Elefantenpopulation im südlichen Afrika: Dickhäutige Probleme
Elefanten und Landwirte im südlichen Afrika versuchen, Seite an Seite zu leben. Doch wegen der Dürre kommt es immer häufiger zu Zusammenstößen.
N ormalerweise ist das Rauschen der Viktoriafälle weithin hörbar. Auf einer Breite von rund 1.700 Metern stürzen hier, besonders in der Regenzeit von Dezember bis April, die Wassermassen tosend in die Tiefe. Damit sind die Viktoriafälle, die gleichzeitig die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe bilden, die längsten zusammenhängenden Wasserfälle der Welt. Ihrem donnernden Klang und der sprühenden Gischt verdanken sie auch ihren Namen in der Tonga-Sprache: Mosi-oa-Tunya – der Rauch, der donnert.
Doch derzeit ist vom berühmten Tosen wenig zu hören. Der Wasserfall nahe der sambischen Stadt Livingstone ist stark geschrumpft. Wo sonst das Wasser wie ein Vorhang gut hundert Meter in die Tiefe fällt, zeigt sich aktuell viel nackter Stein. Zwar sinkt der Wasserstand in der Trockenzeit gewöhnlich, doch leidet das südliche Afrika seit Monaten unter extremer Trockenheit. Im Februar erklärte Sambias Präsident Hakainde Hichilema die Dürre zur nationalen Katastrophe. Seitdem hat es nicht geregnet. Während West- und Zentralafrika unter Überflutungen leiden, kämpft das südliche Afrika laut den Vereinten Nationen (UN) mit der schlimmsten Trockenperiode seit über 100 Jahren. Unregelmäßige Regenfälle und die Klimaerwärmung verschärfen die Ernährungsunsicherheit auf dem ganzen Kontinent.
Bauer Crispin Phiri kennt das Wasserproblem. Sein Feld ist nur grün, weil es an einem Nebenarm des Sambesi liegt. Afrikas viertgrößter Strom und Haupttrinkwasserquelle Livingstones führt noch Wasser, aber deutlich weniger als üblich. Die Wasserknappheit bringt eine weitere Schwierigkeit: „Auch die Tiere finden nur noch hier am Hauptfluss Nahrung und Wasser“, berichtet der 49-jährige Familienvater. Elefanten, die auf Nahrungssuche sind, zertrampeln seine mit Mais, Okra, Möhren und Tomaten bebauten Felder und fressen, was mühsam gepflanzt wurde.
Bauern werden oft totgetrampelt
Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen. Bauern, die versuchen, die Tiere zu verscheuchen, werden oft zu Tode getrampelt. Es sind Konflikte, die oft dort entstehen, wo Menschen und Wildtiere sich Ressourcen wie Nahrung, Wasser und Lebensraum teilen. So auch in der Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area (Kaza), dem größten grenzüberschreitenden Schutzgebiet der Welt, welches sich über Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe erstreckt. Mit seiner Fläche von 520.000 Quadratkilometern ist es sogar größer als Deutschland, die Schweiz und Österreich zusammen. Hier sollen Tiere sich frei bewegen können, indem Nationalparks und Schutzgebiete verbunden werden, um ihre natürlichen Migrationswege zu erhalten.
Crispin Phiris Dorf liegt im Herzen dieses Schutzgebiets, im Vierländereck von Sambia, Botswana, Simbabwe und Namibia. Länder, die sich nicht nur gemeinsame Grenzen teilen, sondern angesichts der Dürre und ihrer Tierwelt vor den selben Herausforderungen stehen. Vor allem in den Regionen, die von Subsistenzlandwirtschaft geprägt sind, sind die Ernten die Hauptnahrungsquelle. Eine Elefantenherde kann den gesamten Jahresvorrat einer Familie vernichten. Gleichzeitig sind die Tiere das Aushängeschild der Region, das Safari-Touristen aus aller Welt anzieht.
Wenn am heutigen Montag die UN-Biodiversitätskonferenz (Convention on Biological Diversity, kurz CBD) im kolumbianischen Cali beginnt, geht es genau darum: Klimaerwärmung und Biodiversität. Unter dem Motto „Frieden mit der Natur“ soll die biologische Vielfalt bewahrt und gleichzeitig das Wohl von Menschen und Ökosystemen gesichert werden.
In Sambia, das eine der höchsten Raten von Unterernährung aufweist, verschlimmern Wildtiere, die in die Felder eindringen, die Situation. „Der Konflikt ist nichts Neues“, sagt Kerryn Carter von Elephant Connection, doch der Klimawandel verschärft ihn. Ihre Organisation bemüht sich um eine friedliche Koexistenz zwischen Landwirten und den Dickhäutern. Seit gut einem Jahr testet sie etwa elektrische Schutzzäune. „Statt die Tiere einzuzäunen, zäunen wir die Menschen ein“, sagt Carter im Scherz.
Dabei wird um die betroffenen Felder ein kleiner Zaun aus Poly-Draht gespannt. Das Material sei nicht interessant für Metalldiebe, könne aber den Strom leiten, der über Solarpanele erzeugt werde. „Die Materialien sind alle für wenig Geld auf den lokalen Märkten zu erhalten, was Reparaturen und die Instandhaltung erleichtern“, erzählt Carter. Außerdem würden die Bauern für den Wert der Tiere sensibilisiert.
Immer wieder passiert es, dass Landwirte Elefanten, die wiederholt in ihre Felder eindringen, aus Rache töten. Zwischen Mai und September starben im Randgebiet eines Nationalparks an der sambisch-malawischen Grenze mindestens fünf Tiere. Um eine solche Eskalation zu verhindern, könnten Maßnahmen wie die Elefantenzäune helfen, sagt Carter.
Auch das Feld von Crispin Phiri ist seit ein paar Monaten mit einem solchen Elektrozaun geschützt. Kleine Flatterbänder sollen dafür sorgen, dass niemand aus Versehen in die Schnur hineinläuft. Tagsüber wird zudem der Strom abgeschaltet, da die Elefanten nur nachts kommen. „Der Stromschlag ist nicht gefährlich für Menschen, aber er ist unangenehm. Schließlich muss er stark genug sein, um einen Elefanten zu erschrecken“, sagt Phiri. Seit der Installation könne er endlich ruhig schlafen. Zuvor mussten die Bauern nachts in den Feldern wachen, um die Elefanten durch das Klappern auf Kochtöpfen oder Chili-Geschosse zu verjagen. „Aber gerade in der Dürre können Elefanten aggressiv sein“, sagt Phiri. Der Zaun soll die direkte Konfrontation vermeiden und die Felder schützen. „Ich bin mit den Elefanten aufgewachsen“, sagt er. Doch manchmal sei es nicht einfach, mit ihnen zusammenzuleben.
Es ist eine Geschichte, von der die Bauern im benachbarten Botswana ein Lied singen können. Schätzungsweise 130.000 Elefanten leben dort, vor allem im Chobe-Nationalpark, wo es Herden mit Hunderten von Tieren gibt. Als die Safari-Tour-Jeeps die offene Landschaft erreichen, sind die Dickhäuter leicht zu entdecken. Langsam trotten mehrere Muttertiere mit ihren Jungen an der Autokolonne vorbei. Die Tiere sehen ausgemergelt aus. Die Trockenheit hat auch an ihnen Spuren hinterlassen. Die meisten Elefanten halten sich daher in Flussnähe auf, wo noch ein wenig Grün zu finden ist. Doch den Futterbedarf zu decken, ist schwierig. Bis zu 150 Kilogramm Gras, Blätter, Früchte und Samen fressen die Tiere täglich. In Dürrezeiten eine echte Herausforderung.
Die großen Elefantenherden ziehen Touristen an, verursachen aber auch immense Zerstörung. Im April machte Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi Schlagzeilen, als dieser ankündigte, 20.000 Elefanten nach Deutschland schicken zu wollen. Hinter dem Angebot mit Augenzwinkern stand der Frust über eine EU-Debatte um ein mögliches Einfuhrverbot von Jagdtrophäen. Die Elefantenjagd war 2019 wieder erlaubt worden – auch, um die Zahl der Tiere zu reduzieren. Die Kritik europäischer Tierschützer und Politiker ließ bei Masisi die Hutschnur platzen. „Es ging dem Präsidenten hauptsächlich darum, auszudrücken, dass es nicht einfach ist, Seite an Seite mit Elefanten zu leben“, erklärt Botswanas Staatssekretär Boatametse Modukanele im Gespräch mit der taz.
Status quo bewerten
Im Kaza-Schutzgebiet ist man sich dieses Dilemmas bewusst. Naturschutzinitiativen wie Elephant Connection verfolgen deshalb eine Vielzahl von Ansätzen, um Tier und Mensch möglichst nebeneinander leben zu lassen. Menschenleere Parks mit strengen Schutzregeln sowie Zonen, in denen Landwirtschaft erlaubt ist, sollen Naturschutz und landwirtschaftliche Aktivitäten unter einen Hut bringen. Migrationskorridore zwischen den Parks ermöglichen es Wildtieren beispielsweise, an Siedlungen vorbeizuwandern. Immer mehr Elefanten werden zudem mit GPS-Sendern ausgestattet, um ihre Bewegungen besser zu verstehen. Auch natürliche Abschreckungen wie Chili-Pflanzen oder Bienenkörbe werden eingesetzt. Der Aufwand und die Kosten sind groß, doch Naturschützer wie Kerryn Carter sind überzeugt, dass sich die Investition lohnt, um den Mensch-Tier-Konflikt zu entschärfen.
Blickt man auf die Ziele des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt, gilt das Kaza-Schutzgebiet als ein Vorzeigebeispiel. 196 Länder einigten sich 2022 in Montreal darauf, Biodiversität zu einem zentralen Thema zu machen. „30x30“ lautet dabei das magische Stichwort. Bis 2030 sollen 30 Prozent des Planeten unter Naturschutz stehen. Gleichzeitig sollen 30 Prozent degradierten Landes wiederhergestellt werden, um zum Beispiel die Verbreitung invasiver Arten zu vermindern.
Bei der Biodiversitätskonferenz in Cali wollen die Vertreter der Länder den Status quo bewerten und Fragen rund um die Finanzierung klären. UN-Schätzungen zufolge bräuchte es 700 Milliarden Dollar pro Jahr, von denen momentan nur 120 Milliarden abgedeckt sind.
Naturschutz kostet, doch Edward Humphrey vom Kaza-Sekretariat sieht die Investition darin als eine, die darüber hinausgeht. „Man könnte sagen, dass die Kaza-Region auch einen Beitrag zur Friedenssicherung leistet“, sagt der Projektmanager. Immer wieder hatte es politische Spannungen in der Region gegeben. Insbesondere Angola war durch einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg von 1975 bis 2002 lange Zeit zerrüttet. Dass fünf Länder, deren Beziehung in der Vergangenheit nicht immer harmonisch waren, 2011 ein offizielles Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit unterschrieben, sei ein Meilenstein gewesen. „Heute werden an den Landesgrenzen innerhalb des Schutzgebiets zum Beispiel gemeinsame Patrouillen von den Rangern und den Soldaten der jeweiligen Länder gelaufen“, berichtet Humphrey. Auch die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Wilderei sei ein wichtiges Ziel.
Ganz ohne Reibereien läuft die Zusammenarbeit allerdings nicht ab. Da sich die Militäreinheiten der unterschiedlichen Länder scheuen, einen gemeinsamen Kanal auf den Walkie-Talkies zu nutzen, läuft sämtliche Kommunikation der Patrouillen über Whatsapp ab, berichtet ein botswanischer Ranger im Chobe Nationalpark. Ein Zeichen der Vorsicht, denn trotz offizieller Zusammenarbeit würden nicht alle sicherheitsrelevanten Informationen über einen gemeinsamen Kanal geteilt werden. Das schwache Handynetz erschwert die Arbeit der Sicherheitskräfte jedoch.
Auch sei es manchmal schwierig, bei fünf Ländern mit unterschiedlicher Gesetzgebung den bürokratischen Dschungel zu durchblicken. Entsprechend langsam ist das Kaza-Schutzgebiet in der Umsetzung von Entscheidungen. Als 2022 zum ersten Mal eine länderübergreifende Elefantenzählung aus der Luft durchgeführt wurde, war dies ein immenser Erfolg. Zum ersten Mal konnte eine realistische Schätzung der Elefantenpopulation in der Kaza-Region abgegeben werden: 227.900 Tiere. Diese Daten helfen, Tierverhalten und klimatische Veränderungen besser zu erfassen.
Dieser Erfolg wäre ohne internationale Unterstützung nicht möglich gewesen. Deutschland spielt eine wichtige Rolle. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellte in den vergangenen Jahren 50 Millionen Euro für das Kaza-Schutzgebiet und grenzüberschreitende Kooperationen bereit. Doch auch darüber hinaus gehört Deutschland zu den größten Unterstützern des Biodiversitätsschutzes. Ab 2025 sollen jährlich 1,5 Milliarden Euro, doppelt so viel wie vorher, bereitgestellt werden, so das Ziel von Umweltministerin Steffi Lemke. Doch die gleichzeitige Debatte in Deutschland über drastische Kürzungen des Entwicklungshilfeetats könnte Projekte wie das Kaza-Schutzgebiet direkt betreffen. Dort finanziert die Bundesrepublik unter anderem die Wildereibekämpfung und wissenschaftliche Forschung, fördert die internationale Zusammenarbeit zwischen den Kaza-Vertragsstaaten und nachhaltigen, gemeindebezogenen Tourismus.
Für Bauern wie Crispin Phiri ist vor allem der letzte Punkt von großer Bedeutung: einbezogen zu werden. Zwischen all den Elefanten müssten auch die Menschen ihren Platz haben, findet er. Seine Sorge gilt seiner Familie, seinem Feld und damit auch seinem Einkommen. Er möchte seinen Kindern eine gute Schulbildung ermöglichen, wofür er seine Ernte braucht. Besonders in Sambia, mit einem Bevölkerungswachstum von rund 2,7 Prozent, steigt der Bedarf nach landwirtschaftlicher Fläche. Der „menschenleere“ Naturschutzansatz, der oft große Flächen nur für Wildtiere reservieren will, ist in dieser Hinsicht längst überholt. In der Kaza-Region ist man sich bewusst, dass Naturschutz nur im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen vor Ort funktionieren kann – ein Gedanke, der auch bei den Verhandlungen in Cali im Mittelpunkt stehen sollte.
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