

Cantarey: Es gab vier verschiedene Arbeitsbereiche: Einer behandelte die Folgen von Megaprojekten auf die Klimakrise.

taz: Damit meinen Sie zum Beispiel den umstrittenen Bau des Tren Maya im Süden Mexikos? Es geht dabei um zwei neue Zugstrecken, eigentlich also ein klimafreundliches Verkehrsprojekt – nur dass dafür tausende Hektar Regenwald sowie zahlreiche indigene Kulturgüter zerstört werden mussten.

Cantarey: Exakt. Dann ging es noch um Migration und Zwangsvertreibung durch organisiertes Verbrechen und Militarisierung, um die Monetarisierung des Lebens und die globale Wasserkrise. Diese vier Themenstränge wirken sich auch auf die Klima- und Zivilisationskrise aus. Von diesem Standpunkt aus konnten wir als Bewegungen Strategien entwickeln und herausfinden, wie wir sie umsetzen können. Veranstaltungen gab es parallel an drei verschiedenen Orten. Darunter zum Beispiel akademische Seminare an einer Universität hier in Oaxaca, öffentliche Veranstaltungen und Workshops für alle und ein privates Treffen zur Organisation und Strategieplanung für die eingeladenen Protestbewegungen.

taz: Gab es denn ein Ergebnis?

Cantarey: Ja. Das erste Ziel war, diesen Moment der Begegnung zwischen den Gebietsverteidigern und der Umweltbewegung zu schaffen, die vorher sehr getrennt voneinander waren. Die Umwelt- und Klimabewegung wurde bislang immer als etwas Nördliches, sehr Weißes, als ein Hobby angesehen. Aber hier haben die beteiligten Gemeinden erkannt, dass es wichtig ist, diese Bewegungen zu vereinen, um Fähigkeiten auszubauen und Erfahrungen auszutauschen.

taz: Haben Sie eine Botschaft an die Re­gie­rungs­ver­tre­te­r:in­nen in Baku?

Cantarey: Wir haben unsere Positionen jedenfalls in eine Erklärung gegossen, die wir versuchen, an die Weltklimakonferenz zu schicken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Wo könnte es denn eine echte Lösung für die Klimakrise geben?

    Wann, mit wem, wie - alles rein rhetorische Fragen.

  • Die "Klimadiskussion" in Deutschland ist geprägt vom einem ignorieren der Realität.

    Die ständig ignorierte "technische" Realität ist:

    ==> Klimaschutz kann man jetzt und heute nur betreiben mit der Technik die heute verfügbar ist -- nicht mit der Technik die man gerne hätte aber erst in 20 Jahren bekommt.

    Was wir real schon heute -- praktisch sofort -- machen können ist dabei gar nicht wenig.

    Ein Verständnis des Möglichen setzt voraus die deutschen "Emissions-Quellen" (in CO2-Äquivalenten) zu kennen, vereinfacht und grob gerundet:

    35% Stromerzeugung



    20% Industrie



    20% Verkehr (Verbrennungsmotoren)



    10% Landwirtschaft



    10% Wohngebäude



    5% Büro und Gewerbegebäude

    Fazit:



    Das ganze "Gerede" über Wärmepumpen und Fleischverzicht geht zu 75% am Problem vorbei.



    --> Selbst wenn wir in ganz Deutschland nicht mehr heizen und nicht mehr essen sparen wir "nur" 25% der Emissionen.

    Alleine nur ein Kohleausstieg mit Erdgas würde tatsächlich 25% der Emissionen sparen.

    • @Jörg Heinrich:

      Und damit sind wir bei dem Punkt der zeigt wie "realitätsfern" die Klimaschutz - Diskussion bei uns in Deutschland ist.

      Wir reden immer fast nur über "Heizen" und "Fleischkonsum".

      Das geht an 75% der Klimagas-Emissionen komplett vorbei:

      Die wichtigsten Maßnahmen währen tatsächlich ganz andere:

      1.) Kohlehaussteig sofort mit Erdgas:

      --> Spart für sich ca. 20% aller Emissionen (über 50% bei der Stromerzeugung)



      --> Schaft optimale Voraussetzungen für weiteren Ausbau der Erneuerbaren.

      2.) Verkehrswende



      --> jede Verlagerung auf die Schien spart fast im gleichen Maße Emissionen.

      In all diesen Bereichen macht unsere Politik das Gegenteil

      a.) Russland-Sanktionen: --> kein Gas kein Kohleausstieg

      b.) Entkoppeln von China: --> keine Akku-Importe - keine E-Mobilität

      c.) Entkoppeln von China: --> keine billigen Solarzellen

      Die tatsächliche Politik -- auch der Grünen -- ist unvereinbar mit wirksamen Klimaschutz.

      Wenn das mit Klimaschutz was werden soll:

      --> Dann braucht es mehr Realitätssinn, die Berücksichtigung der technischen Realitäten und vor allem eine vollkommen andere Außenpolitk

      • @Jörg Heinrich:

        Zumindest bei b) und c) möchte ich anzweifeln, dass dies falsche Schritte sind.



        Wenn diese Akkus und Solarzellen nämlich nicht unter entsprechenden Umweltauflagen und mit erneuerbarer Energie hergestellt werden, sondern mit Umweltverschmutzung und fossiler Energie (deshalb sind sie ja wohl kostengünstiger) um dann unter Verbrennung von Öl aus China zu uns transportiert zu werden, dann dürte für das Klima nichts gewonnen sein - auch eine Form von Politik, die mit wirksamen Klimaschutz unvereinbar ist.

  • taz: Gab es denn ein Ergebnis?

    Cantarey: Ja. Das erste Ziel war, diesen Moment der Begegnung zwischen den Gebietsverteidigern und der Umweltbewegung zu schaffen, ....

    Sorry aber wenn nur allgemeine Kapitalismuskritik und solche Antworten beim Interview rauskommen, kann man es sich auch sparen.



    Wo, was sind denn die durchführbaren Gegenvorschläge dieses Gipfels. Da hätt schon nachgefragt werden müssen.