Literaturnobelpreis 2024: Han Kang ausgezeichnet

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an die Südkoreanerin Han Kang. Das hat das Nobelpreiskomitee in Stockholm am Donnerstag verkündet.

Die Autorin Han kang hält eine Hand ans Kinn

Han Kang Foto: Fredrik Sandberg/imago

Stockholm dpa/afp/ap/taz | Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die Südkoreanerin Han Kang. Das hat die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm mitgeteilt. Sie erhält den renommiertesten literarischen Preis der Erde für „für ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“, wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe in der Stockholmer Altstadt sagte.

Die Autorin beleuchte die „Verbindung zwischen Körper und Seele, den Lebenden und den Toten“ und sei mit ihrem „experimentellen Stil“ eine Erneuerin der zeitgenössischen Prosa, urteilten die Mitglieder der Schwedischen Akademie.

Han Kang ist die 18. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält – und die erste Frau unter den bislang verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres.

Die 54-Jährige war weltweit bekannt geworden durch ihren 2016 auf Deutsch veröffentlichten Roman „Die Vegetarierin“, für den sie im selben Jahr mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet worden war. Der Roman handelt vom Entschluss einer Frau, auf Fleisch zu verzichten, und den verheerenden Auswirkungen der Entscheidung.

Ihr ein Jahr später ins Deutsche übersetzter Roman „Menschenwerk“ führte in die jüngere Geschichte Südkoreas. Erst in diesem Jahr war ihr vierter Roman „Griechischstunden“ auf Deutsch erschienen – wie bisher alle Übersetzungen ihrer Bücher beim Aufbau-Verlag.

Han Kang wurde 1970 in Gwangju geboren. Im Alter von zehn Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Seoul. Sie studierte koreanische Literatur an der Yonsei-Universität. Ihr literarisches Debüt gab Han mit fünf Gedichten, darunter „Winter in Seoul“, in der Winterausgabe der Zeitschrift „Literatur und Gesellschaft“ 1993. Im Jahr darauf begann sie ihre erfolgreiche Karriere als Romanautorin, schon 1994 gewann sie mit „Roter Anker“ einen Literaturwettbewerb in Seoul, weitere Auszeichnungen in Südkorea folgten.

Zu Hans Werken gehört die Kurzgeschichtensammlung „Die Früchte meiner Frau“ von 2000 und Romane wie „Deine Kalten Hände“ aus dem Jahr 2002 und „Weiß“ von 2016. Mit Han wird zum ersten Mal eine Schriftstellerin aus Südkorea mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

Viele Favoriten waren im Rennen

In den vergangenen beiden Jahren war der Literaturnobelpreis an den Norweger Jon Fosse und die Französin Annie Ernaux gegangen.

Rund 200 Namen hatten nach Auskunft der Akademie diesmal auf der erweiterten Kandidatenliste gestanden– wer darunter ist, das wird traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.

Diesmal war – neben einer Reihe weiterer aussichtsreicher Kandidaten – unter anderem die Chinesin Can Xue favorisiert worden, deren experimentelle Schreibweise zuletzt in dem Roman „Schattenvolk“ lesbar war. Seit Jahren hoch gehandelt wird der aus Indien stammende britisch-amerikanische Schriftsteller Salman Rushdie, der zuletzt das Messerattentat auf ihn in dem Buch „Knife“ verarbeitet hatte. Auch dem Australier Gerald Murnane wurden große Chancen eingeräumt.

Vor allem in Deutschland war auch immer wieder der Name der Berliner Autorin Jenny Erpenbeck genannt worden. Sie war im Februar für ihren Roman „Kairos“ mit dem renommierten International Booker Prize ausgezeichnet worden. Andere Literaturexperten tippten, dass Margaret Atwood oder Thomas Pynchon geehrt werden könnten.

Häufig Außenseiter ausgezeichnet

Wie schon oft hat sich die Schwedische Akademie allerdings auch in diesem Jahr wieder für eine in weiten Kreisen eher unbekannte Autorin entschieden. Schon vor drei Jahren überraschte sie mit der Auszeichnung des tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah.

Seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901 sind nun insgesamt 121 Literaturnobelpreisträgerinnen und -preisträger benannt worden, darunter weltbekannte Literaten wie Ernest Hemingway, Selma Lagerlöf und Jean-Paul Sartre, aber auch Persönlichkeiten wie der frühere britische Premier Winston Churchill und der US-Musiker Bob Dylan, die zunächst nicht unbedingt mit der Weltliteratur in Verbindung gebracht werden. Die letzten deutschen Preisträger waren Herta Müller vor 15 und Günter Grass vor 25 Jahren, der letzte deutschsprachige der Österreicher Peter Handke vor fünf Jahren.

Mehrheitlich wurde der Preis an männliche Autoren aus Europa verliehen. Von 121 Ausgezeichneten waren nur 18 Frauen, neun davon in den vergangenen 20 Jahren.

Preise für Medizin, Physik und Chemie

Zuvor wurden in dieser Woche bereits die Preisträger in den wissenschaftlichen Kategorien Medizin, Physik und Chemie verkündet – bislang sind darunter sieben Männer und noch keine Frau gewesen. Am Freitag ist der Friedensnobelpreis dran, verkündet wird das Ergebnis nicht wie bei den anderen Nobelpreisen in Stockholm, sondern in Oslo. Am kommenden Montag schließt dann die Kategorie Wirtschaftswissenschaften die alljährlichen Nobelpreis-Bekanntgaben ab.

Feierlich überreicht werden die prestigeträchtigen Nobelmedaillen traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833–1896). Die Auszeichnungen sind in diesem Jahr erneut mit einem Preisgeld in Höhe von je elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert.

Anm. der Redaktion: Der Text wurde im Laufe des Tages mehrfach aktualisiert.

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