Prozesse gegen Reservisten-Gruppe: Wer Heimatschutz sagt, kriegt Heimatschützer
Ehemalige Angehörige einer Heimatschutzkompanie der Bundeswehr in Niedersachsen stehen wegen Verstößen gegen das Waffenrecht vor Gericht.
Gegen einen der damals „beorderten“ Reservisten läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Sein ehemaliger Vorgesetzter beim „Heimatschutz“, Jens G. aus der Wedemark, wurde bereits am 8. Februar dieses Jahres zu einer Geldstrafe nach dem Waffen- und Sprengstoffgesetz verurteilt. Bereits am 19. Oktober vor einem Jahr hatte das Amtsgericht Burgwedel zudem einen Stabsgefreiten wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Jens G. und den Reservisten, gegen den jetzt ermittelt wird, verbindet eine rechtsextremistische Gesinnung. Ein weiteres langjähriges Mitglied der RSU Nordheide gehört zu den völkischen Siedlern in der Lüneburger Heide. Einen Tag nach der offiziellen Indienststellung der Kompanie 2013 in der Lüneburger Kaserne feierte ein Teil der Angehörigen in einem Anwesen mit Waffen, Munition und Hitlerzimmer in Seevetal weiter.
Unter strenger Geheimhaltung ermittelten das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen und die Staatsanwaltschaft Lüneburg seit 2021 gegen den ehemaligen Kompaniechef, Oberstleutnant der Reserve Jens G., sowie gegen Teile seiner RSU wegen Bildung einer mutmaßlichen Wehrsportgruppe.
Viele Ermittlungsverfahren
Der verdächtigen „Neigungsgruppe G.“ gehörten 13 Beschuldigte an, allesamt Reservisten der Bundeswehr. Auf eine aktuelle Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner räumte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Thomas Hitschler, ein, dass eine hohe einstellige Zahl der vom Ermittlungsverfahren Betroffenen „zeitgleich der Heimatschutzkompanie ‚RSU KR Nordheide‘“ angehörte. Bei einer niedrigen einstelligen Zahl von Personen seien erfolgreich abgeschlossene Sicherheitsüberprüfungen „nachträglich aufgehoben“ worden.
Die „Heimatschutzkompanien“ der Bundeswehr bestehen seit 2012. Sie sollen kritische Infrastrukturen schützen, während die kämpfende Truppe an der Front im Einsatz ist. Teilnehmer*innen absolvieren einen siebenmonatigen Crash-Kurs an der Waffe. Die RSU gehören zur Reserve der Bundeswehr und sind vor allem für den Objektschutz ausgebildet.
Vor drei Jahren befürchteten LKA und Staatsanwaltschaft Lüneburg zunächst, dass sich die Mitglieder der „Neigungsgruppe“ zu einer rechten Widerstandsgruppe zusammengeschlossen und über Anschläge auf Migranten gesprochen hätten.
Der Hinweis auf Jens G. ergab sich 2021 bei einer Routineüberprüfung im Bundesverteidigungsministerium. Dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) war der Handykontakt eines Referenten der Abteilung „Strategie und Einsatz“, Alexander B., aufgefallen. Der Referent war Burschenschafter in Hannover.
Kontakte bis in die Bundeswehrspitze
Wie das ARD-Magazin „Kontraste“ berichtete, hatten Jens G. und Alexander B. zudem 2004 ein „Ritterkreuztreffen“ besucht. Aufnahmen zeigen eine exklusive Gesellschaft: hochdekorierte Wehrmachtsoffiziere, begeisterte Burschenschafter und mittendrin Jens G. und Alexander B.
Während G. als Reservist in Niedersachsen Karriere machte, pflegte er demnach Kontakte bis in die Bundeswehrspitze. Privat nahm er mit anderen Rechtsextremen an Fahrzeugtreffen wie 2015 in der Örtzetal-Kaserne in Munster teil. 2016 besuchten mehrere Tatverdächtige der „Neigungsgruppe G.“ den völkischen „Maitanz“ in Edendorf.
Jens G. hatte bereits 2002 an einem Treffen der inzwischen verbotenen Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft teilgenommen und war polizeibekannt. Als 2001 Bundeswehrangehörige und Reservisten gegen die Entlassung der damaligen Bundeswehroffiziere Götz Kubitschek, Mitbegründer des rechtsextremen „Instituts für Staatspolitik“, und Peter Felser, heute Bundestagsabgeordneter der AfD, wegen eines Buches über den Bosnienkrieg protestierten, unterzeichnete auch Jens G. den Aufruf in der rechten Jungen Freiheit.
Jens G. sei bestens „sozial vernetzt“, kenne sich bestens mit „dem Zusammenbauen von Waffen“ aus und habe „sogar mal Geschichte studiert“, berichtet ein Insider.
Als „Neigungsgruppe G.“ hatten G. und seine Leute an militärischen Reservistenwettkämpfen teilgenommen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde fallen gelassen, nicht aber der des Waffen- und Sprengstoffmissbrauchs gegen einige der 13 verdächtigen Reservisten.
Warum G. trotz seiner politischen Vergangenheit 2013 zeitweise eine Heimatschutz-Kompanie führen konnte, bleibt unklar. Martina Renner warnt: „Bundeswehr und Reservistenverband versagen im Umgang mit Reichsbürgern, Nazi- und SS-Fans in ihren Reihen“. „Dem MAD ist überhaupt nicht bewusst, welche Anziehungskraft Heimatschutzkompanien auf die extreme Rechte haben“, so die Abgeordnete.
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