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Fortschritt weiblicher Gaming-CharaktereRevolutionär: Frauen sind jetzt auch Menschen

Spiele wie „The Witcher“ sexualisieren Frauen – doch ein Wandel hin zu realistischeren Figuren beginnt. Das zeigt auch die neue Lara-Croft-Serie.

Hayley Atwell als Lara Croft in Tomb Raider: Die Legende von Lara Croft Foto: Netflix

I ch habe von dir geträumt“, sagt Geralt, während er neben Yennefer reitet. „So wie ich dich kenne, bestimmt etwas Unanständiges“, flirtet sie. Yennefers Oberteil ist schwarz, schulterfrei und liegt eng an. Zwischen ihren Brüsten hat es einen schmalen Spalt. Ihr Rock ist kurz, knapp darunter enden Spitzenstrümpfe, die aus hohen Stiefeln herausragen. Praktisch ist das nicht, denke ich noch. Dann werden die beiden angegriffen.

Yennefers Kleidung soll nicht praktisch, sondern sexy sein. Wichtige weibliche ­Charaktere in „The Witcher 3: Wild Hunt“ erkennt man an den Model-Gesichtern: kleine, spitze Nasen, lange Wimpern und glänzende, volle Lippen. Die Gesichter der unwichtigen Frauen sind runder, die Nasen größer und die Lippen dünner. Nur sexy Frauen sind relevant.

Dabei gilt „The Witcher“ bezüglich Geschlechterrollen als fortschrittlich. Immerhin ist Yennefers Charakter nicht nur sexy. Sie agiert unabhängig vom Protagonisten Geralt und kämpft mit ihm. Und doch bedient sie das Bild einer Frau, deren Glück vom Begehren eines Mannes abhängt.

Sie ist eine von zwei Frauen im Spiel, mit denen Geralt romantisch anbändeln kann. Die beiden umwerben ihn eifersüchtig. „Die schwierigste Entscheidung im Game ist: Nehme ich den Goth oder die Rothaarige?“, witzelt ein Spieler auf Youtube.

Von Männern für Männer

Frauen als Trophäen oder sexuell verfügbare Objekte. Nicht alle Videospiele verbreiten dieses Bild, aber viele. Denn Videospiele, vor allem Rollenspiele, werden von Männern für Männer gemacht. Der vielleicht erste starke weib­liche Rollenspiel-Charakter war Lara Croft. 1996 erschien der erste Teil der Reihe „Tomb Raider“. Angeblich ist die Protagonistin nur weiblich geworden, weil man sich keinen turnenden Mann vorstellen konnte. Turnen ist ja unmännlich!

Als Lara Croft springt man durch Höhlen und schießt mit Pistolen um sich. Und das mit riesigen Brüsten. Ein Versehen sei Letzteres nicht gewesen, erzählte der Entwickler 24 Jahre später dem Magazin The Gamer. Lara Croft setzte 1996 den Standard. Wenn schon Frau, dann wenigstens sexy.

Die Folgen spürt man noch heute. Rollenspiele wie „The Witcher“ werden laut einer Studie von 2017 zu 74 Prozent von Männern gespielt. Macht Sinn, wenn Frauen darin entweder überhaupt keine oder sexualisierte Rollen spielen.

Endlich darf die Frau die Heldin sein

Zum Glück denken Spiele­hersteller langsam um: Nach mehr als 20 Zelda-Spielen handelt in „The Legend of Zelda: Echoes of Wisdom“ erstmals Zelda (die Frau) und darf Link (den Mann) retten. Wie unfeministisch viele Videospiele sind, wird mit Blick auf aktuelle Film- und Serienadaptionen deutlich. Videospiel-Fans kritisierten die Netflixserie „The Witcher“ unter anderem, weil die Frauen nicht sexy genug seien.

Selbst Sexualisierungs-Endboss Lara Croft hat in ihrer neuen Serie, die aktuell auf Netflix zu sehen ist, einen realistischen Körper mit muskulösen Oberschenkeln, Bizeps und nicht-überdimensionierten Brüsten. Es geht voran in der Gaming-Welt: Frauen dürfen menschlich sein.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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17 Kommentare

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  • Witcher 3 halte ich auch nicht für das beste Beispiel zu dem Thema, da fällt mir spontan doch eher der erste Teil der Reihe ein. Dort hat man seine "Eroberungen" als teilweise sehr freizügige Sammelkarten erhalten, das war dann doch eher fragwürdig.

    Leider ist der Aufschrei der Community der Gamer immer noch viel zu oft sehr laut und empört, wenn ein Spiel tatsächlich mal eine weibliche Heldin hat, die dann vielleicht auch nicht sofort dem Idealbild entspricht. Ich muss hier an Aloy aus Horizon denken, die nicht hübsch genug oder nicht weiblich genug war für die Gamer. Ich konnte das nicht verstehen, weil es sich für mich um einen sehr einzigartigen und interessanten Charakter gehandelt hat, den ich gern gespielt habe. Auch bei Ubisoft (die ganzen Skandale mal außen vorgelassen) war die Empörung der Fans so groß, als bekannt wurde, dass es bei Assassins Creed Odyssee einen weiblichen Hauptcharakter geben sollte mit Kassandra, dass Ubisoft schnell zurückgezogen hat und die Wahlmöglichkeit einführte. Von der Community wird da sofort die "woke" Keule herausgeholt, dass es ja politisch gewollt ist und nur deshalb...

    Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen und finde es schade.

  • Weiblich, Mitte 60, Gamerin seit locker 30 Jahren (beginnend mit Atari, dann alle Sony-Konsolen, XBoxen, Mac und PC via Steam Deck.

    Am längsten beschäftigt mit GTA V, da es da den Creator gibt, der das Gestalten eigener Rennen, Deatmatches etc. erlaubt, die von der Community gespielt werden können.

    Die Frauenfiguren empfinde ich in den meisten games als oversexed, aber meist starke Persönlichkeiten, wenn sie die Protagonistinnen sind. Klar, da ja meist Jungs ihren Char spielen. :)

    Was mich sehr stört, sind die Asiatischen Manga-Style Chars - mädchenhaft (Teenager) stilisiert, aber sexbetont bekleidet. Aber der Style ist mir eh' zu kitschig, solche Sachen spiele ich nicht.

    Unisex bei Chars ist mir lieb - da gehört für mich Destiny dazu.

    Seit einigen Jahren kommt Diversity 'ins Spiel' - das tut dem Genre gut, kann aber auch aufgesetzt wirken.

  • Kennt sich die Autorin ein bisschen aus in der Welt der Computerspiele? Muskelbepackte Helden mit sixpack sind doch seit Jahren Standard. Da fragt doch auch keiner, ob das so realistisch ist. Das Genre lebt von Überzeichnung.



    Mal ganz davon abgesehen, sehen wir nun mal lieber normschöne Menschen an, deshalb gibt es ja brad pit und Co.

  • Mich würde interessieren, welche Version des Spiels Sie gespielt haben, die die oben beschriebene Szene aus "The Witcher 3" so abbildet? Mir war das ganz und gar nicht so in Erinnerung geblieben und es bedurfte nur eines kurzen Nachschauens: Yennefer ist ganz und gar anders gekleidet, als hier beschrieben. Sehr zugeknöpft sogar. Das stieß mir schon einmal recht sauer auf. Das grundsätzliche Ansinnen des Beitrags leuchtet mir wohl ein, aber die gewählten Beispiele sind dünn und münden am Ende auch noch in eine neue Serie, die auf einer Videospielreihe beruht. Insgesamt ein wenig durcheinander, um ehrlich zu sein. Wer die genannten Spiele nur an der Oberfläche behandelt, mag vielleicht zustimmen. Wer sie jedoch eingehender gespielt hat, kommt sicherlich zu einem differenzierten Urteil. Dabei gäbe es gute Beispiele für die von Ihnen genannte Kritik – nur eben nicht unbedingt diese. Und das finde ich dann doch recht enttäuschend, wenn Spiele zu Ihren Schwerpunktthemen gehören.

  • The Witcher sexualisiert auch Männer.



    Generell sexualisieren Rollenspiele. Oder auch nicht. Wenn man seinen Charakter selbst erstellen kann, kann man sich komplett austoben.



    Aber dann beschweren sich die Zwerge, dass man einen halbnackten Elfen spielt oder anders herum:



    Das tolle am Videospielen ist, dass man es ja nicht spielen muss. Wenn man Strippoker spielt echauffiert man sich ja auch nicht. Zudem kann man beim Witcher auch gekonnt das beschlafen umschiffen, sofern man keine Lust darauf hat.

  • "ein Wandel hin zu realistischeren Figuren beginnt."



    Realismus?



    In Computerspielen, die primär dem Eskapismus dienen?



    Scheint mir widersprüchlich.

  • "The Witcher" ist erstmal eine Addaption und hat mit den Büchern nur entfernt zu tun. Wenn man diese aber gelesen hat sollte klar sein: Beide Frauen sind Magier und es wird eindeutig beschrieben dass diese magische Regenzien nutzen um ihr Erscheinungsbild zu perfektionieren und grobe wie feine Fehler zu kaschieren.



    Zudem sollte man doch bitte klar die Games und erst recht diese Serie als die Adaptionen darstellen welche sie sind. Sapkowski selbst hat sich von beiden distanziert (verständlich) und diese haben auch eher lockeren Bezug zu den Büchern.



    Soviel Liebe zum geschriebenen Wort sollte jemanden der damit seine Brötchen verdient schon zu eigen sein.



    Aber nur meine Meinung.

  • Lara Croft ist schon länger nicht mehr übersexualisiert, Samus war es nie.



    Was soll auch immer dieses gejammere, dass Frauen übersexualisiert in den Spielen sind? Die Autorin hat sich wohl nie die Männer angesehen, die sehen nämlich auch aus wie aus dem Unterwäschekatalog.



    Übrigens, wenn man schon Witcher als negativ Beispiel anführt sollte man sich zuerst einmal damit beschäftigen. Die Hexen sind nicht nur hübsch sondern äußerst intelligent und auf die eigene Macht ihrer Loge aus. Noch dazu gibt es Ciri als geschickte Kämpferin.

  • Videospiele werden für Männer gemacht, weil die sie kaufen und spielen. Und wie der obige Kommentar richtig herausstellt, spielen Männer offenbar gerne attraktive Personen, die romantische Beziehungen mit attraktiven Personen haben. Ob das bei Frauen grundlegend anders ist, wäre eine interessante Frage. Zur Klärung würde sich ein Spiel mit frei generierbarem Hauptcharakter besser eignen als der Witcher, vielleicht Mass Effect oder Baldur´s Gate, in denen zum einen der alter Ego des Spielenden (in Aussehen und Geschlecht) selbst gestaltet werden kann und eine große Anzahl an sehr unterschiedlich aussehenden potentiellen romantischen Partnern zur Verfügung stehen.



    Wählen Frauen, die solche Spiele spielen, wirklich ein 'natürlicheres' Äußeres und fühlen sich zu den unscheinbareren Partnern hingezogen? Oder spielen sie auch mehrheitlich die heiße Braut und schnappen sich den knackigen Typen?



    Ich weiß es nicht und fände eine Studie dazu sehr spannend. Meine Vermutung ist aber, dass es für Männer und Frauen an dieser Stelle um Träume, Eskapismus und Immersion geht und nicht um realistische Darstellungen.

    • @gelu:

      Dass Spiele für Männer gemacht werden, im Jahr 2024, ist nicht nur falsch, sondern zutiefst sexistischer Unsinn. Man gewinnt vielleicht den Eindruck, weil in erster Linie Männer mit Bart und Käppi tausende youtube-Kanäle betreiben. Jede Statistik zeigt aber, dass diese Gestalten nicht mehr die Mehrheit sind. Göttin sei Dank. Sie sind zwar laut, besitzergreifend und nervig, aber nicht die Mehrheit!

      • @Ully Fischer:

        Naja, es ist vielleicht ein bisschen arg pauschalisierend und vereinfachend, aber gleich “zutiefst sexistischer Unsinn“?

        Sicher gab es schon immer Spiele wie Sims, die wohl eine halbwegs geschlechtlich ausgeglichene Fanbase haben. Und sicher gibt es auch Nischenprodukte, die sich an eine explizit weibliche Zielgruppe wenden und sicherlich ist auch die Spielerschaft von ‚typisch männlichen‘ Spielen wie Witcher oder Read Dead Redemption (männlicher Protagonist, es wird viel gekämpft und geschossen) im niedrigen zweistelligen Prozentbereich weiblich.

        Aber es ist wie beim Fußball: Die richtige Kohle wird mit der einfach viel größeren männlichen Gruppe gemacht, weshalb deren Interessen halt wirtschaftlich interessanter sind.

        Meine These war ja eigentlich eine andere: Diese Männer wollen nicht per se Frauen objektivieren, sondern sie wollen beim Spielen in einen Kosmos abtauchen, der weit weg von ihren Alltagserfahrungen liegt. Die These der Autorin ist, dass Frauen das nicht wollen, ich fände es spannend, diese These mal zu überprüfen.

  • "Frauen mögen Sex... Ja, ich weiß, dass ist für den ein oder anderen überkorrekten Milchbubi schockierend, aber es ist so. Und in einer Welt voller Bier saufender, haariger Fettsäcke mit fehlenden Zähnen und ohne Verhütung, ist es wohl nicht allzu unrealistisch, dass ein nahezu Haarloser zeugungunfähiger Hexer mit durchtrainiertem Körper und charismatischm Auftreten recht begehrt ist, um unverbindlich Spaß zu haben."

    BÄMZ

    nein mal ernsthaft, The witcher ist voll von starken weiblichen Charakteren und auch Hauptfiguren und ist hier wirklich ein schlechtes Beispiel für Sexismus in Spielen

  • "Von Männern für Männern gemacht" ist natürlich ein sexistischer Kommentar, nur anders herum. Und dabei so normalisiert, dass selbst ich keine Idee habe, wie man das anders formulieren könnte.

    Aber ich will an dieser Stelle mindestens mal darauf hinweisen, dass die Rollenbilder von männlichen Charakteren in Computerspielen natürlich auch genauso stereotyp und damit sexistisch waren und sind: "Du bist kein Mann, wenn Du nicht die Frau retten kannst." Herzlichen Dank!

    Man kann an dieser Stelle einen toxischen Fehler der letzten Jahrzehnte erkennen: Wenn Feminismus eine Linie zieht und Täter und Opfer rechts und links von der Linie verteilt ohne zu differenzieren.

    Alice Schwarzer gibt in ihrer Biographie an, bei Foucault in Paris in der Vorlesung gesessen zu sein. Es ist schade, dass sie ihm dabei anscheinend nicht zugehört hat. Denn sonst hätte Macht auch so beschreiben können, dass sie nicht auf einer Seite einer Linie besessen wird, sondern die Verhältnisse auf beiden Seiten in Macht getränkt sind.

    Und so ändert sich auch nicht wesentlich etwas, wenn man das Geschlecht der Charaktere austauscht und die Story weiter bleibt: Einsame Held*In muss schlachten und retten.

  • „Nur sexy Frauen sind relevant.“

    Schon mal Geralt angeschaut? Auch nicht gerade Danny Devito, oder? Männliche Figuren in anderen Videospielen? Man könnte feststellen, dass die meisten Videospielfiguren übermäßig attraktiv sind. Und dass Frauen keine Videospiele spielen, liegt daran, dass sie sich für die Themen nicht interessieren, nicht an vermeintlicher Sexualisierung.

    • @In aller Ruhe:

      Ich habe mal Bilder von Yennefer gegoogelt. Sie wirkt stark, selbstbewusst und ist regelrecht dezent gekleidet. Bis auf das schulterfreie Kleid. Aber solche Kleider sehe ich auch ständig in der echten Welt. Wo ist hier die Sexualisierung?

      Ehrlich gesagt finde ich in praktisch jeder Frauenzeitung freizügigere Abbildungen von attraktiven Frauen als hier. Offenbar bevorzugen auch Frauen den Anblick anderer schöner Frauen.

    • @In aller Ruhe:

      Ich sehe in Filmen und Videospielen auch nie dickbäuchige und unattraktive Männer. Da mussten wohl Zeilen gefüllt werden.

    • @In aller Ruhe:

      Ist es möglich, dass ein Teil dieses Mangels an Interesse auf übermäßige Sexualisierung wie in dem Artikel beschrieben, sexistische Rollenklischees und mangelnde Repräsentanz zurückzuführen sein könnte?