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„Something is happening and you don’t know what it is / Do you, Mr. Jones?“. Das also soll eine selten genau gefasste Einsicht sein, dass man sein eigenes Leben verpassen kann. Was aber ist daran genau, was ist Einsicht? Da ist wohl der Fan mit dem Autor durchgegangen / Do you, Mr. K?
Hat mich auch gewundert, da reichlich am eigentlichen Kontext vorbei.
Dylan mochte von Anfang an keine Interviews und die meisten Journalisten, insbesondere die Vertreter der Sparte "Unterhaltungsmusik" waren ihm mehr als suspekt.
So etwa ab der zweiten Jahreshälfte 1964, nach dem Erscheinen seines vierten Studio-Albums "Another side of Bob Dylan", liebäugelte er mehr und mehr mit einer Karriere als "Rockstar", was für ihn vor allem die Abkehr vom Folk und den Wechsel von Akustik- zu E-Gitarre bedeutete.
Dies wurde in den folgenden Alben "Bringing it all back home" (März 1965, in Europa erschienen unter dem Namen "Subterranean Homesick Blues" nach der ersten vorab erschienenen Single-Auskopplung) und "Highway 61 revisited" (August 1965) schrittweise umgesetzt. Auf dem erstgenannten Album spielt Dylan die Songs der ersten Seite mit einer elektrifizierten Band, die Aufnahmen der zweiten Seite sind komplett akustisch. Auf dem zweiten Album wird durchgehend elektrisch verstärkte Musik gespielt.
Das sorgte bei seinem Publikum und in der Presse für helle Aufregung. Bei seiner Tour 1965/66, bei der Dylan einen ersten Set klassisch akustisch spielte, wurde er regelmäßig von seinen puritanischen Anhängern ausgebuht, sobald er nach einer Bühnenpause im zweiten Set seine E-Gitarre anstimmte. Die Presseartikel gingen in die gleiche Richtung, niemand interessierte sich für den Musiker und Menschen Bob Dylan, alle wollten nur ihre Erwartungshaltung in "gute, politische Folkmusik" erfüllt sehen. Und die musste unverstärkt sein, alles andere war "niveauloses Gedudel".
In dieser Zeit schrieb Dylan dann seine "Ballad of a thin Man" (veröffentlicht auf "Highway 61 revisited", seine persönliche Abrechnung mit dem Musikbusiness und den dazugehörenden Journalisten, die immerzu Fragen stellten, aber die Antworten ignorierten, weil sie etwas anderes hören wollten; etwas, das Dylan in dieser Form weder weiter liefern konnte noch wollte.
Schon eine Millionen mal getweetet zu der Entscheidung - und passt wie die Faust auf den Dichter:
"Don't Think Twice, It's Allright"
Hat übrigens gestern einfach ein Konzert gegeben, der Robert. http://www.boblinks.com/101316s.html
Keep On Rollin!
Ein bisschen Dylanologie:
Bei dem Gig gestern gab es eine seltene Zugabe - und man achte hier mal auf die Zeilen:
http://www.azlyrics.com/lyrics/bobdylan/whytrytochangemenow.html
"Don't you remember
I was always your clown
Why try to change me now
Don't you remember
I was always your clown
Why try to change me
Why try to change me now"
Danke - Am Start wurde ihm gelegentlich ein Bier ausgegeben -
Damit er aufhörte zu singen -
Dieses "zwischen Herz&Bauch durch -
Seiner Songs" - (John Lennon) &
Today - The Nobel Prize -
Chapeau - Hobo Bob!;))
Warum stellt ihr eure E-Roller mitten auf den Gehsteig, fragt ein Leser. Weil man kaum etwas zu befürchten hat, antwortet eine Mobilitätsforscherin.
Kommentar Nobelpreis für Bob Dylan: Diese Auszeichnung ehrt die Literatur
Die schwedische Akademie hat für Bob Dylan keineswegs die Standards gesenkt. Im Gegenteil: Sie zeigt ein zeitgemäßes Literaturverständnis.
Manche Romane brauchen 500 Seiten, um so viel auszudrücken wie Dylan in wenigen Zeilen Foto: dpa
Eine Überraschung? Ja, klar, und eine schöne dazu. Hatte man nicht sofort eine Dylan-Zeile im Kopf, als man von der Entscheidung hörte? Und hat man sich nicht auch über den Mut in Stockholm gefreut?
Aber die Sensation, zu der sie jetzt gemacht wird, ist die Entscheidung für Bob Dylan nun auch wieder nicht. Die schwedische Akademie, die über den Nobelpreis bestimmt, hat keineswegs die literarischen Kriterien gesenkt oder die literarische Walhalla für, wie nun behauptet wird, allerlei populäres Zeug geöffnet. Im Gegenteil: Sie hat ein zeitgemäßes Literaturverständnis an den Tag gelegt. Denn was Dylan in den Schreibpausen seiner „Never Ending Tour“ in die Welt gesetzt hat, ist selbstverständlich Literatur, und zwar große. Was sollen diese weltberühmten Zeilen denn sonst sein? Bei aller Liebe für die Buchhändler und Verlegerinnen, die jetzt um ihre Buchumsätze trauern: Man muss schon einen arg ehrpusseligen Literaturbegriff haben, um Dylans Songtexten das Literarische abzusprechen.
Man höre sich seine Balladen daraufhin noch einmal an. „It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)“ zum Beispiel, mit der unfassbar großartigen Zeile: „He not busy being born is busy dying“ – ein Vers, in den man sich wieder und wieder versenken kann. Oder „Ballad Of A Thin Man“: „Something is happening and you don’t know what it is / Do you, Mr. Jones?“ So genau wurde die Einsicht, dass man sein eigenes Leben verpassen kann, selten gefasst. Es gibt Romane, die zum Erzählen so einer Erfahrung 500 Seiten brauchen.
Man muss gar nicht – wie manche Literaturprofessoren das tun – all die Anspielungen auf die Bibel, die Ilias oder auch viele lyrische Traditionen in seinen Texten aufzählen, um ihn als Schriftsteller ernst zu nehmen. Man muss sich nur einmal überlegen, was Literatur kann und wozu sie da ist. Sie kann Geschichten erzählen, Erinnerungen heraufbeschwören und die Sprache zum Leuchten bringen. Das macht Bob Dylan seit über 50 Jahren. Und sie kann noch etwas: Sie kann uns Sprachbilder, Sätze, Wendungen an die Hand geben, mit denen wir uns unsere Innenwelten begreiflich machen können. In dieser Disziplin ist Bob Dylan ein großer Meister.
Ohne ihn wäre die Welt literarisch ärmer. Dieser Preis ehrt nicht Bob Dylan, er ehrt die Literatur. Toll.
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Kommentar von
Dirk Knipphals
Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
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