Karlsruhe zum BKA-Gesetz: Verhältnismäßig kompliziert
Karlsruhe ist das Gesetz zur BKA-Datenbank zu unpräzise. Es ist wichtig, nach der Verhältnismäßigkeit zu fragen, auch wenn es Gesetze komplexer macht.
D as Bundesverfassungsgericht hat erneut das BKA-Gesetz beanstandet. Nach einem Grundsatzurteil 2016 ging es diesmal um eher punktuelle Fragen. So soll nicht jeder Beschuldigte aus einem Strafverfahren ohne Weiteres in einer BKA-Datenbank landen können. Karlsruhe verlangt eine ausdrückliche „Negativprognose“ zur strafrechtlichen Zukunft der Person.
Das Urteil arbeitet weiter an der Ausgestaltung des deutschen Polizeirechts unter dem großen Leitbild der Verhältnismäßigkeit. Das ist einerseits zu begrüßen. Wir alle wollen eine Polizei, die nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt, die nicht willkürlich handelt und die ihre Ressourcen auf das Wesentliche konzentriert.
Allerdings befremdet es etwas, wenn Gesetze wie das BKA-Gesetz, die man auch als Jurist kaum noch verstehen kann, beanstandet werden, weil sie nicht genug bedacht, ausformuliert und klein geregelt haben. Natürlich ist es besser, wenn die Bedingungen für einen Grundrechtseingriff im Gesetz nachzulesen sind und nicht nur in geheimen Verwaltungsvorschriften oder in Gerichtsurteilen stehen.
Mal sehen, wie der Bundestag die nun von Karlsruhe geforderte „Negativprognose“ regelt. Vermutlich so, dass mindestens fünfzehn Aspekte zu berücksichtigen sind und am Ende die Polizist:innen doch machen können, was sie für verhältnismäßig halten. Man kann nur hoffen, dass die superdifferenzierten Karlsruher Urteile wenigstens eine allgemeine Sensibilisierung bewirken und nicht nur Unverständnis, Resignation und Trotz bewirken. Denn auf den Umgang der Polizist:innen mit dem Polizeirecht kommt es ja nicht zuletzt an.
Weniger Orientierung für Betroffene
Auch für die Bürger:innen ist unter dem Strich nicht viel gewonnen. Selbst wenn sie am Ende weniger häufig in BKA-Dateien landen, wissen sie nicht, wer wann was über sie speichert, auswertet und weitergibt. Und je komplizierter die Polizeigesetze sind, desto weniger bieten sie den Bürger:innen Orientierung.
Es ist das Elend der Verhältnismäßigkeit, dass sie in jedem Moment einen guten Ausgleich der Interessen verlangt, ihre Signale dann aber eher diffus und vage sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“