Krieg im Libanon: Angriff auf Wafiq Safa
Der Luftschlag des israelischen Militärs in Beirut gilt wohl dem hochrangigen Hisbollah-Mitglied. Es ist der dritte Angriff auf die Hauptstadt selbst.
Beirut taz | Am Donnerstagabend gehen die Eilmeldungen durch die vielen Telegram- und Whatsapp-Gruppen, in denen sich Libanesinnen und Libanesen über den Krieg im Libanon informieren: Zum dritten Mal im vergangenen Jahr hat das israelische Militär ein Ziel in der Hauptstadt Beirut angegriffen.
Diesmal ist der Ort des Angriffs, im Viertel Ras el-Naba noch näher am Zentrum der libanesischen Hauptstadt als bei den vergangenen beiden Luftschlägen. Der Angriff soll nach Medienangaben dem hochrangigen Hisbollah-Mitglied Wafiq Safa gegolten haben. Nach Angaben von Sky News Arabia hat Safa den Luftangriff überlebt, wurde aber schwer verletzt und befindet sich in kritischem Zustand.
Seit 2019 steht Safa als Verbindungs- und Koordinationsverantwortlicher der Hisbollah auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten. Nach Medienangaben unterhält er unter anderem gute Beziehungen mit Verantwortlichen an Häfen, Grenzübergängen und dem Flughafen der Hauptstadt Beirut, und soll so etwa am Import von Waffen für die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz beteiligt sein.
Safa hatte innenpolitisch großen Einfluss
Auch mit der libanesischen Armee soll er diesbezüglich in Kontakt stehen. Safa war außerdem mindestens zwei Mal an Verhandlungen mit Israel beteiligt: Einmal im Jahr 2000 um die Rückkehr entführter israelischer Soldaten in ihre Heimat, und auch im Jahr 2006, als die Hisbollah ebenfalls israelische Streitkräfte in den Libanon entführte, dem ein 34-tägiger Krieg nachfolgte.
Auch innenpolitisch hatte er wohl großen Einfluss: Nach der Explosion am Beiruter Hafen im Jahr 2020, bei dem Tonnen von Ammoniumnitrat in die Luft flogen und mindestens 218 Menschen starben, drohte er damit, den in der Causa ermittelnden Richter seines Amtes entheben zu lassen, sollte er Mitglieder der Hisbollah befragen. Neben dem Luftangriff in Ras el-Naba gab es gleichzeitig einen im Viertel Basta Tahta, ebenfalls Teil der Hauptstadt Beirut. Bilder zeigen, dass dort ein ganzes Gebäude in sich zusammengestürzt ist.
Bei den Angriffen wurden mindestens 22 Menschen getötet, darunter nach libanesischen Angaben mindestens eine Familie mit Kindern. Über Hundert wurden verletzt. Eine öffentliche Warnung, wie sie der arabischsprachige Sprecher des israelischen Militärs immer wieder auf seinen Konten in den Sozialen Medien teilt, gab es nicht. Auch in den südlichen Vorstädten flog das israelische Militär in der Nacht mindestens zwei Luftangriffe.
Bisher über 2.170 Tote im Libanon
Nach den Luftangriffen liegt die Zahl der seit dem vergangenen Oktober im Libanon Getöteten bei 2.170. Mehr als eine Million Menschen sind außerdem nach Angaben der Vereinten Nationen innerhalb des Libanon auf der Flucht. Der Libanon hat Notunterkünfte in Schulen für die Geflüchteten eingerichtet, die jedoch ausgelastet sind. Noch immer schlafen deshalb einige auf den Straßen, etwa an der Strandpromenade der Hauptstadt Beirut.
Am 23. September begann die jüngste Eskalation im Krieg zwischen Hisbollah und Israel: Nach einem Jahr der Raketen auf Nordisrael und Luftschläge auf den Libanon, griff das israelische Militär in einer großflächigen Kampagne im Südlibanon an. Es forderte die Bewohner des Südlibanon auf, zu evakuieren, innerhalb weniger Tage leerte sich das Gebiet massiv.
Kurz darauf tötete Israel Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem Luftschlag in der südlichen Vorstadt Beiruts. Drei Tage später begann das israelische Militär seine Bodenoffensive im Südlibanon. Wiederholt hat es seitdem zur Evakuierung weiterer, immer nördlicher gelegener Gebiete aufgerufen.
Leser*innenkommentare
shantivanille
Nun, die Israelis suchen schon die Richtigen für Ihre Angriffe aus.
Das Dilemma ist, dass diese sich in Wohnbezirken hinter Frauen und Kindern verstecken, in Höhlen unter Schulen, Krankenhäusern, bei Flüchtlingslagern etc.
Die gleiche Strategie seit Jahrzehnten.
Und Israel kann selbstverständlich keine weiteren Angriffe des Iran und seiner Stellvertreter wie Hamas, Hisbollah, Huthis, Islamischer Dschihad mehr dulden.
Iran hat Israel mehrfach damit gedroht das Land bis 2040 zu vernichten. Und es arbeitet daran.
Janix
Ja, die Hamas-Führung auch, aber gerade vor allem Netanyahu gehört nach Den Haag, um klären zu lassen, was da gerade abgeht auf Kosten Dritter.
Umgekehrt dürfte Libanon aus einer Position ähnlicher Stärke doch auch nicht das Büro Netanyahus bombardieren.
Völlig klarer Fall. Waffenlieferungen für solches Verhalten sollten spätestens jetzt beendet werden.
Stoersender
Die Genfer Konvention von 1949 war ein Meilenstein und bildet den Kern des humanitären Völkerrechts. Sie reiht sich in eine Geschichte von Bemühungen den Umgang zwischen Staaten auch in Zeiten militärischer Konflikte zu regeln. Im Mittelpunkt standen der Schutz menschlichen Lebens und eine internationale Rechtsordnung, die friedliche Koexistenz zwischen Kriegsparteien wieder möglich machen sollte.
Der 2001 erklärte 'Krieg gegen den Terror' hat viele dieser Bemühungen wieder zunichte gemacht. Im Kampf gegen irreguläre Kombattanten und sie unterstützende Regime wurden extraterritoriale Angriffe und Tötungen zum legitimen Mittel der Selbstverteidigung erklärt. Verdeckte Militäroperationen gab es schon vorher, aber nach 2001 wurden solche veröffentlicht und 'Abschüsse' als Erfolge zelebriert. Dass diese ohne gültige gerichtliche Verurteilungen mehr Vergeltungsschläge waren und es um Abschreckung durch Terror ging, wird bis heute kaum thematisiert. Es darf sich niemand wundern, dass 'irreguläre' Angriffe und Gegenangriffe heute nahezu alltäglich sind und das Vertrauen in die moralischen Führungsmächte weltweit auf einem Nullpunkt angekommen ist.
Deutschfranzose
Kann irgendjemand IDF erklären, daß das Bombardieren von Innenstädten Zwecks Tötung von Einzelpersonen nicht OK ist?