Vater von Hanau-Attentäter verurteilt: „Zweifelsohne rassistisch“
Das Amtsgericht Hanau verurteilt den Vater des Hanau-Attentäters zu einer Geldstrafe von 21.600 Euro. Die Mutter eines Opfers kritisiert das Urteil.
Der 77-jährige Rentner sei „zweifelsohne rassistisch“, erklärte Richterin Clementine Englert in ihrer Urteilsbegründung. Er habe die Menschenwürde von Migranten „böswillig verächtlich gemacht“. Den Mann „wegzusperren“ wäre zwar bequem, aber nicht angebracht, begründete die Richterin ihre Entscheidung für eine „schmerzhafte Geldstrafe“. Er werde vermutlich mit seinen Taten nicht aufhören. Das sei aber „etwas, was die Gesellschaft ertragen muss“.
Staatsanwalt Martin Links hatte am Montag für eine Geldstrafe von insgesamt 27.000 Euro plädiert. Nebenklageanwalt Markus Künzel, der die Mutter des ermordeten Ferhat Unvar vertritt, forderte eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren ohne Bewährung. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und argumentiert, ihr Mandant sei durch den Anschlag „traumatisiert“.
Dessen Sohn Tobias R. hatte am 19. Februar 2020 in Hanau Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin aus rassistischen Motiven erschossen. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst.
Angeklagter bleibt Urteilsverkündung fern
Der vorbestrafte Hans Gerd R. war unter anderem wegen der Beleidigung von Opferangehörigen, Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz, Hausfriedensbruch in einer Kita, Störung des öffentlichen Friedens und der Beleidigung von SEK-Polizisten als „Terroreinheit“ angeklagt. Trotz Kontakt- und Näherungsverbot hatte er das Haus von Opfermutter Serpil Temiz-Unvar wiederholt aufgesucht und ihr Briefe geschrieben.
Da Hans Gerd R. nicht freiwillig zum ersten Verhandlungstag Anfang September erschienen war, musste er Ende September von der Polizei vorgeführt werden. Im Gerichtssaal widersetzte er sich den Polizisten, legte sich auf den Boden und blieb dort, abgesehen von wenigen Toilettenbesuchen. Der Prozess wurde anschließend in seiner Abwesenheit fortgesetzt. Auch der Urteilsverkündung blieb er fern.
Im Laufe der Verhandlung, die sich über sieben Termine erstreckte, sagten unter anderem ein Polizeibeamter des Gefährdungsmanagements und die psychiatrische Gutachterin Hildegard Müller aus. Müller kam zu dem Schluss, dass Hans Gerd R. zwar unter einer wahnhaften Störung leide, jedoch voll schuldfähig sei und bewusst so agiere. Sie bezeichnete sein Verhalten im Gericht als „Inszenierung“.
Der als Zeuge geladene Polizeibeamte hatte berichtet, Hans Gerd R. kurz nach dem Anschlag seines Sohnes im Februar 2020 als „ruhig, aufgeschlossen und freundlich“ erlebt zu haben. Bei einem weiteren Besuch „Ende 2022 oder Anfang 2023“ habe er jedoch festgestellt, dass im Erdgeschoss des Hauses noch immer Blutspritzer, Tatortaufkleber und das Krankenbett der von seinem Sohn ermordeten Ehefrau zu sehen gewesen seien. Dies habe den Eindruck erweckt, dass R. möglicherweise traumatisiert sei.
Opfermutter Serpil Temiz-Unvar unzufrieden mit Urteil
Kritik an dem Urteil äußerte Serpil Temiz-Unvar. „Der Vater des Täters stellt weiterhin eine Gefahr für mich, meine Familie und das Zusammenleben in Kesselstadt dar“, sagte sie. „Bedrohungen und Gewalt werden oft erst zu spät ernst genommen“, warnte Unvar. Sie sei über Jahre hinweg trotz Schutzmaßnahmen wiederholt Belästigungen und Drohungen ausgesetzt gewesen.
„Leider hindert dieses Urteil den Tätervater nicht daran, seine Bedrohungen fortzusetzen“, so Unvar. Sie betonte, dass der Angeklagte nicht deshalb eine Gefahr darstelle, weil er der Vater des Täters sei, sondern weil er das rassistische und menschenverachtende Gedankengut teile. Warnsignale und bereits ausgeübte Gewalt würden oft ignoriert, bis es zur Tragödie komme. „Dieses strukturelle Versagen kostet Menschenleben“, so Unvar.
Nun dürfte der Fall in die nächste Instanz gehen. Die Verteidigung von Hans Gerd R. hat bereits angekündigt, Rechtsmittel einlegen zu wollen.
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