Linkspartei streitet über Antisemitismus: Nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln

Ex-Senator Lederer und andere wollten beim Landesparteitag linken Antisemitismus benennen und bekämpfen. Eine Mehrheit der Delegierten lehnte das ab.

Das Bild zeigt Exkultursenator Klaus Lederer. Er war 2023 Spitzenkandidat der Berliner Linkspartei.

Exsenator Lederer warb vergeblich dafür, auch linken Antisemitismus klar zu benennen und zu verurteilen Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Nicht dass die Linkspartei nicht schon genug Probleme hätte: in Brandenburg, wo sie noch vor fünf Jahren mitregierte, gerade mit 2,98 Prozent aus dem Landtag geflogen, auch in Berlin nur noch bei 7 Prozent und intern zerstritten. Beim Landesparteitag am Freitag aber hat sich jetzt auch das noch steigern lassen: Eine Mehrheit der Delegierten entkernt einen Antrag bekannter Mitglieder um Ex-Kultursenator Klaus Lederer zu klarer Haltung gegen Antisemitismus: Die Benennung linker Judenfeindlichkeit fällt genauso raus wie die Forderung, Juden „konsequent und unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen“.

Die Doppelspitze des Landesverbands, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, hatte eingangs in ihren Reden ein ganz anders Signal von diesem Parteitag angestrebt: eines einer Partei, die sich zusammenrauft, die dem schwarz-roten Senat Kontra gibt, die die Alltagsprobleme im Blick hat und Antworten darauf gibt. Der Schriftzug „Bereit zu kämpfen“ prangt hinter dem Rednerpult, als Parteiikone Petra Pau dort ankündigt, 2025 nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren. Für ihre Partei sieht sie zwei Möglichkeiten: „Entweder die Linke rappelt sich zu einer gefragten Alternative im 21. Jahrhundert auf, oder wir stürzen im freien Fall in die Bedeutungslosigkeit.“

Doch dann tritt der frühere Spitzenkandidat Lederer an ebendieses Rednerpult, aktuell queer- und drogenpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, um das zu begründen, was nun unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“ vorliegt. „Wir haben den Antrag gestellt, weil wir ein Problem haben“, sagt er. „Das ist nicht nur ein Problem der Partei, sondern linker Milieus generell.“ Es werde „von Menschen aus Partei und Umfeld“ das Hamas-Massaker als legitimer Widerstand glorifiziert, es werde gegen das Existenzrecht Israels agitiert und zu Gewalt gegen Israelis aufgerufen. „Mit einer linken Partei, der wir Antragsteller uns zugehörig fühlen, hat all das nichts zu tun.“

Zu diesen Antragstellern gehören weitere Ex-Senatsmitglieder, Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert, aber auch führende Köpfe der Abgeordnetenhausfraktion wie deren Chefin Anne Helm oder Finanzexperte Sebastian Schlüsselburg.

Knappe Mehrheit für Änderungen

Einer Mehrheit des Parteitags aber missfallen zentrale Passagen – sie unterstützt in teils sehr knappen Abstimmungen Änderungsanträge. Als erstes fällt so die Formulierung raus, jüdische Menschen „unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel“ zu schützen.

Gleichermaßen verschwinden der Begriff „konsequente Strafverfolgung“ und eine konkrete Benennung von linken Antisemitismus: Aus der Passage „sich politisch links verortende Menschen in Berlin“ hätten das Massaker vom 7. Oktober relativiert und mitunter gefeiert, wird allgemein „Menschen in Berlin“. Man sei nicht gegen Strafverfolgung, sagt eine Unterstützerin der Änderungsanträge am Rednerpult, man müsse aber „die politische Großwetterlage beachten“. Dort sieht sie Repression mit dem Ziel der „Zerschlagung jeglicher Solidarität mit den Menschen in Gaza.“

Nachdem diese Änderungsanträge erfolgreich sind, zieht Lederer den Antrag zurück. Es folgt eine kurze Unterbrechung, bevor er und zahlreiche Gleichgesinnte, darunter auch Pau, den Parteitag verlassen. Die erfolgreiche Seite drängt nun darauf, den um zentrale Passagen gekürzten Antrag gegen den Willen der Antragsteller als generelles „Zeichen gegen Antisemitismus“ zu beschließen. Das scheitert knapp nur daran, dass dafür eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre, die auch nach dem Auszug des Lederer-Lagers nicht zustande kommt.

Landeschef Schirmer mag später in dem Verlauf des Parteitags und dem in dieser Form zuvor nicht erlebten Auszugs zahlreicher und eben auch prominenter Mitglieder keinen Eklat oder Tiefpunkt erkennen. Man müsse feststellen, dass es teilweise verschiedene Perspektiven gibt, weil einige Mitglieder zum Beispiel selbst jüdisch sind oder betroffene Angehörige haben“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Entsprechend lebhaft und emotional sei die Diskussion geführt worden – „das ist bei diesem Thema nicht neu.“

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